Der Europäische Demokratiefonds zwischen Wunsch und Wirklichkeit: flexibel und unbürokratisch?

Der Europäische Demokratiefonds zwischen Wunsch und Wirklichkeit: flexibel und unbürokratisch?

Download PDF 1,37 MB

Leininger, Julia / Solveig Richter
Analysen und Stellungnahmen 9/2012

Bonn: German Development Institute / Deutsches Institut für Entwicklungspolitik (DIE)

Engl. Ausg. u.d.T.:

 

The European endowment for democracy between wishful thinking and reality: flexible and unbureaucratic?

 

(Briefing Paper 11/2012)

Im Juni 2012 hat die EU den Europäischen Demokratiefonds (European Endowment for Democracy, EED) gegründet. Dessen Ziel ist es, prodemokratische Akteure vorerst in den Ländern der Europäischen Nachbarschaft zu unterstützen, und zwar schnell, flexibel, unbürokratisch und risikofreudig. Wunsch und Wirklichkeit liegen allerdings noch weit auseinander: Erstens besteht die Gefahr, dass die Einbindung aller relevanten EU-Institutionen und Mitgliedstaaten in die Entscheidungsstrukturen des Fonds zu schwerfälligen Aushandlungsprozessen führt und damit
flexibles Handeln verhindert. Zweitens ist eine akteurszentrierte Demokratieförderung in komplexen Umbruchsituationen, wie der EED sie anstrebt, mit hohen Risiken behaftet. Drittens ist offen, wie die Komplementarität zu bestehenden EU-Instrumenten mit ähnlichen Aufgaben gesichert und die Fragmentierung von Fördertöpfen verhindert werden kann. Die Wirksamkeit des Fonds steht daher
in Frage.

Die Grundsatzentscheidung zu einer neuen Institution in der EU-Demokratieförderung ist gefallen – trotz laufender Reformen von anderen EU-Instrumenten, welche die Aufgaben des EED hätten übernehmen können. Damit der EED einen wirklichen Mehrwert wird bieten können, sind zahlreiche
Schlüsselfragen zu klären. Die Ausgestaltung der strategischen und operativen Entscheidungs- und Vergabeverfahren liegt in den Händen des Stiftungsrats, der sich im September 2012 voraussichtlich erstmals konstituiert. Ziel sollte es sein, dass der EED einerseits flexibel politisch agieren kann; andererseits sollte eine langfristige Fortsetzung seiner operativen Tätigkeit in einem Zielland durch
andere EU-Institutionen oder Mitgliedstaaten gewährleistet sein. Dafür sind folgende Aspekte von Bedeutung:

  • Flexibilität in den Verfahren: Um Schwerfälligkeit zu vermeiden, müsste sich der Stiftungsrat aus dem operativen Geschäft des EED zurückhalten und sich auf die strategische Ausrichtung des EED konzentrieren. Dem zukünftigen Direktor kommt eine Schlüsselrolle zu, diese Aufgabenteilung zwischen Stiftungsrat und Vorstand abzusichern.

  • Unterstützung statt Kontrolle: Die Mitgliedstaaten sollten entweder den EED stärker mit freiwilligen Beiträgen ausstatten oder aber ihre Stimmrechte im Stiftungsrat ruhen lassen. Je größer der finanzielle Handlungsspielraum und der politischen Rückhalt des EED, desto flexibler und risikoreicher kann er agieren.
  • Kontextsensibilität: Der EED kann gegenüber dem EIDHR (European Instrument for Democracy and Human Rights) und der EU-Fazilität für Zivilgesellschaft einen Mehrwert schaffen, wenn er in einem Zielland eng mit erfahrenen nichtstaatlichen Demokratieförderern zusammenarbeitet und mit diesen gemeinsam Defizite in der Förderung identifiziert. So kann auch eine Komplementarität mitanderen Demokratieförderern gesichert werden.
  • Langfristige Förderung: Die Etablierung des EED sollte nicht dazu führen, dass sich EU-Mittel zugunsten von akteurszentrierten Maßnahmen und zu Lasten einer strukturell und institutionell ausgerichteten Politik verschieben. Die Wirkung des EED kann verpuffen, wenn eine klare politische Strategie fehlt. Daher sollten von Beginn an Möglichkeiten für eine langfristige Anschlussförderungausgelotet werden. Dies kann nur durch eine Verzahnung des EED mit bestehenden EU-Instrumentenoder anderen Gebern gelingen.
  • Reform des EIDHR: Die bereits begonnene Reform des Europäischen Instruments für Demokratie und Menschenrechte (EIDHR) sollte fortgeführt werden. Schließlich sind dessen Defizite nicht einfach durch die Gründung einer neuen Institution beseitigt.

Über die Autorin

Leininger, Julia

Politikwissenschaftlerin

Leininger

Weitere Expert*innen zu diesem Thema

Baumann, Max-Otto

Politikwissenschaft 

Baydag, Melis

Politikwissenschaft 

Berger, Axel

Politikwissenschaft 

Bergmann, Julian

Politikwissenschaft 

Breuer, Anita

Politikwissenschaftlerin 

Dang, Vy

Politikwissenschaft 

El-Haddad, Amirah

Ökonomie 

Erforth, Benedikt

Politikwissenschaft 

Fasold, Maximilian

Politische Ökonomie 

Fiedler, Charlotte

Politikwissenschaftlerin 

Friesen, Ina

Politikwissenschaft 

Gitt, Florian

Ökonomie 

Goedeking, Nicholas

Vergleichende politische Ökonomie 

Gutheil, Lena

Ethnologie 

Hackenesch, Christine

Politikwissenschaft 

Haldenwang, Christian von

Politikwissenschaftler 

Haug, Sebastian

Politikwissenschaft 

Herrfahrdt-Pähle, Elke

Volkswirtin 

Hilbrich, Sören

Ökonomie 

Houdret, Annabelle

Politikwissenschaftlerin 

Inacio da Cunha, Marcelo

Wirtschaftswissenschaften, Geographie 

Janus, Heiner

Politikwissenschaft 

Kachelmann, Matthias

Politikwissenschaft 

Keijzer, Niels

Sozialwissenschaft 

Koch, Svea

Sozialwissenschaft 

Li, Hangwei

Politikwissenschaft 

Lorch, Jasmin

Politikwissenschaft 

Löpelt, Sarah

Internationale Beziehungen und Nachhaltigkeitspolitik 

Morare, Ditebogo Modiegi

Politikwissenschaften 

Mross, Karina

Politikwissenschaftlerin 

Novoselova, Anna

Politikwissenschaften 

Nowack, Daniel

Politikwissenschaftler 

Olekseyuk, Zoryana

Ökonomie 

Roll, Michael

Soziologie 

Schoderer, Mirja

Umweltwissenschaft 

Stewart, Benjamin

Sozialwissenschaft 

von Haaren, Paula

Entwicklungsökonomie 

Wehrmann, Dorothea

Soziologie 

Wingens, Christopher

Politikwissenschaftler