Die entwicklungspolitischen Konsultationen der Europäischen Union: auf Worte müssen Taten folgen!

Die entwicklungspolitischen Konsultationen der Europäischen Union: auf Worte müssen Taten folgen!

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Koch, Svea / Davina Makhan / Mark Furness
Die aktuelle Kolumne (2011)

Bonn: German Development Institute / Deutsches Institut für Entwicklungspolitik (DIE) (Die aktuelle Kolumne vom 14.02.2011)

Bonn, 14.02.2011. Es ist einfach, die Europäische Union (EU) zu kritisieren. Ihre Kritiker bemängeln, sie sei zu bürokratisch, zu intransparent, zu teuer, bürgerfern und im Kern nicht wirklich demokratisch. Bei der Gestaltung ihrer Entwicklungspolitik hingegen ist die Union aufgeschlossener für Anregungen und den prüfenden Blick der Öffentlichkeit als die Entwicklungspolitik vieler EU-Mitgliedsstaaten. Im Januar 2011 endeten drei wichtige öffentliche Konsultationen – alle auf Initiative der Europäischen Kommission hin – zur Finanzierung des Auswärtigen Handels der EU nach 2013 sowie zu Grünbüchern über die Zukunft der EU-Entwicklungspolitik und der EU-Budgethilfe.

Die Konsultationen richteten sich an die verschiedensten Akteure: Ministerien von Mitgliedstaaten, Think Tanks (Finden Sie hier den Beitrag des Deutschen Instituts für Entwicklungspolitik zur Zukunft der EU Entwicklungspolitik), Universitäten, Entwicklungsagenturen, Nicht-Regierungsorganisationen und an die breite Öffentlichkeit, auch in Entwicklungsländern. Alle waren aufgefordert, Vorschläge und Praxisbeispiele zu präsentieren, um die Schwerpunktsetzung, Wirkung und Qualität der EU-Entwicklungspolitik insgesamt zu verbessern. Einfließen sollen die Ergebnisse der Konsultationen in die bevorstehenden Verhandlungen über den EU-Haushalt 2014 - 2020 (im Euro-Jargon auch als „mehrjähriger EU-Finanzrahmen“ bezeichnet) sowie in einen für diesen Sommer erwarteten Vorschlag der Kommission, wie sich die EU-Entwicklungspolitik moderner gestalten lässt.

Ohne Frage kann die Ausrichtung und Umsetzung der Entwicklungspolitik der Kommission verbessert werden. Aber die Europäische Union insgesamt kann als Entwicklungsakteur nicht effektiver werden, wenn ihre Mitgliedsstaaten nicht einen kritischen Blick auf die eigenen Politikziele und Umsetzungsstrategien werfen. Mitgliedsstaaten müssen sich fragen, wie sich ihre eigene entwicklungspolitische Agenda mit den Zielen und Strategien einer gemeinsamen europäischen Entwicklungsagenda vereinen lässt. Obwohl sich die Kommission und die Mitgliedsstaaten die Zuständigkeit in diesem Politikbereich teilen, gilt Entwicklungspolitik immer noch größtenteils als nationale Aufgabe. Die Tendenz, mit Entwicklungspolitik eigene Prioritäten und Interessen zu verfolgen, hat sich durch die Finanzkrise spürbar verstärkt. Was fehlt ist ein kohärenter Ansatz der Mitgliedsstaaten und der Kommission, der auf einem Konsens über Ziele und Prioritäten beruht, der Zielkonflikte offen anspricht und der eine überzeugende Strategie zur Implementierung der Geberharmonisierung beinhaltet. Doch inwieweit tragen die Konsultationen dieser Herausforderung Rechnung?

Die Konsultation zur Finanzierung des Auswärtigen Handels der EU nach 2013 rief Akteure dazu auf, Stellung zu den Schwerpunkten zu beziehen, die die EU auf internationalem Parkett verfolgen sollte. Der „Lissabon Vertrag“ sieht vor, dass das Handeln der Union mit Entwicklungszielen vereinbar sein muss. Potentielle Konflikte zwischen außen-, sicherheits- und entwicklungspolitischen Interessen sollten daher identifiziert und reduziert werden. Die Konsultation unterstreicht, dass eine gemeinsame Planung und Kofinanzierung die Wirkung der EU-Außenfinanzierung erhöhen würde. Eine der vorgeschlagenen Optionen: Im Vertrag von Lissabon verankerte Bestimmungen zur Koordination der Mitgliedsstaaten könnten durch eine EU-Gesetzgebung verbindlich gemacht werden. Die schleppende Umsetzung des 2007 verabschiedeten EU-Verhaltenskodex für Komplementarität und Arbeitsteilung in der Entwicklungspolitik zeigt, dass eine rechtsverbindliche Verpflichtung notwendig ist. Deutschland könnte in diesem Prozess eine treibende Kraft sein und damit an seine Führungsrolle bei der Erstellung des Verhaltenskodexes anknüpfen. Jedoch ist Deutschland momentan eher damit beschäftigt, die Sichtbarkeit der eigenen Entwicklungspolitik zu erhöhen als einen europäischen Ansatz zu unterstützen.

