Fossile Kapitalanlagen: Flucht der Investoren

Fossile Kapitalanlagen: Flucht der Investoren

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Wolff, Peter
Die aktuelle Kolumne (2014)

Bonn: German Development Institute / Deutsches Institut für Entwicklungspolitik (DIE) (Die aktuelle Kolumne, 10.03.2014)

Bonn, 10.03.2014. Ökonomen und Klimapolitiker sind sich darüber einig, dass ein Preis für CO2-Emissionen das beste Instrument wäre, um die Emissionen zu reduzieren und Investitionen in kohlenstoffarme Energieerzeugung zu lenken. Bis dahin ist es allerdings noch ein weiter Weg. Weil der größte Teil der Investitionen der Vergangenheit in fossiler Energieerzeugung, in Stein- und Braunkohle, Gas und Erdöl, gebunden ist, wehren sich naturgemäß die Eigentümer dieser Anlagen gegen einen Abbau der immensen Subventionen für fossile Energieträger – die nach Angaben der Internationalen Energieagentur (IEA) im Jahr 2012 auf einen Rekordumfang von 544 Milliarden US-Dollar gestiegen sind. Von der Akzeptanz eines Preises für CO2-Emissionen ganz zu schweigen.

Seit 2009 hat die G20 vereinbart, ineffiziente fossile Energiesubventionen abzusenken. Jedes Mitgliedsland der G20 muss seither berichten, wie es seine Subventionen für fossile Energieträger abbaut, aber wenig ist bisher geschehen. Auch bei der bevorstehenden entscheidenden Klimakonferenz 2015 in Paris ist nicht damit zu rechnen, dass die Subventionen abgebaut werden und ein Preis für CO2-Emissionen vereinbart wird. Zu allem Übel ist auch der europäische Markt für CO2-Zertifikate im vergangenen Jahr praktisch zusammengebrochen.

Würden die Subventionen tatsächlich abgebaut und würde ein Preis für CO2–Emissionen vereinbart, dann würde das in fossilen Energieträgern gebundene Kapital allerdings entwertet, so wie es derzeit bei einigen deutschen Energiekonzernen der Fall ist, deren Wert wegen der deutschen Energiewende rapide gesunken ist. Erst letzte Woche hat RWE, der zweitgrößte deutsche Energieversorger, einen Verlust von 2,8 Milliarden Euro für das Jahr 2013 eingeräumt, mit entsprechenden Auswirkungen auf den Aktienkurs.

Das lässt langfristige Investoren aufhorchen. Was passiert mit dem auf Jahrzehnte gebundenen Kapital, wenn es in zehn oder 20 Jahren einen Preis für CO2-Emissionen geben wird, weil sich dann die Erderwärmung krisenhaft zuspitzen wird? Während im politischen Raum weiter darüber diskutiert wird, beginnen große Unternehmen und langfristig denkende Investoren zu handeln.

Viele große Firmen kalkulieren bei der Planung langfristiger Investitionen bereits mit einem Preis für CO2. Für diese Firmen ist es ein Gebot des Risikomanagements, wahrscheinliche Entwicklungen in der Zukunft in ihre Planung einzubeziehen, um Fehlinvestitionen zu vermeiden. Auch große Ölfirmen wie Exxon Mobil kalkulieren mit diesen „Schattenpreisen“ – nach Angaben des Economist mit 60 US-Dollar pro Tonne CO2 ab dem Jahr 2020. Es liegt auf der Hand, dass sich durch solche Preise, die den Schaden, der durch CO2-Emissionen verursacht wird, besser reflektieren als der gegenwärtige Marktpreis, das Investitionsverhalten verändern wird – und auch der Wert des Kapitals, das in fossilen Energieträgern gebunden ist.

Das haben inzwischen auch die großen Investitionsfonds realisiert, die ihr Kapital langfristig anlegen und auf nachhaltig positive Erträge bauen. Auch sie antizipieren den unvermeidlichen langfristigen Wertverfall fossiler Energieträger und schichten ihre Anlage-Portfolios um. Zuerst waren es die „ethischen“ Investoren, wie einige US-Familien- und College-Stiftungen, die aus klimapolitischen Erwägungen die Papiere fossiler Energiefirmen abgestoßen haben. Inzwischen sind es auch milliardenschwere US-Pensionsfonds, die ihre Investitionsstrategie allmählich verändern.

Das sind vorerst nur Nadelstiche für die großen Energiekonzerne, die deren Börsenwert noch kaum verändern, aber der Druck beginnt zu steigen. Der norwegische Staatsfonds, in dem Norwegen seine Öleinnahmen für zukünftige Generationen angelegt hat, überlegt eine Änderung seiner Anlagestrategie weg von Kohle, Öl und Gas. Hier handelt es sich immerhin um 840 Milliarden US-Dollar, von denen ein erheblicher Teil in fossilen Energieträgern gebunden ist. Eine Expertengruppe wird jetzt im Auftrag des norwegischen Parlaments ein Gutachten über die langfristige Wertentwicklung dieser Anlagen erstellen.

Es zeigt sich, dass unterhalb der Ebene globaler klimapolitischer Vereinbarungen, die derzeit kaum zu erreichen sind, einiges passiert, was in die richtige Richtung geht. Private Unternehmen reagieren schneller als die Politik und beginnen sich auf eine „dekarbonisierte“ Zukunft einzustellen, aus purem Rendite- und Risikokalkül. Es ist an der Zeit, dass auch staatliche Entwicklungsbanken, die Investitionen in die Energieerzeugung finanzieren – von der KfW über die Europäische Investitionsbank bis zur Weltbank – einen obligatorischen „Schattenpreis“ für CO2-Emissionen von Energieprojekten vereinbaren, den sie in ihre Projektanalysen einkalkulieren. Sie sollten wenigstens so langfristig planen wie Exxon Mobil.

Über den Autor

Wolff, Peter

Ökonomie

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