Ist die Erde eine Scheibe oder ein Würfel? Politische Konditionalität, Entwicklungshilfe und Demokratie

Ist die Erde eine Scheibe oder ein Würfel? Politische Konditionalität, Entwicklungshilfe und Demokratie

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Faust, Jörg
Analysen und Stellungnahmen 2/2012

Bonn: German Development Institute / Deutsches Institut für Entwicklungspolitik (DIE)

Engl. Ausg. u.d.T.:
Is the Earth flat or is it a cube? European foreign aid, political conditionality and democracy
(Briefing Paper 24/2013)

Soll Entwicklungszusammenarbeit (EZ) an politischeKonditionalitäten geknüpft sein? Welche Bedeutung kommt hierbei dem Demokratieniveau zu? Aufgrund derEreignisse des Arabischen Frühlings sowie der Diskussionen um Anreize und Geberharmonisierung in der EZ hat diese Frage wieder an Relevanz gewonnen.
Kritiker politischer Konditionalität argumentieren, dass Demokratie und Menschenrechte normative Selektionskriterien seien und eine Politisierung der Mittelvergabe begünstigen. Außerdem sei das Demokratieniveau als Auswahlkriterium ungeeignet, da es keinen Einfluss auf die wirtschaftliche Entwicklung habe. Dieser Kritik lässt sich in zweierlei Hinsicht begegnen:

  • Erstens ist nicht davon auszugehen, dass die OECD-Demokratien aus normativen wie auch aus innenpolitischen Motiven den Kernaspekten ihrer eigenen Staatslegitimation in ihrer Auswärtigen Politik keine Bedeutung beimessen würden.

  • Zweitens sprechen Effektivitätsgründe für Konditionalität. Auch wenn autoritäre Staaten Wirtschaftswachstum erzielen können, zeigt der länderübergreifende Vergleich gerade in den sozialen Sektoren und bei der Armutsbekämpfung eine Entwicklungsdividende der Demokratie. Zudem begünstigt staatliche EZ mit Autokratien tendenziell deren Stabilisierung.


Zu behaupten, es gäbe keine guten Gründe für politische Konditionalität ist also in etwa so stichhaltig wie zu sagen, die Erde sei eine Scheibe. Deshalb automatisch auf die Effektivität politischer Konditionalität zu schließen, wäre aber ähnlich fundiert wie die Behauptung, unser Planet sei ein Würfel. Denn auch die gute Begründung politischer Konditionalität löst nicht die anspruchsvollen Herausforderungen für deren Effektivität:

  • Die Funktion politischer Konditionalität muss klar sein. Ist sie Länderauswahlkriterium, damit EZ normativ angemessen und funktional zur Förderung wirtschaftlicher Entwicklung eingesetzt wird? Oder soll politische Konditionalität auch Anreiz zur Förderung von Demokratie und guter Regierungsführung sein?

  • Insbesondere wenn politische Konditionalität dem Schutz oder der Förderung von Demokratisierung und besserer Regierungsführung dienen soll, kommt der Geberharmonisierung zentrale Bedeutung zu. Denn hierüber kann ein kohärentes Anreizsystem erzeugt und der verbliebene Einfluss der EZ gebündelt werden.

  • Darüber hinaus bedarf es der intelligenten Konzeption und Umsetzung politischer Konditionalität. Umfassende politische Reformen können nicht einfach „erkauft“ werden. Aber realistische, angepasste und glaubwürdig kommunizierte Anreize politischer Konditionalität können Reformkräfte stärken und Reformen begünstigen.


Für die europäische EZ bedeuten diese Herausforderungen eine Überforderung der Koordinationsfähigkeit von Kommission und Mitgliedern aufgrund zu hoher politischer Transaktionskosten. Wenn politische Konditionalität effektiv sein soll, geht dies langfristig nicht ohne mehr europäische Integration in Außen- und Entwicklungspolitik. Diese muss allerdings einhergehen mit einer Stärkung des Europäischen Parlaments.

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Faust, Jörg

Political Scientist

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