Das Deutsche Institut für Entwicklungspolitik trauert um Jörg Meyer-Stamer

In der Nacht auf den 1. Mai ist Jörg Meyer-Stamer im Alter von nur 50 Jahren überraschend einer schweren Krankheit erlegen. Jörg Meyer-Stamer arbeitete von 1988 bis 1998 am Deutschen Institut für Entwicklungspolitik (DIE).

Die Mitarbeiter des Institutes trauern um einen Kollegen, der in seiner Zeit am DIE dessen Profil durch seine Kreativität und Schaffenskraft entscheidend mitprägte. Auch nach seinem Ausscheiden aus dem Institut blieb Jörg Meyer-Stamer dem DIE-Netzwerk in vielfältiger Weise verbunden.

Gemeinsam mit Klaus Esser, Wolfgang Hillebrand und Dirk Messner entwickelte Jörg Meyer-Stamer zu Beginn der 90er Jahre das Konzept der "Systemischen Wettbewerbsfähigkeit", das die Diskussion über Strategien zur Integration von Entwicklungsländern in die Weltwirtschaft in Deutschland und international maßgeblich beeinflusste. Jörg Meyer-Stamer gehörte zu den kreativsten und produktivsten Entwicklungsforschern in Deutschland. Er führte die Diskussionen zu Innovationssystemen in Entwicklungs- und Schwellenländer, zu cluster-Bildung als Voraussetzung für gesellschaftliche und ökonomische Lernprozesse sowie zu Motoren lokaler Entwicklung unter Bedingungen der Globalisierung an. Viele seiner Arbeiten gelten als Meilensteine, nicht zuletzt, weil Jörg-Meyer Stamer nicht bei theoretischen Überlegungen stehen blieb, sondern stets auf der Grundlage seines enormen Weltwissen und seiner erstaunlichen Fähigkeit, konkrete gesellschaftliche Dynamiken einschätzen zu können, praxistaugliche Vorschläge für die Entwicklungspolitik formulierte. Starre, von der Realität abgekoppelte Theoriegebäude langweilten ihn. Er war an wissenschaftlicher Arbeit interessiert, die gesellschaftliche Veränderung inspirieren und anstoßen kann.

Nach seiner Zeit am DIE leitete Jörg Meyer-Stamer von 1998-1999 ein deutsch-koreanisch-chilenisches Forscherteam am Institut für Entwicklung und Frieden, an der Universität Duisburg, das sich mit dem industriellen Strukturwandel im Ruhrgebiet beschäftigte und aus diesen Erfahrungen Schlussfolgerungen für Entwicklungsstrategien unter Globalisierungsdruck in Entwicklungs- und Industrieländern zog. Entwicklungspolitik als Einbahnstrasse, als Nord-Süd-Transfer, hielt er für eine Sackgasse. Jörg Meyer-Stamer propagierte und forcierte internationale Lern- und Wissensnetzwerke als Bedingung für dynamische Entwicklung.

Es war daher folgerichtig, dass sich Jörg Meyer-Stamer nach der Zeit an der Universität Duisburg mit einigen Kollegen selbstständig machte. Mesopartner setzt erfolgreich weltweit um, was Jörg Meyer-Stamer in seinen Wissens- und Praxisnetzwerken erarbeitete. Zuweilen rastlos war Jörg Meyer-Stamer seitdem als gefragter und erfolgreicher Berater für nationale und internationale Entwicklungsorganisationen sowie lokale und nationale Regierungen weltweit tätig. Zugleich publizierte er weiterhin Aufsätze und Bücher, in denen er seine weltweiten Erfahrungen aus der Beratungsarbeit mit seinen vielfältigen theoretischen Kenntnissen zusammenführte und daraus Sichtweisen erarbeitete, die für die Wissenschaft wie für die Praxis anregend sind. Er war ein Pionier auf diesem Gebiet.

Jörg Meyer-Stamers Produktivität war überwältigend. Wer mit ihm zusammengearbeitet hat, erinnert sich an intensive Diskussionen, anregende Gedankenspiele, immer neue Skizzen von Diagrammen und Schaubildern, konzentrierte und präzise Auswertungen von Materialbergen. Nicht selten hat er seine Kolleginnen und Kollegen mit seiner Neugier, seiner Schnelligkeit im Denken und Schreiben, seinen nicht enden wollenden, oft provokativen Fragen und seiner enormen Fähigkeit, komplexe Prozesse zu strukturieren und verständlich darzustellen, irritiert, ge- und manchmal auch überfordert. Jörg Meyer-Stamer wird seinen Kollegen fehlen. Für die deutsche Entwicklungsforschung und -praxis ist sein früher Tod ein schmerzlicher und unersetzlicher Verlust. Seinen Freunden wird er unvergesslich bleiben.

Dirk Messner
Direktor, Deutsches Institut für Entwicklungspolitik (DIE)