Konsultation zur neuen Umwelt-Strategie der Weltbank-Gruppe

Veranstaltungsart
Konsultationsveranstaltung

Ort/Datum
Bonn, 26.01.2010

Veranstalter

Weltbank-Büro Berlin und Deutsches Institut für Entwicklungspolitik (DIE)


Die neue Umweltstrategie der Weltbank soll auf die Anforderungen eingehen, die 2008 von der Independent Evaluation Group der Weltbank formuliert wurden, als diese die Umweltstrategie von 2001 evaluiert hatte. Auf der Veranstaltung wurde das Konzept für diese neue Strategie mit etwa 25 Teilnehmern und Teilnehmerinnen aus NROs, der Wissenschaft und der Entwicklungszusammenarbeit vorgestellt und diskutiert. Der internationale Konsultationsprozess zu diesem Konzept wird Mitte Februar 2010 abgeschlossen; das Konzept selbst soll im Sommer 2010 vorgelegt werden. Eine weitere Konsultation am DIE zu diesem Zeitpunkt ist vorgesehen.

Wird die neue Umweltstrategie effektiver sein als die von 2001? Diese Frage stand im Zentrum der angeregten Debatte. Fortschritte bei der Armutsbekämpfung hängen in einem wesentlich größeren Maße als 2001 davon ab, dass Fortschritte im Umweltschutz gemacht werden. Der Klimawandel, die zunehmende Urbanisierung und die Degradierung des Ackerlandes erfordern schnelle und erhebliche Verbesserungen in der Umweltverträglichkeit von Produktion und Konsum und in der Umwelt-Governance. Dies erfordert auch, die tradeoffs zwischen kurzfristigen Entwicklungszielen und mittel-/langfristigen Umweltzielen deutlicher anzugehen: Bis 2030 wird die Weltbevölkerung über 8 Mrd. Menschen betragen, die Nachfrage nach Nahrung wird voraussichtlich um 50% ansteigen und die nach Wasser um 30%. Wenn unter diesen Bedingungen Umweltziele vernachlässigt werden, kann die genannte Nachfrage nicht befriedigt werden, und die Armut wird sich verschärfen.

Heiko Warnken, BMZ, begrüßte diesen Konsultationsprozess und sagte, die neue Umweltstrategie komme zur richtigen Zeit, da gegenwärtig im Rahmen der Klimakonvention und der Biodiversitätskonvention neue Mittel für die Entwicklungszusammenarbeit bereitgestellt würden und auch wichtige internationale politische Prozesse stattfänden, wie die Weiterentwicklung der MDGS und die Vorbereitung der Konferenz „Rio plus 20“. Warnken unterstrich seine grundsätzliche Übereinstimmung mit den strategischen Zielen der Weltbankgruppe und mit dem an der Paris Declaration on Aid Effectiveness orientierten Ansatz, sich an Politiken, Instrumenten und Systemen der Partnerländer zu halten. Gleichzeitig merkte er an, dass die zukünftige Umweltstrategie expliziter auch auf das Konzept der green economy und die Potenziale der Süd-Süd-Kooperation und der Bezahlung von Umweltdienstleistungen (PES – payments for ecosystem services) eingehen solle. Schließlich fragte er an, welche besonderen komparativen Vorteile die Weltbankgruppe für sich sehe und ob sich die Indikatoren der Umweltstrategie an bereits existierenden Indikatorensets wichtiger Umweltkonventionen wie der CBD orientieren würden.

