Klimawandel im UN-Sicherheitsrat: Kopf im Sand?

Klimawandel im UN-Sicherheitsrat: Kopf im Sand?

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Weinlich, Silke
Die aktuelle Kolumne (2011)

Bonn: German Development Institute / Deutsches Institut für Entwicklungspolitik (DIE) (Die aktuelle Kolumne vom 25.07.2011)

Bonn, 25.07.2011. Welche Auswirkungen hat der Klimawandel auf die Ernährungssicherheit? Welche sicherheitspolitischen Konsequenzen ergeben sich durch den Anstieg des Meeresspiegels für kleine Inselstaaten und Küstenländer? Auf Initiative der deutschen Präsidentschaft im UN-Sicherheitsrat wurde diesen Fragen in einer ganztägigen Debatte am 20.07.2011 in New York nachgegangen. Allerdings diskutierten die mehr als 65 Staaten, die sich in der offenen Debatte zu Wort meldeten, fast mit größerem Elan, ob der Sicherheitsrat überhaupt das richtige Gremium für eine solche Debatte sei. Nach langen Verhandlungen konnten sich die 15 Ratsmitglieder doch noch auf eine „Erklärung der Präsidentschaft“ einigen. Immerhin erkennen sie darin vorsichtig an, dass der Klimawandel Sicherheitsimplikationen haben kann. Dies steht deutlich hinter dem zurück, was der Präsident des kleinen Inselstaats Nauru in einem eindringlichen Appell an die Staatengemeinschaft gefordert hatte, denn sein Staatsgebiet ist unmittelbar vom Anstieg des Meeresspiegels bedroht. Auch die westlichen Staaten (inklusive der USA) hatten auf eine stärkere Erklärung gehofft. In diesem Ergebnis spiegelt sich der Argwohn vieler Entwicklungsländer gegenüber dem westlich dominierten Sicherheitsrat, ebenso wie ihr Misstrauen, dass der Westen seinen entwicklungs- und klimapolitischen Versprechen keine Taten folgen lässt. Dies konnten sich Schwellenländer wie China mit klaren Eigeninteressen in den Klimaverhandlungen, aber auch Russland zu Nutze machen. Sie verhinderten, dass der für Weltfrieden und Sicherheit zuständige Rat ein alarmierenderes Signal an die laufenden Klimaverhandlungen sandte. Ein solches Signal hätte letztendlich auch dafür dienen können, den Druck auf die „Klima-Bremser“ USA und China zu erhöhen.

Die sicherheitspolitischen Konsequenzen des Klimawandels
Während der Klimawandel zunächst ein Umweltphänomen darstellt, hat er mittel- oder unmittelbare Auswirkungen auf wirtschaftliche und soziale Entwicklung und Menschenrechte und kann nicht zuletzt auch Frieden, Sicherheit und Stabilität im internationalen System bedrohen. Risikoanalysen sagen u. a. voraus, dass bestehende zwischenstaatliche Nutzungskonflikte z. B. an grenzüberschreitenden Flüssen durch den Klimawandel verstärkt werden und bestehende inner- und zwischenstaatliche Spannungen verschärfen können. Auch sind neue Konfliktkonstellationen – etwa in Folge von Sturm- und Flutkatastrophen oder umweltbedingter Migration – nicht auszuschließen, wie im Gutachten des Wissenschaftlichen Beirats der Bundesregierung Globale Umweltveränderungen (WBGU) 2007 bereits plausibel dargelegt.

Sicherheitsrat und Klimawandel - ein schwieriges Verhältnis
Schon als im April 2007 Großbritannien im Sicherheitsrat erstmals eine Debatte zu den sicherheitspolitischen Konsequenzen des Klimawandels initiierte, reagierten die beiden wichtigsten Gruppierungen der Entwicklungsländer mit Bedenken. Nicht nur wurden vereinzelt Vorwürfe laut, die Industrieländer versuchten, so von ihrer historischen Verantwortung für den Großteil der anthropogenen Treibhausgasemissionen abzulenken. Sowohl die Gruppe der 77 plus China (G-77) als auch die Bewegung der Blockfreien Staaten (NAM) teilten in einem Brief ihre Besorgnis darüber mit, dass der Sicherheitsrat in den Kompetenzbereich der Generalversammlung und des Wirtschafts- und Sozialrats vordringe. Dem Sicherheitsrat wurde die fachliche Kompetenz für Klimafragen abgesprochen, zudem könne er durch seine selektive Mitgliedschaft keine weithin akzeptablen Beschlüsse fassen. Nicht zuletzt gibt es auch jene Stimmen, die vor einer so genannten „Versicherheitlichung“ des komplexen Phänomens Klimawandel warnen. Obwohl ein Zusammendenken von Klimawandel und Sicherheitspolitik nicht zwangsläufig zur Anwendung von Freund-Feind-Schemata, Antworten mit kurzfristigem Zeithorizont, militärischer Gewalt, oder anderen klassisch-sicherheitspolitischen Maßnahmen führen muss, wird genau dies befürchtet.

