Entwicklungshilfe war gestern, was kommt als nächstes?

Entwicklungshilfe war gestern, was kommt als nächstes?

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Janus, Heiner / Stephan Klingebiel / Sebastian Paulo
Die aktuelle Kolumne (2015)

Bonn: German Development Institute / Deutsches Institut für Entwicklungspolitik (DIE) (Die aktuelle Kolumne, 16.02.2015)

Bonn, 16.02.2015. Am 2. Februar 2015 hat das Unterhaus des britischen Parlaments einen Bericht über die Bedeutung von „Beyond Aid“ für die Entwicklungspolitik des Vereinigten Königreichs veröffentlicht. Ist der Bericht zukunftsweisend oder handelt es sich um einen Papiertiger? Zum einen verdient der Bericht Lob, weil er eine wichtige Diskussion befördert, die für alle Länder relevant ist. Zum anderen greifen die Empfehlungen zu kurz, insbesondere vor dem Hintergrund der Post-2015-Debatte. Der Bericht bewahrt eine traditionelle „Geber-Perspektive“, die sich auf Armut beschränkt. Allerdings ist mittel- bis langfristig eine grundlegende Reform der Entwicklungspolitik notwendig.

Vorweg, Glückwunsch an die entwicklungspolitische Community im Vereinigten Königreich! Der parlamentarische Ausschuss für internationale Entwicklung hat mit der Veröffentlichung des Berichts einen intensiven Konsultationsprozess erfolgreich abgeschlossen. Zahlreiche internationale Experten haben sich beteiligt. Der umfangreiche Prozess unterstreicht die britische Ambition ein Meinungsführer in Entwicklungsfragen zu sein. Der Bericht schließt damit an andere Erfolge an, wie zum Beispiel das Erreichen des 0,7%-Ziels.

Die Kernaussage des Berichts ist, dass Entwicklung mehr erfordert als Entwicklungshilfe. In einem veränderten globalen Kontext wird sich Entwicklungspolitik zunehmend mit fragilen Staaten, Ungleichheit in Schwellenländern und grenzübergreifenden Herausforderungen wie dem Klimawandel befassen. Als Reaktion fordert der Bericht eine Konzentration von Entwicklungshilfe auf die ärmsten Länder. Zusätzlich ist eine Beyond-Aid-Strategie notwendig, die strukturelle Ursachen von Entwicklungsproblemen angeht.

Der Bericht skizziert zwei Bestandteile einer solchen Strategie. Zunächst sollte das Vereinigte Königreich seine Beziehungen zu Ländern mittleren Einkommens reformieren. Der Schwerpunkt der Zusammenarbeit sollte sich von finanzieller Hilfe hin zum Austausch von Wissen verändern. Dazu sollte das Konzept der entwicklungsfreundlichen Kohärenz zum Kern einer Beyond-Aid-Strategie werden. Die Politik reicher Länder – zum Beispiel zu Steuerrecht, geistigem Eigentum oder Agrarsubventionen – hat eine weitaus größere Wirkung auf globale Entwicklungsprobleme als Entwicklungshilfe.

Die Empfehlungen betreffen größtenteils vorhandene Reformideen, wie etwa Politikkohärenz. Hier ist das Vereinigte Königreich schon gut aufgestellt: Als eigenständiges Ministerium hat das Department for International Development (DFID) das Mandat, Entwicklungspolitik über Ressortgrenzen hinweg zu koordinieren. Zudem gibt es verschiedene Formate der ressortübergreifenden Zusammenarbeit, etwa in gemeinsamen Einheiten zu Klimawandel. Außerdem greift der Bericht bereits eingeleitete Veränderungen in den Beziehungen zu Ländern mittleren Einkommens, wie China und Indien, auf.

Bestehende Reformen abzuschließen, ist ein guter Anfang, reicht aber nicht aus. „Beyond Aid“ wirft die grundsätzliche Frage auf, wie globales Handeln über die traditionelle Entwicklungszusammenarbeit hinaus möglich ist. Bisherige Bemühungen haben das nur teilweise geschafft. Fortschritte bei der entwicklungspolitischen Kohärenz verlaufen schleppend und Schwellenländer bleiben gegenüber „westlichen Gebern“ skeptisch. Zum Beispiel haben weder China noch Indien am hochrangigen Treffen der Globalen Partnerschaft für wirksame Entwicklungszusammenarbeit in Mexiko vergangenes Jahr teilgenommen.

Anknüpfend an den Bericht des britischen Parlaments stellen sich zwei Fragen:
Erstens, was bedeutet eine universelle Entwicklungsagenda für eine Beyond-Aid-Strategie? Der Bericht bezieht sich auf den Post-2015-Prozess, aber behält einen starken Fokus auf Armut bei. Der Ausschuss definiert „Beyond Aid“ in alten Denkmustern, insbesondere der Frage, was „reiche“ Länder für „arme“ Länder tun sollten. Universalität bedeutet aber auch, dass Entwicklung unabhängig von Einkommenskategorien relevant ist und eine globale Dimension hat. Eine Beyond-Aid-Strategie sollte diese Perspektiven auf Basis der Post-2015-Verhandlungen einbeziehen.

Zweitens, wie können Akteure der Entwicklungszusammenarbeit „Vermittler für globales Handeln“ werden? Der Bericht stellt fest, dass „eine wirksame Beyond-Aid-Agenda mehr von Einfluss – also von Menschen – abhängt als von Geld“. Der Einfluss der Entwicklungszusammenarbeit hängt auch von ihrer strategischen Ausrichtung ab. Entwicklungsorganisationen, die sich auf Armut in fragilen Ländern spezialisieren können in einigen wenigen Ländern einflussreich sein und in anderen globalen Fragen bestenfalls eine Nebenrolle spielen. Dagegen sind Organisationen als Teil von Netzwerken zu globalen Themen wie Klimawandel besser eingebunden, aber letztlich nur ein Akteur unter vielen. In jedem Fall, müssen Entwicklungsakteure neue Einflussmöglichkeiten finden, die sich nicht allein auf Apelle und Kampagnen reduzieren.

Diese Fragen betreffen nicht nur das Vereinigte Königreich. Der Bericht belebt eine Debatte um die Zukunft der Entwicklungszusammenarbeit, die von internationaler Bedeutung ist.

Über die Autor*innen

Janus, Heiner

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Janus

Klingebiel, Stephan

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Klingebiel

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