Energiewende ist Entwicklungspolitik

Ruchser, Matthias
Externe Publikationen (2014)

in: Frankfurter Rundschau 15. April 2014, 10

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Nach der völkerrechtswidrigen Einverleibung der ukrainischen Halbinsel Krim durch Russland Mitte März 2014 verhängte der Westen erste Sanktionen. Inwieweit die Europäer bereit sein werden, auch Wirtschaftssanktionen gegen Russland zu verhängen, bleibt abzuwarten. Die Ängste sind groß, dass zusätzliche Sanktionen der eigenen Wirtschaft großen Schaden zufügen könnten. Denn sollte Europa Wirtschaftssanktionen verhängen, werden Gegenmaßnahmen Putins nicht ausbleiben – zum beiderseitigen Nachteil.

Russland war im Jahr 2013 Deutschlands wichtigster Lieferant fossiler Energien und deckte 38 % des Erdgasaufkommens, knapp 35 % der Rohölimporte und 27 % der Steinkohleneinfuhren ab. Bisher störte sich die Politik an diesen Importabhängigkeiten wenig.

Die derzeitige Diskussion, ob Deutschland mehr oder weniger unabhängig von russischen Energielieferungen werden muss geht in die falsche Richtung. Denn bei der Energiewende geht es weder darum, fossile Energieimporte von unliebsam gewordenen Lieferländern durch Importe aus anderen Ländern oder durch die Ausweitung der heimischen fossilen Energieproduktion zu ersetzen, noch darum, generell von Energieimporten unabhängig zu werden. Es geht vielmehr um die Transformation unserer Energiesysteme zu einer ‚low-carbon economy‘.

Da auch viele Entwicklungs- und Schwellenländer von fossilen Energieimporten abhängig sind, haben die Erfahrungen, die Deutschland mit der Energiewende macht, internationale Vorbildfunktion. Wenn Deutschland die erfolgreiche Energiewende gelingt und zeigt, dass Wettbewerbsfähigkeit, Beschäftigung und Klimaschutz gleichzeitig zu erreichen sind, wird das Nachahmer finden, auch in vielen Entwicklungs- und Schwellenländern. Die deutsche Energiewende ist deshalb entwicklungspolitisch von großer Bedeutung.


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