Nach dem russisch-georgischen Krieg: Hat zivile Krisenprävention im Südkaukasus noch eine Chance?

Veranstaltungsart
Öffentliche Podiumsdiskussion

Ort/Datum
Bonn, 15.10.2008

Veranstalter

Deutsches Institut für Entwicklungspolitik (DIE)


Podiumsgäste:

  • Botschafter Herbert Salber, Leiter des OSZE-Konfliktverhütungszentrums, Wien
  • Jürgen Zoll, Stellv. Leiter des Referats Südkaukaus/Zentralasien im Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung
  • Oliver Reisner, Delegation der Europäischen Kommission in Georgien
  • Pamela Jawad, Hessische Stiftung Friedens- und Konfliktforschung


Moderation:
Jörn Grävingholt, Deutsches Institut für Entwicklungspolitik

Mit der gewaltsamen Eskalation der georgischen Separationskonflikte zum russisch-georgischen Fünf-Tage-Krieg im August 2008 scheinen die internationalen Bemühungen der vergangenen 15 Jahre um eine dauerhafte friedliche Konfliktlösung gescheitert zu sein. Während die weltpolitischen Folgen des neuen Auftretens Russlands Gegenstand engagierter internationaler Debatten sind, droht die eigentliche Konfliktlage im Südkaukasus in den Hintergrund zu geraten. Ungeachtet dessen muss die internationale Gemeinschaft, allen voran die Europäer, rasch eine Strategie für den zukünftigen Umgang mit den Konfliktpotenzialen dieser Region entwickeln und entsprechende Angebote unterbreiten. Dabei wird auch die Frage zur Debatte stehen, welche Instrumente ziviler Krisenprävention tatsächlich in der Lage sein können, wirksame Beiträge zur Verhinderung neuerlicher Gewalteskalationen zu leisten. Nicht zuletzt wird es erforderlich sein, aus der Erfahrung der letztlich gescheiterten Konfliktverhütung die richtigen Lehren zu ziehen.

Die Referenten waren sich einig darüber, dass die jüngsten Ereignisse im August die Folge einer längeren Eskalation waren, in deren Verlauf sich alle Seiten „nicht sehr konstruktiv“ verhalten hätten und die politischen Positionen mehr auf Konfrontation als auf Kompromiss angelegt gewesen seien. Einstimmigkeit herrschte auch darüber, dass die Klärung der Schuldfrage „nichts bringt“, sondern vielmehr nach pragmatischen Lösungen für die Zukunft gesucht werden solle. 

Gefragt nach der Rolle von Maßnahmen ziviler Krisenprävention, räumte Jürgen Zoll ein, dass die deutsche Entwicklungszusammenarbeit (EZ) im Südkaukasus „begrenzten Erfolg“ habe. Problematisch dabei sei, dass ein Instrument fehle, um mit abtrünnigen Gebieten umzugehen, und Russland mehr einbezogen werden müsse. Dies scheitere bislang daran, dass Russland selbst nicht wie ein normales EZ-Land behandelt werden wolle und auch nicht könne. Schwerpunkt der EZ sei die Förderung eines „positiven Verlaufs“ durch vertrauensbildende Maßnahmen und Anstöße für Dialog und Kooperation. Oliver Reisner wies darauf hin, dass die Europäische Kommission Rehabilitationsmaßnahmen und NROs in den Konfliktregionen unterstütze. Konfliktlösung sei aber schwierig, da die abtrünnigen Gebiete unzugänglich seien, die Status Frage nicht geklärt sei und die Europäische Nachbarschaftspolitik von politischem Dialog abhänge. Die Stabilisierung des Landes stehe für die Kommission „an vorderster Stelle“. Offen lies Reisner jedoch, ob der Fünf-Tage-Krieg bewirken werde, dass die EU-Mitgliedsstaaten in ihrer Politik gegenüber dem Südkaukasus „konzeptionell nacharbeiten“. Herbert Salber verwies zunächst auf das Angebot krisenpräventiver Maßnahmen und Mechanismen der OSZE, um dann einschränkend hinzuzufügen, „wenn die Parteien die Konfrontation wollen, dann ist nicht viel zu machen“. Pamela Jawad sah das Problem der Konfliktbearbeitung bei den vorhandenen Formaten. Außerdem riet sie, nicht nach schnellen Lösungen zu suchen, sondern Vertrauen aufzubauen und weiter Demokratisierung und Rechtstaatlichkeit zu fördern. 

Thematisiert wurde auch die Frage nach Verlieren und Gewinnern des Krieges. Reisner und Zoll sahen sowohl Russland als auch Georgien als Verlierer. Zoll nannte Südossetien den „absoluten Verlierer“, da es in keiner Weise ein „lebensfähiges Gebilde“ sei. Salber merkte an, dass die Sezessionsgebiete für Georgien „ein ganzes Stück abtrünniger geworden“ seien, während sich Russland, gemessen an seinen eigenen Maßstäben, als Gewinner fühlen könne. Dem wurde aus dem Publikum entgegnet, dass beide Regime Grund haben könnten, sich als Gewinner zu sehen. „Russland hat sich gezeigt“ und „Georgien hat internationale Aufmerksamkeit gewonnen und nur verloren, was ohnehin schon verloren war“. 

Alle Referenten äußerten klare Hoffnungen, aber keine sichere Zuversicht für eine kurzfristige positive Lösung eines der Konflikte im Südkaukasus und betonten die Notwendigkeit politischen Willens und der Dialogbereitschaft aller Konfliktparteien.


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Veranstaltungsinformation

Datum / Uhr
15.10.2008 / 19:00

Ort

Deutsches Institut für Entwicklungspolitik (DIE)

Tulpenfeld 6

53113 Bonn