Veränderte Vorzeichen 2011...
Dieses Jahr bestand Grund zur Annahme, dass der starke Gegenwind nun abgeflaut sein würde. Dass sich das Weltklima rasch und fundamental verändert, wird kaum mehr ernsthaft bestritten, und auch an den Sicherheitsimplikationen besteht kaum noch Zweifel. Allerdings bleiben Vorhersagen bezüglich der hochkomplexen und viele Faktoren umfassenden Wirkungsketten nach wie vor schwierig. Zusätzlich verabschiedete die Generalversammlung im Juni 2009 auf Initiative der kleinen Inselstaaten eine Konsensresolution, die alle UN-Gremien einlud, sich innerhalb ihrer Mandate mit den sicherheitspolitischen Konsequenzen des Klimawandels zu beschäftigen.

Als die Bundesregierung den Vorstoß unternahm, das Thema erneut auf die Tagesordnung zu setzen, erhielt sie die Unterstützung der westlichen Sicherheitsratsmitglieder, aber auch China, Russland, und die nicht-ständigen Mitglieder Indien, Nigeria, Südafrika und Brasilien ließen sich überzeugen. Von deutscher Seite wurde deutlich gemacht, dass die Debatte im Sicherheitsrat keinesfalls die laufenden Klimaverhandlungen ersetzen solle. Auch werde kein direktes Handeln des Rates angestrebt, er solle sich ausschließlich im Rahmen seines Mandates zur Verhütung von Konflikten mit den krisen- und sicherheitsrelevanten Aspekten des Klimawandels beschäftigen.

... und ein kleiner Wandel
Viele Staaten waren der Meinung, dass eine Klimadebatte im Sicherheitsrat bereits mehr als genug ist und der Rat darüber hinaus erst bei konkreten Bedrohungen aktiv werden soll. Besonders Russland und China lehnten ein Ergebnis wie die von Deutschland angestrebte „Erklärung der Präsidentschaft“ ab, so dass am Vormittag der Sicherheitsratssitzung deren Zustandekommen immer noch unklar war. Ein solches Dokument ist nicht bindend, besitzt aber diplomatisches Gewicht, es bedarf der Zustimmung aller 15 Ratsmitglieder. Im Gegenzug forderten die pazifischen Inselstaaten, dass der Sicherheitsrat seine Verantwortung wahrnehme und den Klimawandel als Bedrohung des internationalen Friedens und der Sicherheit anerkenne; weiterhin sollte ein neuer Sonderbeauftragter regelmäßig über Bedrohungen durch den Klimawandel berichten, und es sollte ausgewertet werden, ob das UN-System auf eine Krise derartiger Größenordnung zu reagieren vermag. Trotz vieler Solidaritätsbekundungen mit den Inselstaaten waren die meisten Staaten nicht bereit, diese Vorschläge umzusetzen. Sie vermieden es, weitere oder gar regelmäßige Aktivitäten des Sicherheitsrats zu legitimieren. Einzig der Generalsekretär wird nun aufgefordert, Klimaaspekte in seiner künftigen Berichterstattung an den Rat zu berücksichtigen.

In seiner Rede im Sicherheitsrat forderte der Präsident von Nauru die traditionellen und neuen Mächte auf, ihre Köpfe nicht in den Sand zu stecken. Ob die nun verabschiedete Erklärung ein Anzeichen für ein Auftauchen ist, wird sich vor allem in der nächsten Runde der Klimaverhandlungen am Ende des Jahres in Durban zeigen.

Über die Autorin

Weinlich, Silke

Politikwissenschaft

Weinlich

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