Internationale Zusammenarbeit neu denken und anders umsetzen

Internationale Zusammenarbeit neu denken und anders umsetzen

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Scholz, Imme / Inge Kaul, Hertie School of Governance
Die aktuelle Kolumne (2013)

Bonn: German Development Institute / Deutsches Institut für Entwicklungspolitik (DIE) (Die aktuelle Kolumne vom 21.10.2013)

Bonn, 21.10.2013. Am 10.10.2013 stand das Plädoyer für die Gründung eines Ministeriums für globale Entwicklung im Zentrum der Aktuellen Kolumne von Jörg Faust und Dirk Messner. „Außenpolitik und Entwicklungspolitik wachsen stärker zusammen, weil Fragen globaler Entwicklung immer mehr zu zentralen außenpolitischen Herausforderungen werden“, war eines ihrer Argumente. Ein weiteres war, dass „beim Schutz globaler Güter, auf die alle Staaten in einer eng zusammen gewachsenen Weltgemeinschaft angewiesen sind, gemeinsame Interessen und wechselseitige Verantwortlichkeiten im Zentrum stehen, nicht überholte Nord-Süd-Paternalismen“.

Heute beziehen wir uns auf dasselbe Ziel: Wir wollen, dass die internationale Kooperationsfähigkeit gestärkt wird. Dafür müssen Institutionen und Instrumente reformiert werden. Wir teilen die von unseren Kollegen vorgelegte Analyse, richten unser Augenmerk aber auf die neuen Aufgaben, die sich in der innenpolitischen Zusammenarbeit und in der Verknüpfung zwischen innen- und außenorientierten Politikbereichen stellen. Der Klimawandel oder die Ernährungssicherheit erfordern eine neue Qualität in der Zusammenarbeit zwischen Ressorts und Sektoren ebenso wie zwischen staatlichen und privaten Akteuren. Negative Nebenwirkungen in angrenzenden Politikfeldern müssen vermieden werden. Gleichzeitig müssen auch ergänzende Strategien für gemeinsame übergeordnete Ziele entwickelt werden. Die Umsetzung dieser Strategien erfordert die kombinierte Sachkenntnis unterschiedlicher Ressorts und Akteursgruppen und den Einsatz ihrer verschiedenen Instrumente.

Kann eine solche Vermittlerrolle zwischen Innen und Außen von einem Ministerium geleistet werden? Oder sollte eine derartige Funktion vielleicht besser von einem / einer Beauftragten für globale Angelegenheiten und nachhaltige Entwicklung im Kanzleramt übernommen werden, flankiert von einem gestärkten Parlamentarischen Beirat für nachhaltige Entwicklung – wie etwa auch jüngst vom internationalen Peer Review der deutschen Nachhaltigkeitsstrategie vorgeschlagen?

Wir meinen, dass die Ansiedlung von einem / einer Beauftragten für globale Angelegenheiten und nachhaltige Entwicklung im Kanzleramt die bessere Lösung sein könnte, um sowohl Kohärenz zwischen Innen- und Außenpolitik als auch interministerielle Kooperation zu erleichtern.

Denn es geht heute nicht mehr nur um eine klassische Nord-Süd-Agenda, in der reiche Industrieländer armen Ländern dabei helfen, die Armut zu verringern. Es geht vielmehr nun auch darum, zu erkennen und zu akzeptieren, dass wir, die „alten“ Industrienationen, immer häufiger vor globalen grenzüberschreitenden Problemen stehen, die kein Staat allein effektiv und effizient lösen kann. Die zunehmende Zahl der heutigen globalen Herausforderungen bedarf der internationalen Kooperation.

Dafür wird es immer wichtiger, zu ressortübergreifenden Verabredungen in zwei Bereichen zu kommen: Erstens, mit den G20 zu kooperieren und gemeinsame Strategien zu erarbeiten, mit denen die genannten Ziele erreicht werden können. Zweitens, gemeinsame multilaterale Strategien zu entwickeln, beispielsweise im Bereich der Energie- und Klimapolitik, der Ernährungssicherung und der Rohstoffpolitik, um die internationale Kooperation effektiver zu gestalten und ihr einen signifikanten Schub zu geben.

Sollten solche Reformen nicht gelingen, besteht die Gefahr, dass die Handlungsfähigkeit zur Lösung globaler Herausforderungen und zur Sicherung nationalen Wohlergehens geschwächt wird. Gegenwärtig werden globale Kooperationen, z. B. in der Klimapolitik, im Wesentlichen durch die Entwicklungszusammenarbeit finanziert – deren Budget reicht für die neuen Anforderungen jedoch nicht aus. Außerdem ist diese Finanzierung bisher nur für den Nord-Süd-Transfer von Wissen und Mitteln gedacht; wir brauchen jedoch verstärkt wechselseitige Kooperationsprozesse. Sollte es uns nicht gelingen, der globalen Kooperation eine neue Dynamik zu geben, wird dies auch die Foren der internationalen und multilateralen politischen Willensbildung schwächen. Eine intensivere globale Zusammenarbeit ist jedoch erforderlich, um in der neuen multipolaren Welt Vertrauen und ein gemeinsames Verständnis zu entwickeln, das für die Bewältigung der anstehenden Aufgaben notwendig ist.

Internationale Zusammenarbeit ist heute wichtiger denn je – sowohl um unser eigenes Wohlergehen zu fördern als auch im Interesse der globalen Gerechtigkeit und Solidarität.

Auf internationaler Ebene hat man bereits erkannt, dass wir es jetzt mit einer dualen Agenda der internationalen Zusammenarbeit zu tun haben: mit der konventionellen Entwicklungszusammenarbeit und mit der internationalen Zusammenarbeit im Interesse der Lösung globaler Probleme. Somit gibt es auf der Ebene der Vereinten Nationen zwei neuartige Prozesse, die nationale, regionale und globale Anstrengungen für die soziale, ökologische und wirtschaftliche Nachhaltigkeit zusammenführen können: die Erarbeitung einer neuen globalen Entwicklungsagenda nach 2015 (wenn die Millenniumsentwicklungsziele auslaufen) und die Festlegung von universellen Zielen für eine nachhaltige Entwicklung, an denen sich nationale Politik und globale Kooperation orientieren sollen. Ergebnis soll eine integrierte Agenda ab 2016 sein, die universelle Ziele für nachhaltige und gerechte Wachstums- und Entwicklungsstrategien benennt, zu deren Konkretisierung und Umsetzung die Mitgliedstaaten in unterschiedlicher Weise beitragen.

Die Bundesregierung hat sich in einem Kabinettsbeschluss vom 21. August 2013 darauf festgelegt, diese Prozesse zu unterstützen und ressortübergreifend daran zu arbeiten.

Es wäre großartig, wenn Deutschland diese Entscheidung möglichst bald umsetzen und mit der Überarbeitung der deutschen Nachhaltigkeitsstrategie verknüpfen würde.

Ein Schritt in diese Richtung wäre – wie oben vorgeschlagen – die Ernennung von einem / einer starken Beauftragten für globale Angelegenheiten und nachhaltige Entwicklung im Kanzleramt mit dem Mandat, nationale Interessen und globale Herausforderungen und Möglichkeiten besser mit einander zu verbinden – um nationale Politik global-bewusster und verantwortlicher und damit auch effektiver zu gestalten.

Über die Autorin

Scholz, Imme

Soziologin

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