Das Grünbuch zur Zukunft der EU-Entwicklungspolitik konzentriert sich auf die Frage, wie Europa inklusives Wachstum und eine nachhaltige Entwicklung fördern kann. Hierbei standen Themen wie Landwirtschaft, Ernährungssicherheit und die Einbindung des Privatsektors besonders im Mittelpunkt. Zwar unternimmt die Konsultation einige zaghafte Versuche, die Bedeutung von Kohärenz und besserer Abstimmung für eine wirksamere EU-Entwicklungspolitik aufzugreifen. Aber sie schreckt vor der dringend notwendigen Entscheidung über die Prioritäten, entsprechenden Stärken, Schwächen und komparativen Vorteile der einzelnen Akteure der europäischen Entwicklungspolitik zurück. Vorschläge für eine Modernisierung europäischer Entwicklungspolitik sind zudem wenig sinnvoll, wenn bereits bestehende Vereinbarungen zur Geberharmonisierung und Arbeitsteilung innerhalb der EU unzureichend implementiert werden.

Die mutigste der drei Konsultationen war die zur EU-Budgethilfe – dem umstrittensten entwicklungspolitischen Instrument. Die Kommission geriet unter Beschuss wegen ihrer umfassenden Unterstützung des Instruments, intransparenter Mittelzuweisung und lockerer Kontrollmechanismen. Die Konsultation ist ein konstruktiver Versuch der Kommission, auf Mitgliedsstaaten zuzugehen, und dieser Kritik Rechnung zu tragen. Ziel dieses Prozesses ist es, ein gemeinsames Verständnis der Chancen und Risiken des Instruments zu erarbeiten. Es ist in der Tat unabdingbar, dass Kommission und Mitgliedsstaaten mit einer Stimme sprechen. Die Wirksamkeit des Instruments wird durch unterschiedliche Ansichten über den Umgang mit Konditionalitäten, einem uneinheitlichen Verständnis der Kriterien, nach denen Budgethilfe gewährt oder gekürzt wird, und widersprüchlichen Auslegungen von Grundprinzipien erheblich eingeschränkt. Die Mitgliedsstaaten sind somit aufgefordert, nicht nur den Ansatz der Kommission zu kritisieren, sondern sich auch untereinander in einen konstruktiven Dialog und Konsensbildungsprozess zu begeben. Die Kommission und alle Mitgliedsstaaten sollten den Titel des Grünbuchs „Die Zukunft der EU-Budgethilfe“ ernst nehmen und auf harmonisierte Richtlinien zur Steuerung der Budgethilfe auf EU-Ebene hinarbeiten.

Der nächste Schritt ist nun, die Konsultationen dazu zu nutzen, eine besser abgestimmte und wirksamere EU-Entwicklungspolitik zu formulieren. Es ist jedoch offen, ob die Konsultationen nur zu einer modernisierten Strategie für die Kommission führen, ob sie auch die Entwicklungspolitik der Mitgliedsstaaten leiten werden oder ob es sogar zu einer Wiedereröffnung der Diskussion um den 2005 verabschiedeten Europäischen Konsens über die Entwicklungspolitik kommen wird. Es ist Zeit gemeinsam zu handeln. Die globale entwicklungspolitische Landschaft verändert sich schnell. Herausforderungen wie Klimawandel, Ernährungssicherheit, Migration, finanzielle Instabilität, Unsicherheit und auch der Schlussspurt zur Verwirklichung der Millenniums-Entwicklungsziele bis 2015 verlangen, dass die EU ihre Handlungsfähigkeit erhöht. Die EU war in den vergangenen Jahren hauptsächlich mit sich selbst und mit der Reform ihrer institutionellen Strukturen beschäftigt. Jetzt hat sie einen neuen Auswärtigen Dienst und eine neue Generaldirektion für Entwicklungszusammenarbeit. Diese neuen Institutionen sollen das Profil der EU als globaler Akteur schärfen. Dies wird jedoch nicht geschehen, solange die Europäer endlos über die Form ihrer Zusammenarbeit debattieren, statt ihre bereits gemachten Versprechen und die Ergebnisse der Konsultationen in die Tat umzusetzen. Die Welt wird nicht warten, bis die Europäische Union ihre internen Differenzen überwunden hat.

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