Weltwassertag: Warum die Wiederverwendung von behandeltem Abwasser kein Selbstläufer ist

Weltwassertag: Warum die Wiederverwendung von behandeltem Abwasser kein Selbstläufer ist

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Scheumann, Waltina
Die aktuelle Kolumne (2017)

Bonn: German Development Institute / Deutsches Institut für Entwicklungspolitik (DIE) (Die aktuelle Kolumne vom 22.03.2017)

In vielen Ländern werden Siedlungsabwässer in der Landwirtschaft genutzt – allerdings meist ohne vorherige Reinigung. In Pakistan etwa, im Umland der Großstädte Lahore und Faisalabad, nutzen die Bauern die Abwässer beim Anbau von Gemüse. Dessen Verzehr ist mit erheblichen Gesundheitsrisiken verbunden. Der Weltwasserbericht, der alljährlich zum Weltwassertag erscheint und unter der Federführung der UNESCO erstellt wird, macht 2017 die Wiederverwendung von geklärtem Abwasser zum Thema. Damit könnte man, theoretisch, zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen: die Sanitär- und Gesundheitsversorgung verbessern und die Konkurrenz um knappes Süßwasser in wasserarmen Regionen entschärfen. Dazu bedarf es allerdings eines Paradigmenwechsels – diesen fordert auch der Weltwasserbericht 2017: es gehe nicht mehr nur um Reinigung und Entsorgung der Abwässer, sondern um Wiederverwendung, Recycling und Wertstoffrückgewinnung.

Trotz der offensichtlichen Vorteile ist die Wiederverwendung von geklärten Abwässern kein Selbstläufer. Warum dies so ist, zeigen Erfahrungen aus mehreren Ländern.

Geringe Anschlussgrade

In Indien werden nur zehn Prozent des insgesamt anfallenden Abwassers behandelt, und nur rund ein Drittel der städtischen Haushalte ist an die Kanalisation angeschlossen. Gleichzeitig schießen mit der rapiden Urbanisierung neue – geplante und ungeplante – Wohnviertel in die Höhe, sodass die Zahl der Haushalte zunimmt, die angeschlossen werden müssten. Verfügbares und bezahlbares Land für den Bau von großen Kläranlagen und langen Leitungssysteme ist knapp. Es müssten andere Technologien als die klassischer Großkläranlagen mit tiefliegenden Abwassersammlern eingesetzt werden, da diese z.B. in Küstenstädten wegen der hohen Grundwasserspiegel keine Option sind. Knappe Finanzmittel der Kommunen, hohe Bodenpreise, niedrige Wasserpreise und die Bevorzugung konventioneller Großkläranlagen behindern hohe Anschlussgrade – und somit auch die Wiederverwendung geklärter Abwässer.

In Brasilien sind fast 60 Prozent der städtischen Bevölkerung (98 Millionen) an Abwassersysteme angeschlossen, und im Durchschnitt werden rund 40 Prozent der Abwässer und 70 Prozent der gesammelten Abwässer behandelt, die eine Wiederverwendung unproblematisch machen würde. Hier sind es meist nicht nur mangelnde Finanzmittel: Es fehlt den kleinen Gemeinden an Fachkräften, sowohl für die Planung als auch für den Betrieb der Anlagen. Auch sind die Abwassergebühren auf den Wasserverbrauch der Haushalte bezogen – und deshalb zu niedrig bemessen, so dass keine Kostendeckung bei der Abwasserbehandlung erreicht wird.

Jordanien hat Erfolg mit dezentralen Anlagen

Jordanien gehört zu den wasserärmsten Ländern dieser Erde. Es nutzt den größten Teil des Grund- und Oberflächenwassers in der Landwirtschaft. Die Nationale Wasserstrategie fördert deshalb die Wiederverwendung von behandelten Abwässern – mit einigem Erfolg. Die Abwässer der Hauptstadt Amman werden geklärt in den Zarqa-Fluss eingeleitet, so dass die Landwirte im Jordantal diese zur Bewässerung nutzen können. Erfolgreich sind aber auch erste dezentrale Kläranlagen, die behandelte Abwässer für die Bewässerung von Grünanlagen bereitstellen: die Anlage in Mogablane, im Umland von Amman und die Anlagen in Hotels am Toten und Roten Meer. Die Betriebskosten sind geringer als die Kosten, die mit der Leerung von Sickergruben und dem Abtransport durch Trucks hin zur nächsten Kläranlage entstehen; zudem entfallen Kosten (umgerechnet etwa 6500 Euro monatlich) für die Anlieferung von Süßwasser zur Bewässerung der Grünanlagen.

Qualitätsstandards und Monitoring

Im Jordantal bevorzugen die Landwirte, die für den europäischen, v.a. den britischen Markt produzieren, dennoch die Nutzung von Grundwasser, da die Kosten geringer sind als die Gestehungs- und Betriebskosten geklärter Abwässer, aber auch wegen der unzuverlässigen Qualität der behandelten Abwässer. Die Landwirte riskieren den Verlust von Marktanteilen, wenn ihre Produkte nicht den Qualitätsanforderungen der Abnehmerländer entsprechen.

Qualitätsschwankungen der behandelten Abwässer behindern auch in Tunesien die Wiederverwendung in der Landwirtschaft. In dem Bewässerungsgebiet Oueljet El Khoder wurde deshalb die Medenine-Kläranlage aufgerüstet, um die gesetzlichen Qualitätsstandards zu erfüllen. Ein Labor sorgt für die kontinuierliche Überwachung der Wasserqualität, und ein computergestütztes System ermöglicht allen Betroffenen, v.a. den Landwirten, Zugriff auf die Daten; per SMS können zudem im Notfall Informationen verschickt werden.

Anreize fehlen

Der Investitionsbedarf in Kanalisationssysteme, Kläranlagen und Verteilersysteme hin zu den landwirtschaftlich genutzten Flächen, die eine Wiederverwendung erst möglich machen, ist immens. In Jordanien und Tunesien, aber auch in Indien und Brasilien, fehlt es den Gemeinden an Finanzmitteln. Solange Grund- und Oberflächenwasser billiger ist, wenn nicht gar umsonst, wird der größte Wasserverbraucher, die Landwirtschaft, behandelte Abwässer nicht nutzen. Für die Landwirte müssen Anreize geschaffen werden, damit sie diese Ressource nutzen. Zudem werden qualifizierte, kompetente Fachkräfte für den Betrieb von Kläranlagen und für die Qualitätssicherung gebraucht.

Man darf gespannt sein, welche Lösungen der Weltwasserbericht 2017 bereithält, damit der Paradigmenwechsel Realität wird – regionale Wasserknappheit kann diesen auf jeden Fall befördern.

Über die Autorin

Scheumann, Waltina

Politikwissenschaftlerin

Scheumann

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