Back to the future: die neue globale Entwicklungspartnerschaft gehört in die UN

Back to the future: die neue globale Entwicklungspartnerschaft gehört in die UN

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Mahn, Timo Casjen / Silke Weinlich
Die aktuelle Kolumne (2012)

Bonn: German Development Institute / Deutsches Institut für Entwicklungspolitik (DIE) (Die aktuelle Kolumne vom 21.05.2012)

Bonn, 21.05.2012. Heute wird in Paris abschließend über die Ausgestaltung der neuen Globalen Entwicklungspartnerschaft verhandelt. Im November 2011 wurde auf der Busan-Konferenz über die Wirksamkeit der Entwicklungszusammenarbeit entschieden, dieses neue Gremium bis Juni 2012 einzurichten. Während die Millenniumentwicklungsziele (MDGs) das grundlegende Programm globaler Entwicklungszusammenarbeit sind, steht das „Wie“ von Entwicklungszusammenarbeit im Mittelpunkt dieser Partnerschaft, deren Prinzipien von einer Staatenkoalition von über 150 Ländern beschlossen wurden. Die Art und Weise von Entwicklungszusammenarbeit beeinflusst erwiesenermaßen deren Wirksamkeit. Wie einflussreich die Globale Entwicklungspartnerschaft sein wird, entscheidet sich nicht zuletzt an ihrem institutionellen Zuhause. Die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD), in der die Ursprünge der Globalen Partnerschaft liegen, steht dabei nicht mehr als Träger zur Debatte. Denn als Club der reichen Länder kann die OECD keine Treffen „auf Augenhöhe“ zwischen Industrieländern, aufsteigenden Mächten und Entwicklungsländern gewährleisten; der OECD-Entwicklungsausschuss (DAC) ist Sinnbild für das traditionelle Nord-Süd-Entwicklungsparadigma. Gleiche Augenhöhe ist aber zwingend erforderlich, da Mächte wie China, Indien und Brasilien entscheidende Mitglieder der Partnerschaft sein sollen. Diese Länder waren lange ausschließlich Empfänger von Entwicklungshilfe, doch nun gehören sie zum Kreis der Anbieter. Aber auch die Partnerländer verlangen nach einem Forum, das die Idee einer Partnerschaft besser verkörpert.

Nicht noch ein Club…
Bisherige Pläne sehen für die globale Partnerschaft einen leichten organisatorischen Überbau vor. Die oberste Entscheidungsebene bilden alle 1 ½ bis 2 Jahre stattfindende Ministertreffen, sowie ein dreiköpfiger Vorsitz, der Geber, nicht-traditionelle Geber und Empfängerländer vertritt. Hinzu kommt ein 14-köpfiges repräsentatives Steuerungsgremium. Ein Sekretariat soll gemeinsam vom OECD-DAC und dem UN-Entwicklungsprogramm (UNDP) bestellt werden. In unabhängigen thematischen Arbeitsgruppen (building blocks) schließen sich außerdem auf freiwilliger Basis Akteure zusammen, um Themen wie Klimafinanzierung oder Fragile Staaten voranzubringen. Mit einer solchen Struktur weist die Globale Entwicklungspartnerschaft ähnliche Charakteristika auf wie andere, als Clubs bezeichnete Akteure in der Global Governance, von denen die G-20 aktuell der prominenteste Vertreter ist. Clubs sind informelle oder schwach institutionalisierte Kooperationsmechanismen mit beschränktem Teilnehmerkreis. Ihnen wird nachgesagt, dass sie effizienter und effektiver globale Probleme lösen können, weil sie die erforderlichen Akteure ohne großen Aufwand an einen Tisch bringen. Allerdings hängen Clubs stark von dem Willen zur Mitarbeit ihrer Mitglieder ab. Gerade hier liegt die große Gefahr für die Globale Entwicklungspartnerschaft: Die Unterstützung der aufstrebenden Mächte - vor allem Chinas und Indiens - besteht bislang vor allem aus Lippenbekenntnissen. Sollte sich dies in den kommenden Monaten nicht ändern, verlieren womöglich auch Industriestaaten bald das Interesse. Damit wäre die Chance vertan, eine weltumspannende Entwicklungspartnerschaft ins Leben zu rufen, in der alte und neue Mächte zusammenarbeiten und sich ein gemeinsames Regelwerk geben.

