Kooperation mit religiösen Organisationen – aber wie?

Kooperation mit religiösen Organisationen – aber wie?

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Leininger, Julia / Kai Striebinger
Die aktuelle Kolumne (2016)

Bonn: German Development Institute / Deutsches Institut für Entwicklungspolitik (DIE) (Die aktuelle Kolumne, 17.02.2016)

Bonn, 17.02.2016. Die Frage nach dem Potenzial von Religion für nachhaltige Entwicklung soll am 17. und 18. Februar bei einer internationalen Konferenz des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) in Berlin erörtert werden. Der Titel der Konferenz – „Religionen als Partner für Wandel“ – legt nahe, dass Religionen grundsätzlich positiv auf die Erreichung von Nachhaltigkeitszielen einwirken. Das stimmt. Aber nur zum Teil!

Religion kann zu nachhaltiger Entwicklung beitragen. Das zeigen beispielsweise erfolgreiche Kampagnen muslimischer Imame gegen Genitalverstümmelung von Frauen, die von religiös motivierten Nichtregierungsorganisationen geleistete humanitäre Hilfe in Krisengebieten und der Einsatz des Papstes für den Umweltschutz. Gleichzeitig können unterschiedliche religiöse Ausrichtungen Konflikte verschärfen. In der internationalen Politik hat sich so die Erkenntnis durchgesetzt, dass bestimmte gesellschaftspolitische Probleme nur gelöst werden können, wenn der Dialog mit diesen religiös motivierten Organisationen gesucht wird oder sie aktiv an der Suche nach Lösungen und ihrer Umsetzung beteiligt sind. Zur Erreichung der weltweiten Nachhaltigkeitsziele ist somit unter Umständen die Zusammenarbeit zwischen religiösen und staatlichen Organisationen im globalen Norden und Süden notwendig – auch in der deutschen Außen- und Entwicklungspolitik.

Religion ändert die Welt - und die Welt ändert Religion

Jede Religion, sei es das orthodoxe Christentum oder der wahabitisch geprägte Islam, passt sich ihrem jeweiligen sozio-kulturellen und politischen Kontext an. So trat beispielsweise auch die Evangelische Kirche in Deutschland, in den Gründungsjahren der Bonner Republik – aus Angst vor der Wiederholung des Scheiterns der Weimarer Republik – zunächst gegen die parlamentarische Demokratie ein. Heute ist sie ohne Zweifel eine Befürworterin der Demokratie. Das war nur durch kontinuierlichen Austausch zwischen Kirche und Politik möglich. So wandeln sich die politischen und gesellschaftlichen Vorstellungen von Religionen und Konfessionen über Zeit und Raum. Dementsprechend kann es in der internationalen Politik keine Blaupausen für die Zusammenarbeit mit bestimmten religiösen Gruppen und Organisationen etwa aus dem Christentum, Islam oder Buddhismus geben. Und dennoch können mindestens drei allgemeine Kriterien berücksichtigt werden.

Erstens, religiöse Organisationen und ihre Gläubige sind nur dann eine Ressource für nachhaltige Entwicklung und Frieden, wenn sie auch zweckrational handeln können. Ihre Wertevorstellungen müssen nicht nur mit den Inhalten internationaler Kooperation wie die 2015 verabschiedeten Nachhaltigkeitsziele kompatibel sein, sondern auch im Sinne der Zielverwirklichung eingesetzt werden. Primat einer Zusammenarbeit sind somit nicht religiöse Werte, sondern der potenzielle Beitrag, den Geistliche, Gläubige und religiös motivierte Organisationen wie Islamic Relief zur nachhaltigen Entwicklung leisten. Ein Indiz für die Bereitschaft religiöser Organisationen sich auf eine funktionale Kooperation einzulassen sind bestehende Partnerschaften und Allianzen mit säkularen nichtstaatlichen Organisationen wie NGOs oder Gewerkschaften. Beziehen sich religiöse Organisationen nur auf die eigene Glaubensgemeinschaft, so kann dies darauf hindeuten, dass sie nicht für gemeingültige und breitenwirksame Entwicklungsziele einstehen.

Zweitens gilt für religiöse Organisationen – noch mehr als für nicht-Religiöse –, dass Partnerschaften integriert gestaltet anstatt eindimensional und funktional auf ein Ziel ausgerichtet sein müssen. Beispielsweise können religiöse Organisationen ökologische Nachhaltigkeit fördern und gleichzeitig grundlegende Menschenrechte missachten. Das Dilemma internationaler Politik besteht hier darin, dass durch die Zusammenarbeit in Nachhaltigkeitsfragen der religiöse Akteur insgesamt legitimiert wird und somit der Eindruck entstehen könnte, dass auch Menschenrechtsverletzungen hingenommen würden. Außen-  und Entwicklungspolitik bietet sich nur an, diese (potenzielle) Instrumentalisierung zu minimieren und gleichzeitig mit anderen Politikmaßnahmen darauf hinzuwirken, dass Menschenrechtsorganisationen vor Ort gestärkt werden. Dies können auch liberale Strömungen innerhalb bestehender religiöser Organisationen sein.

Drittens dürfen über einen Fokus auf religiöse Akteure politische Institutionen und Partner nicht in Vergessenheit geraten. Religiöse Organisationen agieren nicht im luftleeren Raum. Sie sind Teil eines Gemeinwesens, das politisch organisiert ist. Nur wenn politische Institutionen oder transnationale Netzwerke die Ideen und Ansätze von religiösen – wie anderen nichtstaatlichen – Organisationen aufgreifen, können Kampagnen gegen Hunger oder Basisdienstleistungen von religiös motivierten NGOs nachhaltig zu gemeinwohlorientierter Politik beitragen. In Ländern, beispielsweise, in denen religiöse Organisationen andere Ziele haben als der Staat, ist die finanzielle und organisatorische Unabhängigkeit religiöser Organisationen vom Staat eine wichtige Voraussetzung für wirksames, entwicklungsorientiertes Handeln.

Über die Autorin

Leininger, Julia

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