Noch eine Entwicklungsbank: die BRICS-Bank

Noch eine Entwicklungsbank: die BRICS-Bank

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Reisen, Helmut
Die aktuelle Kolumne (2013)

Bonn: German Development Institute / Deutsches Institut für Entwicklungspolitik (DIE) (Die aktuelle Kolumne vom 13.05.2013)

Bonn, 13.05.2013. Eine von der Bush-Administration unter Leitung des amerikanischen Ökonomen Alan Meltzer eingesetzte Kommission (Meltzer-Commission) hinterfragte im Jahr 2000 die Existenzberechtigung multilateraler Entwicklungsbanken. Kurz vorher waren den ärmsten Entwicklungsländern mit der HIPC-Initiative ihre multilateralen Schulden erlassen worden. Der Meltzer-Bericht argumentierte mit dem Äquivalenztheorem: Zinsbegünstigte (sanfte) Kredite mit langen Laufzeiten und tilgungsfreiem Beginn, welche die Entwicklungsbanken vergeben, seien nichts anderes als eine Mischung aus privaten Krediten zu Marktkonditionen und Zuschüssen. Mit dieser Schlussfolgerung sollte vor allem die Weltbank untergraben werden. Das Äquivalenztheorem implizierte ja, dass man die multilateralen Entwicklungsbanken schließen könne und sie durch Zuschüsse und Privatkredite ersetzen könne. Die Auseinandersetzung wurde damals sehr heftig geführt: Augenscheinlich trifft das Äquivalenztheorem zwar zu, aber exzessive Zinsaufschläge für Privatkredite an die armen Staaten, die bessere Hebelwirkung der Entwicklungshilfe und die stimulierende Wirkung auf Wachstum und öffentliche Haushalte in den Empfängerländern sprechen für den sanften Kredit.

Auf dem jüngsten BRICS-Gipfel in Durban/Südafrika haben die Finanzminister aus Brasilien, Russland, Indien, China und Südafrika – die sogenannten BRICS – beschlossen, gemeinsam eine Entwicklungsbank zu gründen (siehe auch Peter Wolff, Die Renaissance der Entwicklungsbanken). Allerdings konnten sich die Fünf weder auf die Höhe des Eigenkapitals noch auf dessen jeweiligen Länderanteil einigen. Ein Stolperstein: die bislang angedachte Höhe des Beteiligungskapitals der BRICS-Bank in Höhe von 50 Mrd. US-Dollar bei paritätischer Aufbringung dieser Summe. Für Südafrika, mit Abstand das kleinste der BRICS-Staaten, entsprechen die 10 Mrd. US-Dollar bereits 2.5 % seines jährlichen Volkseinkommens und ein Zehntel seiner Steuereinnahmen . Die anderen vier BRIC tun sich da leichter, vor allem China. Um die Dominanz des asiatischen Giganten zu begrenzen, war bislang dieselbe Aufbringung für alle fünf BRICS angedacht worden.

Würde eine neue BRICS-Bank nicht noch weiter zum unübersichtlichen Gewirr multilateraler Entwicklungsfinanzierung beitragen? Überschneidungen und schleichende Ausweitung der Aufgabenmandate der multilateralen Entwicklungsbanken mögen positive Beschäftigungseffekte für Volkswirte und Politiker haben, aber sie mehren auch die Transaktionskosten für die Empfänger und die Verwaltungskosten für die Gläubiger sanfter Kredite. Eine aktuelle Auflistung multilateraler Entwicklungsbanken weist derzeit bereits siebzehn Institutionen auf. Ähnliche Finanzierungen stellen auch die nationalen (bilateralen) Entwicklungsbanken (wie die deutsche Kreditanstalt für Wiederaufbau) bereit, aus den BRICS-Staaten etwa die brasilianische BNDES (O Banco Nacional do Desenvolvimento) und die China Development Bank. Für die Finanzierung der Infrastruktur stehen auch, allerdings in der Regel nicht mit sanften Krediten, die mächtigen Exportkreditagenturen (etwa die Export-Import Banken Chinas und Indiens) bereit.

Selbst der Generalsekretär der OECD Angel Gurria, der sich zu Zeiten der Bush-Administration gemeinsam mit dem früheren Präsidenten des amerikanischen Zentralbankensystems, Paul Volcker, einen Ruf als Verteidiger multilateraler Entwicklungsbanken gemacht hat, hat neulich in einem Interview mit der britischen Tageszeitung The Guardian (9. April 2013) einige kritische Fragen zur geplanten BRICS-Bank aufgeworfen. Er zweifelte an ausreichenden wirtschaftspolitischen Auflagen (Konditionalität) der neuen Entwicklungsbank; allerdings ist die empirische Evidenz, ob von außen auferlegte Auflagen zu nachhaltigen Reformen führen, recht schwach. Gurria fragte auch, wie die neue BRICS-Bank in die globale Entwicklungsarchitektur passen werde.

