BMZ-Strategiedokument „Chancen schaffen – Zukunft entwickeln“

Veranstaltungsart
Dialog mit der Wissenschaft

Ort/Datum
Bonn, 26.09.2011

Veranstalter

Deutsches Institut für Entwicklungspolitik (DIE)


Am 03.08.2011 hat Dirk Niebel, Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, das neue entwicklungspolitische Konzept "Chancen schaffen – Zukunft entwickeln" vorgestellt. Ziel des Konzepts ist es, Menschen in Entwicklungsländern so zu stärken, dass sie ihre Zukunft aus eigener Kraft gestalten können. In einem offenen und transparenten Prozess stellt das BMZ das Konzept zur Diskussion, u. a. über einen Online-Auftritt, sowie in mehreren Stakeholder-Dialogen. Das Deutsche Institut für Entwicklungspolitik (DIE) veranstaltete den Stakeholder-Dialog mit der Wissenschaft.

Zusammenfassung

Zu Beginn der Veranstaltung beschrieb Frau Rödiger-Vorwerk (Leiterin des Planungsstabs des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ)) das neue Strategiepapier des BMZ als Einladung zum Dialog. Dieser Dialog soll zur Konkretisierung des Konzepts führen.

Der Inhalt der Veranstaltung gliederte sich in zwei Schritte: (1) eine allgemeine Diskussion der entwicklungspolitischen Neuausrichtung des BMZ, (2) die Diskussion der fünf Schlüsselbereiche als prioritäre Handlungsfelder des BMZ.

(1) In der allgemeinen Diskussion kamen grundsätzlich das positiv-optimistische Konzept und seine gute Verständlichkeit und die dadurch entstehende Eignung für die Bevölkerung zum Ausdruck. Der dem Papier zugrunde liegende Realismus und die klare Betonung der privaten Wirtschaft, aber auch gleichzeitige Konzentration auf die Menschen als Individuen und Objekt der Entwicklungszusammenarbeit wurden begrüßt.

Vier wichtige Aspekte stellten sich als Grundtenor der Diskussion heraus:

    • Die neue Geographie von Wachstum und Armut und die daraus resultierenden Konsequenzen.
    • Die soziale Ungleichheit innerhalb und zwischen den Ländern, welche zunehmend Bedeutung für die Entwicklungszusammenarbeit erhalte.
    • Der neue Kontext der jetzigen internationalen „Post- MDG Debatte“
    • Die Beständigkeit der normativen Ausrichtung im Strategie- Papier.

So wurden neben den genannten positiven Aspekten auch offene Fragen und Schwachstellen aus Sicht der Diskussionsteilnehmer angesprochen. Mehrfach wurde erwähnt, dass eine klarere, detailliertere Ausführung in verschiedenen Bereichen angebracht wäre. Dies betrifft die allgemeine Zieldefinition von Entwicklungszusammenarbeit, die Wirkungsmessung der Entwicklungszusammenarbeit sowie einzelne Bereiche wie Bildung & Innovation.

Weitere angesprochene Punkte in der Debatte:

    • Die Relevanz „globaler Strukturpolitik“ für das neue Konzept.
    • Die Rolle von Technologie und Wissenschaft, insbesondere da immer mehr Menschen Zugang zu moderner Kommunikationstechnologie haben (Knowledge discussion).
    • Die Nachfrage nach Partizipation der Zivilgesellschaft in politischen Prozessen.
    • Die Themen „land grabbing“, Ernährungssicherheit und Volatilität der Märkte, Ländliche Entwicklung.
    • Die Organisationsstruktur der deutschen Entwicklungszusammenarbeit und ein Bezug auf die Steuerungsmechanismen.
    • Worin könnten komparative Vorteile der deutschen Entwicklungszusammenarbeit liegen?

(2) Schlüsselbereiche:

Afrika: In der Analyse zum Schlüsselbereich Afrika kam zur Sprache, dass das Strategiepapier Tendenzen aufweist, die positive Entwicklung in Afrika zu überschätzen. Fortschritte in Demokratisierungsprozessen seien vorhanden, aber noch beobachtungspflichtig. Der Wandel insbesondere in der Technologie sei sichtbar, Wachstumserfolge wurden erzielt, jedoch gibt es kaum Staaten die in allen Bereichen voranmarschieren.

Wichtige Punkte der Debatte:

    • Die strukturellen Rahmenbedingungen von Demokratisierung und wirtschaftliche Entwicklung bleiben ungünstig - Welches Bild von Staatlichkeit ist hier förderlich?
    • Ein stärker differenziertes Konzept der Entwicklungspolitik zu Afrika ist nötig.
    • Eine stärkere Verbindung zum Afrikakonzept der Bundesregierung 2011 wäre lohnenswert.
    • Zudem sollte das Dokument Strategien für globale Strukturpolitiken aufzeigen können.