Nicht noch eine Organisation…
Ein Hautproblem der Entwicklungszusammenarbeit liegt in der großen Anzahl und Vielfalt von staatlichen und nicht-staatlichen Akteuren, die oft unabhängig oder gar in Unkenntnis voneinander handeln und damit nicht nur die Partnerländer vor große Koordinierungsherausforderungen stellen, sondern im Extremfall widersprüchlich agieren. Die globale Partnerschaft hat sich zum Ziel gesetzt, diese Fragmentierung der entwicklungspolitischen Landschaft zu verbessern. Daher darf sie keinesfalls den Fehler begehen, eine eigene, neue internationale Organisation zu gründen. Stattdessen muss die Partnerschaft überlegt in das bestehende System eingegliedert werden.

Eine globale Partnerschaft gehört in die Vereinten Nationen
In Zeiten einer großen globalen Krise haben Staaten die UN geschaffen, um globale Probleme durch internationale Zusammenarbeit gemeinsam anzugehen. Zwar lasten auf der Weltorganisation über die Jahre angesammelte Ineffizienzen; ihre zwischenstaatlichen Verhandlungen sind geprägt von einem schematischen Nord-Süd Gegensatz, der sich durch den Aufstieg neuer Mächte längst weiter ausdifferenziert hat und nicht mehr der alten Logik folgt. Weil aber alle Staaten der Welt Mitglieder der UN mit formal gleichen Rechten sind, besitzt sie eine einzigartige Legitimität, um universelle Regeln und Normen festzulegen. Wie das Beispiel der MDGs zeigt, können so Veränderungen von Dauer und globaler Reichweite herbeigeführt werden. Wenn die Busan-Prinzipien in ähnlicher Weise Einfluss auf die Ausgestaltung der globalen Entwicklungspolitik nehmen würden, wäre ein großer Fortschritt in der weltweiten Armutsbekämpfung und Entwicklung möglich. Dafür ist es mittelfristig nötig, die Globale Partnerschaft in die Vereinten Nationen zu überführen. Mit dem Entwicklungsforum der Vereinten Nationen (DCF) besteht bereits ein geeignetes, aber bislang nicht ausreichend genutztes Gremium.

Bisher gehören rund 150 von 193 UN-Mitgliedstaaten der Globalen Partnerschaft an. Es gilt nun, die Zögerer zu überzeugen, dass eine globale Entwicklungspartnerschaft in die UN gehört, ungeachtet ihres „Geburtsfehlers“– dem als illegitim betrachteten OECD-Ursprung. Und die OECD Länder müssen sich wieder mehr der Stärken der UN besinnen. Mit einer einheitlichen Stimme der Staatenmehrheit, die das Busan-Dokument unterschrieben hat, sollte die Überführung in den DCF zu bewerkstelligen sein. Die Industrieländer würden damit zeigen, dass sie es mit der Wende weg von der Entwicklungshilfe (development aid) hin zur Entwicklungspartnerschaft (development partnership) ernst meinen, und dass sie bereit sind, ihre Politik in einem Gremium mit für sie ungünstigen Mehrheitsverhältnissen auf den Prüfstand zu stellen. Gleichzeitig müssen die aufstrebenden Mächte ihre Mitverantwortung für die globale Armutsbekämpfung gestaltend angehen. Für die ärmeren Entwicklungsländer besteht die Chance, von allen Gebern eine bessere Qualität der Zusammenarbeit einzufordern. Für alle Staaten gemeinsam gilt schließlich, dass sie in Zeiten neuerlicher globaler Krisen als vereinte Nationen die globalen Herausforderungen angehen sollten. Das sollten auch die Verhandlungsführer in Paris beherzigen.

Über die Autorin

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