25 Jahre nach dem Ende der Apartheid

Südafrikas globale Bedeutung schwindet

Südafrikas globale Bedeutung schwindet

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Grimm, Sven
Die aktuelle Kolumne (2019)

Bonn: German Development Institute / Deutsches Institut für Entwicklungspolitik (DIE), (Die aktuelle Kolumne vom 29.04.2019)

Bonn, 29.04.2019. Am 27. April haben sich in Südafrika die ersten freien und allgemeinen Wahlen zum 25. Mal gejährt. Ähnlich wie der Fall der Berliner Mauer verkörpern sie einen globalen Epochenwechsel. Südafrikas Rolle im globalen Gefüge hat sich seither mehrfach verändert, zuletzt nicht zum Besseren. Am 8. Mai stehen wieder Parlamentswahlen an, die von der korruptionsgeschüttelten Regierungspartei zwar souverän gewonnen und dennoch schwierig werden könnten. An der schrumpfenden globalen Rolle Südafrikas werden sie allerdings kaum etwas ändern.

Die Südafrikaner gedenken jedes Jahr am 27. April – Freedom Day – dem Ende der Apartheid. Auch im globalen Gefüge kam es in dieser Zeit zu grundlegenden Veränderungen, nicht zuletzt durch einen globalen Bedeutungszuwachs einer Reihe von Staaten des Globalen Südens; darunter China, Indien und Brasilien – und eben auch Südafrika.

Südafrika als Globalisierungsgewinner…

Trotz, oder vielleicht auch wegen, globaler Veränderungen werden diese Mächte des Südens in außenpolitischen Diskussionen oftmals als „Status Quo Mächte“ bezeichnet. Ihnen wird ein Streben nach dem Erhalt der multilateralen und regelbasierten globalen Ordnung nachgesagt. Südafrika tue gut daran das Regelsysteme der globalen Ordnung zu bewahren, dass ihm und anderen Staaten des Südens den Aufstieg ermöglichte, so die Argumentation.

Südafrika liegt beispielsweise laut einer Studie der Bertelsmann Stiftung „nur“ auf Platz 35 der Globalisierungsgewinner, allerdings als erster Nicht-OECD-Staat. In der Tat sind es die Staaten, die die deutsche Entwicklungspolitik als „Globale Entwicklungspartner“ bezeichnet, die wie auch Deutschland, Europa und viele Industriestaaten, von Multilateralismus und regelbasierter Globalisierung profitieren.

Die letzten 25 Jahre haben viele Veränderungen zum Guten gebracht und Südafrika eine positive globale Rolle als möglicher Mitgestalter einer globalen Ordnung beschert. Die Aufnahme Südafrikas in die BRICS im Jahr 2013 kann als Zenit der globalen Bedeutung des Landes gesehen werden. Das Land ist vom internationalen Paria zum gesuchten Partner geworden – und hat dennoch in den letzten Jahren einen Bedeutungsverlust erfahren.

… mit massiven innenpolitischen Problemen

Die letzten Jahre der Zuma-Präsidentschaft waren verlorene Jahre für Südafrika. Das mit dem Anbruch der demokratischen Ordnung erstarkte Wirtschaftswachstum hat sich deutlich abgeschwächt. Wenn man das Bevölkerungswachstums berücksichtigt, muss man sogar von Stagnation oder Rückfall sprechen. Auch ein Strukturwandel kam nicht in Gange, von einer schnellen Transformation des Wirtschaftsmodells hin zu mehr Nachhaltigkeit ganz zu schweigen.

Tiefgreifende Veränderungen hat auch der seit 2018 amtierende Präsident Cyril Ramaphosa bisher nicht angestoßen; zu stark ist der Zwang innerhalb der Regierungspartei Einheit zu bewahren. Erst die Wahlen am 8. Mai könnten die Koalitionen innerhalb der Regierungspartei verschieben und notwendige Veränderungen ermöglichen. Die Höhe des erwarteten Ergebnisses der Regierungspartei ist hierbei entscheidender als die Tatsache der Wahlsieges an sich. Präsident Ramaphosa weiß um die Bedeutung von interner Stabilität, um notwendige Investitionen anzuziehen; zugleich bremst ihn diese Erkenntnis.

Globale Transformation mit Südafrika als Partner?

Investitionen sind insbesondere notwendig, wenn Südafrika selbst nachhaltiger beziehungsweise zukunftstauglicher werden soll. Bisher ist das Land auch in Afrika kein Vorreiter, wie die Klimapolitik als ein Beispiel für globale Diskussionen illustriert.

Südafrika ist weltweit der vierzehntgrößte CO2-Emittent und produziert pro Kopf der Bevölkerung etwa die gleiche Menge Kohlendioxid wie Deutschland (rund 10 metrische Tonnen pro Jahr) – bei deutlich größerer gesellschaftlicher Ungleichheit. Mit anderen Worten: eine kleinere Oberschicht lebt massiv über den globalen Verhältnisse. Trotz riesigem Potential in der erneuerbaren Energie, nicht zuletzt Solarstrom, decken diese weniger als acht Prozent der Energieversorgung, während Kohle nahezu 80 Prozent ausmacht. Aus Gründen der Patronage und der Korruption wurde unter Präsident Zuma neben der traditionellen Kohle vor allem die teure Atomenergie gefördert.

Der gegenwärtig zunehmend raue globale Wind bremst Südafrika zusätzlich. Bei rauerer See geraten kleinere Boote schnell ins Schlingern – und Südafrika wirkt zwischen den großen Tankern der anderen BRICS, der Europäischen Union und den USA immer kleiner. Ein verlässlicher Kompass und Stabilität an Bord wären in dieser Situation besonders wichtig; war im Präsidialamt in Pretoria in den letzten Jahren aber nicht erkennbar.

Es ist fraglich, ob das Land unter Präsident Ramaphosa an Fahrt gewinnt. Er wird nur schwerlich nach den Wahlen seine tief zerstrittene Partei geschlossen hinter sich versammeln. Auch nach den anstehenden Wahlen am 8. Mai lässt sich nach aller Voraussicht auf keine südafrikanische Renaissance hoffen: Zwar bleibt Südafrika als einziges afrikanisches G20-Land global bedeutsam, kann sich aber auf diesem Status nicht ausruhen. Es droht weiterer globaler Bedeutungsverlust.

Über den Autor

Grimm, Sven

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