Der Energie-Endverbraucher: Schutzheiliger der globalen Energiewende

Der Energie-Endverbraucher: Schutzheiliger der globalen Energiewende

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Figueroa, Aurelia
Die aktuelle Kolumne (2014)

Bonn: German Development Institute / Deutsches Institut für Entwicklungspolitik (DIE) (Die aktuelle Kolumne vom 27.01.2014)

Bonn, 27.01.2014. In diesen Tagen beginnen die guten Vorsätze für das neue Jahr zu verblassen, alte Gewohnheiten machen sich breit. Mit dem Fahrrad zur Arbeit fahren, eine effiziente Beleuchtung installieren oder weniger Schokolade essen – die aktuelle Bequemlichkeit siegt häufig über langfristiges Wohlergehen. In den Wirtschaftswissenschaften ist dieses Marktversagen als ‚dynamische Inkonsistenz‘ bekannt: Obwohl wir wissen, was für uns auf lange Sicht das Beste ist, hindert uns die sichere Bequemlichkeit des Status quo vor Veränderungen.

Dies hat große Auswirkungen auf die Energieeffizienz. Hier fehlt es schmerzlich an Umsetzung, mitunter als Folge nicht-technischer Hindernisse. Zu häufig liegt der Fokus bei der Energiewende auf der Angebotsseite. Wir müssen mehr tun, damit die Nachfrageseite, der Energie-Endverbraucher, bereit ist, neue Technologien und Innovationen zu nutzen und sich anders zu verhalten.

Früchte ernten und Politik gestalten

Energieeffizienz ist keine niedrig hängende Frucht. Eigentlich ist sie reif, geerntet zu werden, jedoch nicht immer leicht zu erreichen. Marktversagen, Verhaltensanomalien und andere Hindernisse stehen der Durchsetzung von Energieeffizienz entgegen.

Als Pfeiler der EU-Ziele 20-20-20 ist Energieeffizienz in nationalen Vorzeigeprogrammen zu finden, etwa bei den deutschen KfW-Energieeffizienzstandards und dem Green Deal des Vereinigten Königreichs. In Deutschland betont die Koalitionsvereinbarung von 2013 die Rolle von Energieeffizienz und einzelner Akteure bei der Umsetzung der Energiewende. Doch die Pläne führen nicht aus, wie Verhaltensänderungen erreicht werden sollen. Verhaltensansätze bei der Politikgestaltung zu berücksichtigen, ist generell immer noch vergleichsweise neu.

Die Verhaltensökonomie wurde 2002 durch die Vergabe des Wirtschaftsnobelpreises an Daniel Kahneman bekannt. Seitdem haben Regierungen einige ihrer Ansätze schrittweise bei der Politikgestaltung berücksichtigt. Die Einrichtung einer Nudge Unit durch David Cameron 2009 wurde als Einzug der Verhaltensökonomie in die erste Reihe der Politik gefeiert. David Halpern, Direktor der Nudge Unit, nennt als Motivation: „Menschen mögen Abkürzungen.“ Verhaltensökonomische Erkenntnisse können zu vielen Politikformen führen, etwa Vorgaben oder kleinen Anstößen, die die „intelligentere Wahl“ schneller in Reichweite bringen.

Übersetzen und neue Nachweise schaffen

Während politische Entscheidungsträger in entwickelten Volkswirtschaften auf eine größere Anzahl an Studien über ihre Länder zurückgreifen können, gibt es in Entwicklungsökonomien nur wenige. Unterschiedliche Rahmenbedingungen für die Durchsetzung von Energieeffizienz, z.B. begrenzte Ressourcen der Haushalte oder von Unternehmen, um effizientere, aber möglicherweise teurere, Technologien zu kaufen, machen die Durchsetzung von Energieeffizienz in Entwicklungsländern noch immer zu einer größeren Herausforderung.

Obwohl Energieeffizienz nicht immer hohe Investitionen erfordert, wird sie in der Regel aus finanziellen Gründen und wegen des Umweltstatus mit Besitzenden in Verbindung gebracht. Die mit Energieeffizienz verknüpften wirtschaftlichen Aussichten machen ihre Anwendung in einem Kontext von Niedrigeinkommen – am Schnittpunkt von nachhaltiger und inklusiver Politikgestaltung – jedoch zu einem sehr wichtigen Anliegen. Aus Sicht der Entwicklungsländer müssen auf Basis der vorliegenden Informationen nun Politiken ausgerichtet werden, die zum Beispiel zu den Zielen der UN-Initiative „Nachhaltige Energie für alle“ beitragen. Zu den durch die Verhaltensökonomie angeleiteten Programmen könnten über einen größeren Zeitraum verteilte Investitionskosten gehören, der Vertrieb energieeffizienter Technologien durch geeignete Anbieter, Produktgarantien oder die Förderung gesellschaftlicher Rahmenbedingungen, die Energieeffizienz zur Norm machen.

Besser, intelligenter, schneller

Insbesondere nicht-technische Hindernisse müssen angegangen werden, um die Energieeffizienz zu verbessern. Politische Entscheidungsträger müssen Evidenz einfließen lassen, um den heutigen Wert von Energieeffizienz für den Endverbraucher zu vergrößern und zu verhindern, dass die Umsetzung immer mehr verschoben wird. Ebenso wichtige Rollen müssen die Zivilgesellschaft, Energiedienstleistungsunternehmen und -anbieter übernehmen, indem sie günstige Rahmenbedingungen schaffen, den Wert von Energieeffizienz kommunizieren und die Umsetzung unterstützen.

Erkenntnisse der Verhaltensökonomie können dabei helfen, „psychologische Fußabdrücke“ zu überwinden und die Umsetzung zu erleichtern. Allheilmittel sind sie nicht. Konsumentenentscheidungen müssen bei der Ausgestaltung von Politiken und Programmen berücksichtigt werden. Dazu können zum Beispiel nachweispflichtige Energie-Labels gehören, die Energieeffizienz in die Konsumentensprache „übersetzen“ oder das Angebot eines oder mehrerer freier „Tage der häuslichen Energieeffizienz“ im Jahr, die die Umsetzung umfangreicherer Verbesserungen erleichtern. Die politischen Entscheidungsträger sollten sich auf Fakten berufen, um Rahmenbedingungen zu entwickeln, die bei sub-optimalen Entscheidungsverfahren den Energie-Endverbraucher, den Schutzheiligen der Energiewende, in seinem Bestreben nach größerer Effizienz unterstützen.

Weitere Expert*innen zu diesem Thema

Banerjee, Aparajita

Environmental and Resource Sociology, Public Policy 

Never, Babette

Politikwissenschaftlerin 

Pegels, Anna

Ökonomin