Das BMZ wies daraufhin, dass das Konzept gezielt Potenziale und funktionierende Strategien für den „Chancenkontinent Afrika“ aufzeigen möchte.

Energie und Klimaschutz: In einer Pro-Green Präsentation wurde auf erneuerbare Energie und Energieeffizienz als technisches Schlüsselprinzip für die Entwicklungszusammenarbeit der Bundesregierung verwiesen. Gefordert wurde unter anderem eine stärkere Stellungnahme des BMZ zur Energieeffizienz.

    • Energieeffizienz sei der Wegbereiter für Klimaschutz, allerdings müsste der Fokus auch auf den weltweiten Energieverbrauch gelenkt werden, der eher ansteigen werde. Realitätssinn sei hier von entscheidender Bedeutung.
    • Von einer nachhaltigen Politik erhofft man sich einen effizienteren Ressourcenbedarf des Privatsektors.
    • Eine realistische Frist zum Erreichen der dargestellten Strategie sollte genannt werden.

Das BMZ wies daraufhin, dass das Konzept der Nachhaltigkeit im Strategiepapier erweitert und über den Begriff „Zukunftsfähigkeit“ grundlegend definiert und als Leitsatz formuliert wird.

Fragile Länder: Der einleitende Input zur Debatte über den Schlüsselbereich „Fragile Länder“ brachte die folgenden Ansätze:

    • De facto verschiebt sich die Rolle der Länder im Süden immer mehr hin zu einer gleichberechtigten Partnerschaft.
    • Die zunehmende Bedeutung der BRICSAM-Länder in dieser Debatte.
    • Dringlich sollte die Debatte um Staatlichkeit im Kontext zu fragilen Staaten einbezogen werden. In diesem Zusammenhang wurde an die Bedeutung der lokalen Agenden und Governance-Strukturen erinnert gefolgt von der Frage, welche Agenden für lokale Partner geeignet seien?

Weiterführend im Bezug auf die Koordinationsherausforderungen der Krisenprävention wurde angeregt, sich verstärkt mit zivil-militärischen Schnittstellen zu befassen.

Innovationskompetenzen und Verantwortungseliten: Mit einem Statement zu Innovationskompetenzen ging der einleitende Input auf die Betitelung „Minds for change“ ein und hinterfragte die konkrete Zielorientierung, die hinter der Neuausrichtung der Entwicklungspolitik stehe.

    • Das Papier sei ein kontroverses Konzept, da es genügend Investitionen fordere, jedoch wenig konkrete Anknüpfungspunkte hierfür nennen könne.
    • Innovationspioniere und Leaderships sollen zur Veränderung der Entwicklungszusammenarbeit beitragen, aber eine ausreichende Darstellung zur Umsetzung dieser Instrumente fehlt.

Das BMZ sucht insbesondere auch in diesem Bereich externen Rat durch die Dialogpartner und veranstaltet im Oktober u.a. einen Innovationsbeirat, der in dieser Debatte weiter Aufschluss geben soll.

Schlussfolgerungen: Insgesamt ist das neue BMZ-Konzept in einem sich rasch verändernden internationalen Umfeld für Entwicklungszusammenarbeit entstanden. Konzeptionelle neue Debatten um die „Post-MDG-Agenda“, „Post-Aid-Agenda“ und „Post-ODA-Debatte“ werden wichtiger. Ländergruppen im Süden differenzieren sich zunehmend aus und die Themen Klima und Energie verweisen auf eindeutige Grenzen des Erdsystems. Gleichzeitig gibt es Kontinuitäten nicht zuletzt hinsichtlich der normativen Ausrichtung der (deutschen) Entwicklungszusammenarbeit.

Vor diesem Hintergrund ist die konzeptionelle Debatte, die durch das BMZ-Dokument in Deutschland befördert wird, grundsätzlich zu begrüßen. Die vom BMZ angekündigte vertiefte Beschäftigung mit einzelnen Themen des Ministeriums hat eine große Bedeutung, da sich hier weitere inhaltliche Debatten anschließen werden und so die Möglichkeit bieten auf die konzeptionellen Umsetzungen im Strategiepapier Einfluss zu nehmen.

Bonn, Oktober 2011

Stephan Klingebiel, Wiebke Sieber, Benjamin Heil


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Veranstaltungsinformation

Datum
26.09.2011

Ort

Bonn, Deutsches Institut für Entwicklungspolitik (DIE)