Weltklimavertrag in der Zielkurve: Noch ist alles drin!

Weltklimavertrag in der Zielkurve: Noch ist alles drin!

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Bauer, Steffen / Clara Brandi
Die aktuelle Kolumne (2015)

Bonn: German Development Institute / Deutsches Institut für Entwicklungspolitik (DIE) (Die aktuelle Kolumne, 17.02.2015)

Bonn, 17.02.2015. Zwei Monate nach der Klimakonferenz von Lima haben sich am vergangenen Freitag in Genf die Vertragsparteien der UN-Klimarahmenkonvention auf einen Textentwurf für ein neues internationales Klimaabkommen verständigt. Auf Grundlage dieses Abschlussdokuments soll im Dezember 2015 in Paris ein umfassendes Weltklimaabkommen verabschiedet werden.

Das Problem ist: Die strittigsten Punkte wurden in Genf ausgeklammert. Um es allen recht zu machen, wurde der Textentwurf vielmehr immer weiter aufgebläht. So schwoll der Entwurf in Genf auf fast 100 Seiten an und wurde zu einem langen Wunschzettel voller Optionen und Widersprüche.

Doch die Einbindung der unterschiedlichen Positionen war wichtig, um allen Staatenvertretern zu versichern, dass ihre Anliegen als Verhandlungsgegenstand ernst genommen werden. Bis es in Paris zum Schwur kommt, müssen jedoch die strittigen Fragen dringend  bearbeitet werden, damit das Abkommen nicht von vornherein zum Papiertiger wird. Fünf wesentliche Knackpunkte sind dabei:

Erstens, Rechtsverbindlichkeit: Viele Entwicklungs- und Schwellenländer sind dagegen, dass in Paris ein rechtlich verbindliches Abkommen verabschiedet wird, das alle Staaten auf Klimaschutzziele verpflichtet. Doch ohne die Schwellenländer ist es ausgeschlossen, den Klimawandel im vorgesehenen Maße einzudämmen. Hier stimmt optimistisch, dass sich China und die USA bilateral auf ein gemeinsames Vorgehen im Kampf gegen den Klimawandel einigen konnten.

Zweitens, Minderung: Der Genfer Text enthält zahlreiche divergierende Vorschläge für das Festlegen und Überprüfen der Emissionsziele der Staaten und den Zeitplan dafür. Was sehr technisch klingt, ist essentiell, um ein dynamisches Abkommen zu schaffen, das es ermöglicht, die Klimaschutzziele auch nach Paris immer wieder überprüfen und nachbessern zu können.

Drittens, „gemeinsame, aber unterschiedliche Verantwortlichkeiten“ (CBDR): Bis heute werden die unterschiedlichen klimapolitischen Verantwortlichkeiten von Industrie- und Entwicklungsländern gemäß einer Unterscheidung aus dem Jahr 1992 diskutiert. Doch mittlerweile ist China der größte CO2-Emittent und einige Entwicklungsländer sind reicher als manche Industriestaaten. Die Frage ist daher, wie die starre Zweiteilung aufgehoben oder zumindest verschoben werden kann und ob sich das CBDR-Prinzip zeitgemäß reinterpretieren lässt. Brasilien beispielsweise plädiert für ein System mit mehr als zwei Gruppen und Äthiopien schlägt vor, an der Zweiteilung festzuhalten, aber Indikatoren für die „Graduierung“ zum Industriestaat festzulegen.

Viertens, Finanzierung: Auch hier enthält der Genfer Text viele unterschiedliche Optionen, die sehr unterschiedliche Interessen widerspiegeln. Sicher ist: Ohne eine klare Finanzperspektive für Klimaschutz- und Anpassungsmaßnahmen in den Entwicklungsländern – vorgesehen sind 100 Mrd. USD jährlich ab 2020 – wird es in Paris kein Abkommen geben.

Fünftens, Anpassung: Nachdem Anpassung an die Folgen des Klimawandels lange als zweitrangiges Thema behandelt wurde, lässt der Genfer Textentwurf erwarten, dass diese im Pariser Abkommen eine wichtige Rolle spielen wird. Die Vielzahl der aufgeführten Ideen lässt jedoch noch keinen klaren Fokus erkennen: die Vorschläge reichen von Hilfszahlungen nach Wetterkatastrophen („Loss & Damage“) bis zur Verknüpfung von Klimawandel und Menschenrechten. Noch scheint völlig offen, welche Ansätze sich im Verhandlungsverlauf durchsetzen und wie konkret sie ausformuliert werden.

Unter dem Strich wird entscheidend sein, auf welches Gesamtpaket sich die Unterhändler bis Dezember einigen können. Wichtig ist, dass eine Einigung in Paris kein Selbstzweck sein darf: Die Relevanz des Pariser Abkommens wird von den Inhalten abhängen. Der Genfer Text enthält alle Optionen für ein ambitioniertes Abkommen. Salopp gesagt: es ist immer noch alles drin.

Erfolgreich ist die Pariser Klimakonferenz dann, wenn ein Abkommen erreicht wird, dass erstens ambitioniert und verbindlich genug ist, um den Klimawandel auf maximal 2°C gegenüber dem vorindustriellen Niveau begrenzen zu können, und das zweitens im „Norden“ wie im „Süden“ als fairer Deal akzeptiert wird. Das erfordert drittens ein System, dass geeignet ist, die Umsetzungsanstrengungen der einzelnen Länder nachvollziehbar zu überprüfen und ihre jeweiligen Ambitionsniveaus regelmäßig anzupassen.

Ob die gute Genfer Stimmung anhält, wird sich spätestens im Juni zeigen, wenn in Bonn weiterverhandelt wird und die Staaten von der Zielkurve auf die Zielgerade einbiegen, die sie über zwei weitere Verhandlungsrunden und einen weiteren Klimagipfel des UN-Generalsekretärs in den kommenden Monaten zum erfolgreichen Zieleinlauf in Paris führen soll.

Schon jetzt sollten sich die Länder, deren Vorschläge nahe beieinander liegen, intensiv austauschen, um mit gemeinsamen Textoptionen zum Endspurt anzusetzen. Speziell die EU kann sich noch stärker engagieren und sollte konkrete Anliegen der Entwicklungsländer unterstützen, um Allianzen jenseits der tradierten Nord-Süd-Differenzen zu stärken und im Endspurt nach Paris beschleunigen zu können.

Über die Autor*innen

Bauer, Steffen

Politikwissenschaftler

Bauer

Brandi, Clara

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Brandi

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