Der Nukleardeal mit Iran: Brandbeschleuniger oder Friedenskatalysator im Nahen Osten?

Der Nukleardeal mit Iran: Brandbeschleuniger oder Friedenskatalysator im Nahen Osten?

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Trautner, Bernhard
Die aktuelle Kolumne (2015)

Bonn: German Development Institute / Deutsches Institut für Entwicklungspolitik (DIE) (Die aktuelle Kolumne, 29.06.2015)

Bonn, 29.06.2015. Das für Ende Juni 2015 anvisierte Atomabkommen ist die Voraussetzung, um die gegen den Iran gerichteten Sanktionen aufzuheben. Der Abschluss eines Abkommens mit Iran bietet langfristig mehr Chancen als Risiken. Scheitern dagegen die Verhandlungen oder die Umsetzung eines Abkommens, steigen die Risiken für die ohnehin fragile Region des arabischen Ostens von Libanon und Israel über Syrien, Irak bis zum Jemen.

Das Abkommen wirkt sich zumindest auf zwei Ebenen aus: Erstens, auf der Ebene der Regionalpolitik im Nahen und Mittleren Osten (einschließlich Israels), weil Iran in den meisten der virulenten Konflikte eigene Interessen verfolgt. Eine dieser Interessen ist die Konkurrenz mit Saudi-Arabien um die regionale Vormacht. Zweitens wirkt ein Abkommen im Iran selbst nach. Dort haben die Sanktionsregime höchst intransparente und letztlich korrupte Strukturen in Politik und Wirtschaft gefördert, denen bei einem Abkommen die ökonomische Basis entzogen würde.


Risiken des Scheiterns

In Iran nähme der wirtschaftliche Druck auf die Zivilbevölkerung wegen der Sanktionen weiter zu. Bei gleichbleibend niedrigen Ölpreisen würden die staatlichen Subventionen für Benzin und Nahrungsmittel gekürzt, soziale und politische Spannungen nähmen zu. Wie praktisch, dass der ‚Schuldige‘ für die wirtschaftliche Misere bereits fest steht: „der Westen“, der weiterhin allein Saudi-Arabien als Hauptpartner in der Region betrachtet. Ein Regime, das sich explizit nicht demokratisch, sondern aus der wahhabitischen Interpretation des Islam legitimiert. Seine puritanische Schari’a-Interpretation diente schon vielen Islamisten und heute insbesondere dem ‚Islamischen Staat‘ als religiös-politische Grundlage.

Scheitert das Abkommen würde Teheran weiterhin, wenn nicht gar verstärkt, über seine Stellvertreter Hisbollah, Hamas oder das Assad-Regime Einfluss auf die regionalen Konflikte nehmen. Diese Einflussnahme zielt darauf ab, sich zumindest als effektive Schutzmacht bedrängter politischer Minderheiten zu etablieren. Dieser Status dient offensichtlich als Ersatz für die von der internationalen Gemeinschaft verweigerte politische Legitimität. Die Folge davon ist, dass auch weiterhin internationale Friedensverhandlung in Genf zu Syrien oder Jemen stattfinden, ohne eine Beteiligung Teherans. Nach Jahren der Leugnung hat immerhin die Hohe EU-Außenvertreterin Mogherini bereits vor Wochen zugegeben, dass zwischen den iranischen Atomgesprächen und dem Syrien-Konflikt ‚natürlich‘ eine Verbindung bestehe.


Die Chancen für ein  Abkommen und dessen überwachte Umsetzung

In der Vergangenheit entzog Teheran wichtige Teile seiner atomaren Forschungsaktivitäten der Überwachung durch die Internationale Atomenergiebehörde, IAEA. Das war der Hauptgrund für EU und Vereinte Nationen, die Sanktionen zu verhängen. Sanktionen, die nicht nur den Verkauf von Nukleartechnologie untersagt, sondern auch den Verkauf von Rohöl oder den Ankauf von Ersatzteilen für die Luftfahrt.

Eine Einbindung Teherans – wie auch seines Gegenspielers Riad – in ihre jeweilige regionalpolitische Verantwortung reicht über die Frage der Nicht-Verbreitung von Atomwaffen hinaus. Weder im Jemen, noch in Syrien oder im Irak kann die Zentralregierung die rudimentären Bedürfnisse der Menschen nach Sicherheit, Basisversorgung und politischer Mitsprache gewährleisten. Teheran und Riad müssen gar nicht um Unterstützung dort werben. Im Gegenteil, auch losgelöst von der ‚sunnitischen‘ oder ‚schiitischen‘ Identität avancieren die regionalen Vormächte zu Schutzmächten bedrängter Bevölkerungsgruppen und Regierungen.

In dieser Situation trägt ein Nuklearabkommen mit Teheran dazu bei, die Machtverhältnisse in der Region zu normalisieren bzw. Regeln zu unterwerfen: Schließlich konkurriert Iran nicht erst seit gestern mit Osmanen, Türken und arabischen (Nachfolge-)Staaten um die geostrategische Vormachtstellung. Es geht heute darum, diesen regionalen Machtkampf ‚einzuhegen‘. Dazu gehört, dass Teheran seinen derzeitigen Paria-Status überwindet. Dann kann Iran in die Bearbeitung der regionalen Konflikte einbezogen werden. Dabei betrachtet die arabische Seite jeden Zuwachs an politischer Statur Irans als Verlust eigenen Einflusses. Das gilt nicht nur für den Einfluss in der Region, sondern auch gegenüber dem Westen.


Deutschlands Rolle als Zivilmacht - vertrauenswürdiger Makler in der Region

Bei einer Vertrauensbildung zwischen den Akteuren in der Region kann Deutschland eine wichtige Rolle spielen. Berlin war schon bei den Nuklearverhandlungen mit Iran exponiert. Die von Deutschland in anderem Zusammenhang vorgeschlagene ‚Konferenz für Sicherheit und Zusammenarbeit im Nahen und Mittleren Osten‘ ist nun mit Blick auf die Konflikte in Syrien, Irak und Jemen wenig zielführend ohne Teilnahme Irans: Eines Irans, der das Nuklearabkommen ebenso vertragstreu umsetzt, wie hoffentlich auch die Gegenseite. Eines Irans, der seine regionalpolitischen Ambitionen nicht mehr als Vetomacht und Konkurrent Riads ausübt; stattdessen, von Sanktionen befreit, im eigenen geostrategischen Interesse und von den Erwartungen der eigenen Bevölkerung zum wirtschaftlichen Erfolg getrieben, mäßigend auf die Region einwirkt.

 

Dieser Beitrag wurde am 30.06. auch auf ZEIT online veröffentlicht.

Über den Autor

Trautner, Bernhard

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