Diese Fragen sind berechtigt und verdienen eine Antwort. Und diese Antwort gab es bereits vor Gurrias Interview. Der Direktor der G-24 Amar Bhattacharya, Mattia Romani (Global Green Growth Institute) und der frühere britische Chefvolkswirt Lord Nicholas Stern (LSE) gaben sie bereits Ende 2012, im Bericht „Infrastructure for Development: Meeting the Challenge“. Die Autoren liefern einige Gründe, welche die Bildung einer neuen BRICS-Entwicklungsbank rechtfertigen können. Hier ist meine Liste:

  • Fehlende Infrastruktur ist gleichermaßen das Wachstumshindernis Nummer 1 in Entwicklungs- und Schwellenländern. Nachhaltiges Wachstum, Industrialisierung und Urbanisierung verlangen nach Energie, Wasser und Abwasser, Transportwegen sowie Informations- und Kommunikationstechnologie. Noch fehlt 1,4 Milliarden Menschen die tägliche Versorgung mit Elektrizität. 900 Millionen haben keinen Zugang zu sauberem Trinkwasser; 2,6 Milliarden sogar haben keine sanitären Anlagen. Die Autoren beziffern deshalb den jährlichen Finanzierungsbedarf auf rund 2000 Milliarden Dollar. Die jährliche Infrastrukturfinanzierung durch multilaterale Entwicklungsbanken und Entwicklungshilfe kommt derzeit auf 40 – 60 Milliarden Dollar, also auf zwei bis drei Prozent des voraussichtlichen Bedarfs.

  • Der private Sektor kann im Grunde beitragen die Finanzierungslücke zu schließen. Aber Vorsicht vor Illusionen: Lange Laufzeiten, bis sich Infrastrukturprojekte rechnen, hohe Anlaufkosten und ausgeprägte Kreditzyklen erschweren einen verlässlichen privatwirtschaftlichen Beitrag in der geforderten Höhe. Das gilt insbesondere außerhalb des Informations- und Kommunikationsbereiches, eine von den großen Unternehmen für Investitionen in der Regel bevorzugten Sparte. Auch die öffentlich-privaten Partnerschaften haben die hohen Erwartungen nicht erfüllt, dagegen aber für die Staatshaushalte oft hohe Eventualverpflichtungen hinterlassen. Seit 2007 hat die private Finanzierung großer Infrastrukturen erhebliche Einbrüche verzeichnet, ein Resultat des Sanierungsprozesses der Bankbilanzen und verschärfter Eigenkapitalanforderungen (Basel III).
  • Eine neue BRICS-Entwicklungsbank könnte die Architektur und Dynamik der internationalen Entwicklungsfinanzierung nachhaltig ändern. Die klassische Entwicklungshilfe bleibt mit ihrem Schwerpunkt (Zuschüsse statt Kredite) und den angeschlagenen Staatshaushalten der DAC-Mitglieder auf weiteres wenig relevant für die Infrastrukturfinanzierung. Derzeit finanziert China alleine mehr Infrastruktur in den Entwicklungs- und Schwellenländern als die gesamten Institutionen der multilateralen Entwicklungsbanken und der westlichen Entwicklungshilfe. Weltbank und Währungsfonds haben in ihrem Rahmenwerk der Schuldenbelastbarkeit zu restriktive Schuldengrenzen für die armen Länder gezogen, während sie gleichzeitig die potenziellen Wachstumseffekte der Infrastrukturfinanzierung vernachlässigen; indirekt wird so – nicht zuletzt bei der Kofinanzierung durch die regionalen Entwicklungsbanken – die Ausschöpfung des Wachstumspotenzials in den Entwicklungsländern verhindert. Die Kombination der BRICS-Finanzierung aus diversen BRICS-Quellen – neben der neuen BRICS-Bank ihre nationalen Entwicklungsbanken, Staatsfonds und staatliche Pensionskassen – würde dabei helfen, die neuen BRICS-Entwicklungskredite zu hebeln, Projektrisiken durch Sammlung zu mindern und damit die vorhandene Risikoaversion bei großen Infrastrukturvorhaben abzubauen.


Die Neuvermessung der Weltwirtschaft hin zu den großen Schwellenländern hat sich bislang nicht hinreichend in der internationalen Finanzarchitektur niedergeschlagen. Europa bremst und bleibt in den Exekutivräten von Weltbank, Währungsfonds und der regionalen Entwicklungsbanken nominell überrepräsentiert, aber faktisch oft uneinig und daher schwächer als nötig. Die Macht des Faktischen mit der Gründung der BRICS-Entwicklungsbank wird vermutlich die Repräsentanz und Stimme der Schwellen- und Entwicklungsländer auch in den bereits bestehenden Finanzinstitutionen stärken. Die BRICS-Bank hilft Infrastrukturlücken zu schließen, damit den Aufholprozess der armen Länder zu unterstützen, globale öffentliche Güter mitzufinanzieren, internationale Ungleichgewichte in den Leistungsbilanzen abzubauen und überschüssige Notenbankliquidität in produktive Verwendungen zu lenken. Nicht zuletzt stärkt eine neue BRICS-Bank die Glaubwürdigkeit der großen Schwellenländer für ihre Gestaltungskraft im globalen Ordnungsrahmen und löst diesen aus der US-Hörigkeit des letzten Jahrhunderts. Die BRICS-Entwicklungsbank verdient unsere Unterstützung.

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