Stephan Paulus, gtz, ging in seinem Beitrag u.a. auf folgende Punkte ein:

  • Grenzen des Wachstums und ökologische Schulden: „Ökologische Nachhaltigkeit wird eine immer wichtigere Säule nachhaltiger Entwicklung. Und ob wir das mögen oder nicht: dies hat mit langfristigen Grenzen zu tun, nicht unbedingt für qualitatives Wachstum, aber auf jeden Fall mit Grenzen der Aufnahmefähigkeit und Tragfähigkeit von Ökosystemen. (...) Analysen des Global Footprint Network um Mathis Wackernagel zeigen, dass nicht nur die ökologischen Fußabdrücke der Industrieländer die Biokapazitäten der Erde überschreiten, sondern dass dies auch in vielen afrikanischen und asiatischen Ländern der Fall ist, so dass auch sie zu ‚ökologischen Schuldnern’ werden. Das Portfolio und die Politikberatung von Institutionen wie der Weltbank sollten sowohl die Bedeutung ökologischer Grenzen als auch ökologische Schulden widerspiegeln.“
  • Syndrom-Ansatz und Entwicklungsplanung: „So lange Entwicklungsstrategien vor allem aus einer Wachstumsperspektive gedacht werden, wird die Umwelt weiterhin nur einer von mehreren Sektoren sein, und sie werden in der Regel nur isoliert bearbeitet oder sogar vernachlässigt werden. Warum nicht unser Denken einmal ändern und über syndrombasierte Strategien nachdenken, z.B. für ‚Entwicklungsländer’, bei denen es um MDGs, livelihoods, Naturressourcenmanagement, Landnutzung und Einkommensschaffung geht; für ‚Transitions- und Minderungsländer’ mit hohen und schnell wachsenden Treibhausgasemissionen und Wirtschaftswachstum, in denen es vor allem um Investitionen in Minderung, Ressourceneffizienz, Veränderung des Energiemixes, Waldschutz, green economy und die Entkopplung von Wachstum und Emissionen geht; für ‚Anpassungsländer’ mit hohen Entwicklungsrisiken wegen der Folgen des Klimawandels, in denen es um die Absicherung gegen Klimarisiken, die Verringerung der Vulnerabilität und die Stärkung von Anpassungskapazitäten geht; für ‚Biodiversitätsländer’, in denen wichtige Ökosysteme geschützt werden müssen und für ‚Verschmutzungsländer’, in denen Urbanisierung, der Verfall der öffentlichen Infrastruktur, Luft- und Wasserverschmutzung sowie Müll die öffentliche Gesundheit gefährden“.
  • Karl Ludwig Brockmann, KfW, hob die hohen Erwartungen hervor, die an eine wirksamere Umweltstrategie der Weltbankgruppe bestehen. Gleichzeitig schlug er vor, dass sich diese Strategie explizit an einer Arbeitsteilung zwischen der Weltbankgruppe und anderen multilateralen und bilateralen Entwicklungsagenturen orientieren solle und knüpfte damit an Warnkens Frage nach den angenommenen komparativen Vorteilen der Weltbankgruppe an. Er zeigte besonderes Interesse an den Ergebnissen der Befragung der Partnerregierungen nach ihren Erwartungen an die Umweltstrategie, da diese auch für die strategische Planung der deutschen EZ relevant sein könnten. Brockmann betonte die besonderen Potenziale von Programmen zur Entwicklung des Finanzsektors, um Umweltkapazitäten in Entwicklungsländern zu stärken und bot das gesammelte Wissen des Finanzsektorteams der KfW für den Erfahrungsaustausch an. Wie Warnken auch zeigte er besonderes Interesse an der Einführung innovativer Finanzierungsinstrumente wie PES, Trust Funds für den Biodiversitätsschutz und handelbare Zertifikate für Kohlenstoffsenken.


