Das EU-China-Investitionsabkommen: Es ist einen Versuch wert

Das EU-China-Investitionsabkommen: Es ist einen Versuch wert

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Berger, Axel
Die aktuelle Kolumne (2014)

Bonn: German Development Institute / Deutsches Institut für Entwicklungspolitik (DIE) (Die aktuelle Kolumne, 10.06.2014)

Bonn, 10. Juni 2014. Während die öffentliche Debatte in Europa vor allem um die Transatlantische Handels- und Investitionspartnerschaft (TTIP) kreist, verhandelt die Europäische Union (EU) zahlreiche weitere Verträge. Zu den wichtigsten zählt das geplante EU-weite internationale Investitionsabkommen (IIA) mit China. Dieses Abkommen soll den Flickenteppich aus 26 verschiedenen bilateralen Investitionsabkommen ersetzen, die einzelne EU-Mitgliedstaaten in den vergangenen drei Jahrzehnten mit China ausgehandelt haben. Beide Vertragsparteien setzen große Hoffnungen auf das Abkommen und seine Auswirkungen auf ausländische Investitionsströme, besonders weil es nicht nur bestehenden Investitionen Rechtsschutz bietet, sondern ausländischen Investoren neue Märkte erschließt.

Die Hoffnungen, das europäisch-chinesische IIA würde die Investitionsströme ansteigen lassen, könnten jedoch enttäuscht werden, vor allem, weil die Schwierigkeiten chinesischer Investoren in Europa wenig mit fehlendem Investitionsschutz oder (rechtlich) unfairer Behandlung zu tun haben. Europäische Investoren können sicher von einem erweiterten Marktzugang in China profitieren. Doch die eventuelle Öffnung chinesischer Märkte für ausländische Unternehmen wäre zuallererst das Ergebnis bereits begonnener Reformen in China. Die zu erwartenden gesamtwirtschaftlichen Effekte eines europäisch-chinesischen IIA bleiben überschaubar.

Wie TTIP, so steht auch das EU-China-Investitionsabkommen wegen der Einbeziehung eines umstrittenen Investor-Staat-Schiedsverfahrens (ISDS) in der Kritik. ISDS-Klauseln ermöglichen es ausländischen Investoren, ihre Gastländer vor internationalen Tribunalen zu verklagen, ohne deren Gerichte anrufen zu müssen. Zu dem Vorwurf, die Klauseln würden materiellrechtliche Bestimmungen wie das Gebot der „gerechten und billigen Behandlung“ (fair and equitable treatment) missachten, gesellt sich seit einiger Zeit die Kritik, sie wirkten sich negativ auf die Fähigkeit von Gastländern aus, im öffentlichen Interesse zu regulieren. Nun mag die Verankerung von Bestimmungen zur Beilegung von Investitionsstreitigkeiten in TTIP, einem zwischen zwei Industrieländern mit hoch entwickelten, unparteiischen Rechtssystemen ausgehandelten Abkommen, tatsächlich unnötig oder gar schädlich sein. Beim EU-China-Investitionsabkommen ist die Lage indes eine andere. Warum?

Erstens weil der Status quo unbefriedigend ist. Anders als TTIP würde das europäisch-chinesische IIA keine neuen Investitionsregeln einführen. China hat mit allen EU-Mitgliedstaaten (bis auf Irland) IIA ausgehandelt. Die meisten dieser Abkommen enthalten uneingeschränkte ISDS-Bestimmungen und weitreichende materiellrechtliche Vorschriften mit der Folge, dass chinesische Investoren bereits internationale Schiedsgerichte bemühen, um ihre Ansprüche gegenüber europäischen Regierungen durchzusetzen. Ein Beispiel ist der chinesische Versicherer Ping An, der im Gefolge der globalen Finanzkrise die belgische Regierung 2012 auf Schadensersatz verklagt hat.

Das europäisch-chinesische IIA wäre also eine perfekte Gelegenheit, die vorhandenen Investitionsregeln neu zu kalibrieren, um einen angemessenen Ausgleich zu schaffen zwischen den Rechten ausländischer Investoren und der Möglichkeit der Gastländer, Auslandsinvestitionen im Interesse der Öffentlichkeit zu regulieren. In seinen jüngsten, mit amerikanischen und asiatischen Ländern ausgehandelten IIA hat China bereits einen Schritt in diese Richtung getan, ebenso wie die EU mit ihrem unterschriftsreifen Handelsabkommen mit Kanada.

Zweitens weil das EU-China-Investitionsabkommen einen Beitrag zu einem kohärenteren globalen Investitionsregime leistet. Ein EU-weites IIA mit China verbessert den Status quo, wenn es die bestehenden Investitionsabkommen ersetzt. Wenn nicht, würde es nur noch weitere Investitionsregeln hinzufügen und das System weiter verkomplizieren, ohne viel zu verändern (ausländische Investoren könnten weiterhin auf der Grundlage der alten, vorteilhafteren Verträge prozessieren). Insofern bieten die EU und China eine Alternative zum „Kündigungsansatz“, den Länder wie Südafrika oder Indonesien verfolgen, die ihre IIA kündigen, statt die Bedingungen neu zu verhandeln. Wenn mehr Länder den „Austauschansatz“ der EU wählten, könnte der Trend zur Gestaltung regionaler Investitionsregeln (oft im Rahmen umfassender Freihandelsabkommen) tatsächlich zu einer kohärenteren globalen Investitionspolitik führen.

Drittens weil die Bedeutung der Verhandlungen zwischen der EU und China über die bilaterale Partnerschaft als solche hinausreicht. China verhandelt seit einigen Jahren auch mit den USA über ein Investitionsabkommen, das eine ähnliche Form wie das europäisch-chinesische Abkommen haben soll. Zudem wird auch die TTIP zwischen den USA und Europa ein umfassendes Investitionskapitel enthalten. Die in diesem Dreiecksverhältnis erarbeiteten Regeln werden höchstwahrscheinlich besser austariert sein als die  Abkommen der vergangenen 50 Jahre. Daher können sie als Vorlage für IIA dienen, die von anderen Ländern ausgehandelt werden. Um diesen Prozess möglichst integrativ zu gestalten, sollten die Investitionsverhandlungen zwischen der EU, den USA und China von einem globalen Investitionsdialog flankiert werden.

So kann ein europäisch-chinesisches IIA ein Meilenstein auf dem Weg zu einem globalen investitionspolitischen Konsens sein, der Entwicklung besser fördert, als dies heute der Fall ist.

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