Kann UN Klimapolitik noch die „Klimarealität“ beeinflussen?

Pariser Klimaabkommen braucht schnell klare Regeln und mehr Ehrgeiz

Pariser Klimaabkommen braucht schnell klare Regeln und mehr Ehrgeiz

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Horstmann, Britta / Jacopo Bencini
Die aktuelle Kolumne (2018)

Bonn: German Development Institute / Deutsches Institut für Entwicklungspolitik (DIE), (Die aktuelle Kolumne vom 26.11.2018)

Bonn, 26.11.2018. Mit dem 2015 verabschiedeten Pariser Klimaabkommen, aktuell von 184 Ländern ratifiziert, hat die UN Diplomatie erfolgreich gezeigt, dass sie die Länder im Kampf gegen den Klimawandel und seine Auswirkungen vereinen kann. In den ver-gangenen drei Jahren haben Experten intensiv an der Ausarbeitung der Richtlinien zur Umsetzung des Abkommens gearbeitet. Diese gemeinsamen Richtli-nien sollen nun auf der bevorstehenden UN Klima-konferenz verbschiedet werden, die nächste Woche im polnischen Katowice beginnt.

Die gemeinsamen Richtlinien sind wichtig für eine erfolgreiche Umsetzung des Abkommens. Sie sollen Transparenz und Vergleichbarkeit und damit eine gerechte Aufteilung der Lasten zwischen den Ländern gewährleisten. Vor allem aber sollen die Richtlinien eine Kontrolle und Einschätzung ermöglichen, ob die gemeinsamen Ziele des Pariser Abkommens von den Ländern auch erreicht werden. Das oberste Ziel ist die Reduzierung der Treibhausgasemissionen und eine Begrenzung des weltweiten Temperaturanstiegs auf deutlich unter 2°C bzw., wenn möglich, 1,5°C über dem vorindustriellen Niveau. Aber es geht nicht mehr nur um die Minderung von Emissionen. Die Chancen des Kyoto Protokolls sind längst vorbei. Aufgrund von Klimaänderungen, die nicht mehr rückgängig gemacht werden können, sieht das Abkommen auch vor, dass die Länder   Maßnahmen zur Anpassung an den Klimawandel ergreifen und darüber hinaus prü-fen, ob ihre Investitionen „Paris-kompatibel“ sind, d.h. ob sie zur Reduzierung von Emissionen sowie den Auswirkungen des Klimawandels beitragen. Wirt-schaftsstarke Länder müssen zudem nachweisen, wie sie Entwicklungsländer bei der Umsetzung des Ab-kommens unterstützen und ihre entsprechenden Finanzmittel dafür erhöhen. Bis Mitte November haben bisher 180 Länder nationale Klimapläne einge-reicht, in denen sie darlegen, wie sie diese Ziele errei-chen wollen. Die gemeinsamen Richtlinien sollen für zukünftige nationale Klimapläne gelten.

Ob diese gemeinsamen Richtlinien in Katowice verab-schiedet werden können ist unklar. Noch im Septem-ber haben Unterhändler in einer zusätzlichen und in letzter Minute anberaumten Sitzung in Bangkok ver-sucht, das Dokument weiterzuentwickeln, welches Mitte Dezember verabschiedet werden soll. Die Er-gebnisse zeigen allerdings, dass das 307 Seiten lange Dokument noch zu viele Meinungen enthält. Die Chefunterhändler zeigten sich besorgt und nannten den Fortschritt „holprig“ und „zu bestimmten The-men unzureichend“.

Sehr wichtig, aber auch umstritten sind beispielswei-se die Berichtspflichten für zukünftige nationale Klimapläne und inwieweit sie sich zwischen Industrie- und Entwicklungsländern unterscheiden können sowie die Frage, wie oft die Länder neue, möglichst ehrgeizigere Pläne einreichen müssen. Dies ist auch unter Entwicklungsländern umstritten, die ab 2020 zum ersten Mal Emissionsreduzierungsziele vorstel-len, die nach internationaler Maßgabe beurteilt wer-den. Ebenso wichtig wie strittig ist die Frage, welche Informationen und Daten die Länder verwenden kön-nen, um ihren Fortschritt im Hinblick auf die Pariser Klimaziele zu bewerten. Das Paris Abkommen sieht vor, dass die Länder ab 2023 alle fünf Jahre eine glo-bale Bestandsaufnahme durchführen, die dazu bei-tragen soll, dass die Länder ehrgeizigere nationale Klimapläne aufstellen.

Ambitionierte Klimapolitik ist allerdings bereits in den nächsten Monaten und Jahren nötig. Die Delega-tionen in Katowice werden daher zum ersten Mal offiziell im Rahmen der UN den bisherigen Erfolg ihrer Klimapolitik im Rahmen des „Talanoa-Dialogs” erör-tern. Das Dialogformat wurde als einjähriger Prozess neu konzipiert, der auch für nichtstaatliche Akteure offen war. Die Beteiligung nichtstaatlicher Akteure spiegelt deren zunehmende Bedeutung bei der Um-setzung von Klimapolitik wider. Insgesamt fanden weltweit mehr als 90 Veranstaltungen, wie beispiels-weise der Global Climate Action Summit in Kalifor-nien, in Verbindung mit dem Talanoa-Dialog statt. Die Verhandlungsführer aus Fidji und Polen äußerten die Erwartung, dass dieses neue Dialogformat „die Dynamik und Ambitionen steigern” sowie den „En-thusiasmus und die Energie” für die nationalen Klimapläne stärken kann.

Den ermutigenden Worten steht die harte „Klimarea-lität“, die des Klimawandels und der Klimapolitik gegenüber. Die bisherige Umsetzungsbilanz der UN Klimapolitik ist schwach. die globalen Emissionen wie auch die Folgen des Klimawandels und damit zu-sammenhängende Schäden und Verluste nehmen zu. Die Lösung der politischen Konflikte um die Umset-zungsregeln des Paris Abkommens steht noch aus. Laut dem Weltklimarat IPCC können wir die Tempera-turziele des Pariser Abkommens nur dann erreichen, wenn die weltweiten Emissionen deutlich vor 2030 zu sinken beginnen. Mit den aktuellen Zusagen der Län-der steuern wir eher auf eine Welt mit einem 3°C An-stieg zu. Die nächsten Monate sind daher von ent-scheidender Bedeutung, um die politischen Zusagen von 2015 auch in die Tat umzusetzen.

Wenn UN Klimapolitik die „Klimarealität“ noch posi-tiv beeinflussen will, muss sie an Geschwindigkeit zulegen. Solide globale Richtlinien für die Umsetzung des Pariser Klimaabkommens sind eine wichtige Vo-raussetzung für die Beschleunigung dieses Prozesses. Die ehrgeizigere Klimapolitik und vor allem deren Umsetzung muss von den Ländern selber kommen. Denn letzten Endes ist auch die UN nur die Summe ihrer Teile.

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