Jürgen Maier vom Forum Umwelt und Entwicklung erinnerte daran, dass schon vor einigen Jahren öffentliche Konsultationen stattgefunden hätten, bei denen zivilgesellschaftliche Organisationen auf dieselben Schwachstellen hingewiesen hätten wie die interne Evaluierung der Weltbank, nämlich darauf, dass die Strategie und die environmental safeguards der Weltbank gut seien, aber nicht umgesetzt würden. Schlimmer noch: die Nichtbeachtung der Umweltstandards habe keine praktischen Folgen! Außerdem sei klar, dass in der Bank nach wie vor große Wissenslücken bestünden hinsichtlich der Umweltauswirkungen der eigenen Projekte. Er hoffe, dass dies in Zukunft anders werde, da es sich die Welt nicht leisten könne, weiterhin wertvolle Zeit zu verlieren. Und er richtete eine sehr konkrete Frage an die Weltbank: Warum sie denn weiterhin Projekte im Bergbau und in der Erschließung nichterneuerbarer Rohstoffe finanziere, wenn diese doch in der Regel vor allem erhebliche negative Folgen für die Umwelt und die lokalen Gemeinschaften hätten, die Korruption finanzieren und kaum positive wirtschaftliche Effekte hätten? Im Fall der Tschad-Kamerun-Pipeline hätten sich die Konflikte und die Governance-Defizite verschlimmert, trotz der Auflagen der Weltbank. Schließlich sei der Einsatz öffentlicher Mittel angesichts der hohen Rohstoffpreise in diesem Bereich nicht gerechtfertigt.

In der Debatte mit dem Publikum wurden u.a. folgende Äußerungen gemacht:

  • die Weltbank müsse sich aktiv für Umweltbelange gegenüber den Partnern einsetzen und könne hier nicht nur eine Nachfragestrategie verfolgen; sie müsse den Partnern den Nutzen von Umweltmaßnahmen / nachhaltigen Entwicklungsstrategien verdeutlichen und deutlich mehr in capacity development investieren, und zwar sowohl in Partnerländern als auch im eigenen Hause,
  • die Weltbank spiele eine wichtige Rolle bei der umweltpolitischen Standardsetzung im öffentlichen Finanzsektor und solle diese aktiver ausfüllen, auch dafür sei es wichtig, die Umsetzung ihrer eigenen Standards stärker zu beachten und non-compliance zu sanktionieren,
  • die undemokratische Governance-Struktur der Weltbank unterminiere ihre Legitimität und Glaubwürdigkeit, auch in Umweltbelangen
  • die Weltbank solle mit relevanten UN-Organisationen, insbesondere UNEP, kooperieren und die Rolle ihres Umweltengagements in Bezug auf UN-Aktivitäten klären,
  • die Weltbank müsse darauf achten, dass gleiche Wettbewerbsbedingungen für erneuerbare Energien bestehen,
  • die Weltbank solle mit ihrer Umweltstrategie auf die Auswirkungen von Handelspolitiken und von Schuldenerlassen auf die Umwelt reagieren,
  • die Weltbank solle nicht nur auf Großprojekte setzen, sondern auch erfolgreiche kleinere Projekte beachten und versuchen, diese massiv zu replizieren,
  • beim mainstreaming solle die Weltbank Vorsicht in Ländern walten lassen, in denen Umweltakteure noch sehr schwach seien; hier sei eine Strategie, die zunächst auf die Stärkung von politischen und technischen Umweltsektorkapazitäten setze, vermutlich erfolgreicher.

Die Weltbankvertreter und -vertreterinnen bedankten sich bei den Kommentatoren, dem Publikum und dem DIE für die konstruktive und kenntnisreiche Diskussion.

Programm:

10.00 Uhr    
Begrüßung Imme Scholz (DIE)

10:15 Uhr    
Vorstellung des Konzepts für die Umwelt-Strategie durch Yewande Awe (World Bank, Senior Environmental Engineer und eine der Autorinnen der Strategie)

10:45 Uhr    
Kommentare von Heiko Warnken (BMZ, Leiter des Umweltreferats), Stephan Paulus (gtz, Leiter der Abteilung Umwelt und Klima), Jürgen Maier (Forum Umwelt und Entwicklung), Karl Ludwig Brockmann Teamleiter "Umwelt und Nachhaltigkeit" KfW)

11:30 Uhr    
Diskussion mit den Teilnehmern und Teilnehmerinnen

12:45 Uhr    
Abschließende Worte von Yewande Awe und Imme Scholz


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Veranstaltungsinformation

Datum / Uhr
26.01.2010 / 11:00

Ort

Deutsches Institut für Entwicklungspolitik (DIE)

Tulpenfeld 6

53113 Bonn