Busan und die „neuen Akteure“: der steinige Weg zu einem gemeinsamen Verständnis von wirksamer Entwicklungspolitik

Busan und die „neuen Akteure“: der steinige Weg zu einem gemeinsamen Verständnis von wirksamer Entwicklungspolitik

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Hackenesch, Christine / Sven Grimm
Die aktuelle Kolumne (2011)

Bonn: German Development Institute / Deutsches Institut für Entwicklungspolitik (DIE) (Die aktuelle Kolumne vom 17.10.2011)

Bonn, Stellenbosch 17.10.2011. Die Kooperation von Schwellenländern wie China, Indien oder Brasilien mit anderen Entwicklungsländern ist einer der zentralen Diskussionspunkte auf der Tagesordnung von Busan. Investitionen, Handel und Entwicklungshilfe von Schwellenländern an andere Entwicklungsländer haben eine rapide wachsende Bedeutung für internationale Entwicklung. Diese Veränderungen der internationalen Kooperation sind in den Schlüsseldokumenten der vergangenen High Level-Foren jedoch bisher kaum erfasst: die Paris-Erklärung von 2005 stand noch im Zeichen der Nord-Süd-Kluft; in Accra 2008 wurde die Agenda nur geringfügig um schwache Aussagen zur Süd-Süd-Kooperation erweitert (Art. 19). Die Agenda muss nun von der Wirksamkeit der Entwicklungshilfe (aid effectiveness) zur Wirksamkeit der Entwicklungspolitik in den Zielländern (development effectiveness) erweitert werden, um alle Akteure einzubeziehen.

Mit Südkorea als Gastgeberland bieten sich besondere Chancen, traditionelle und nichttraditionelle Akteure zusammenzubringen. Als jüngstes Mitglied des Entwicklungsausschusses der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD / DAC) war es in seiner Entwicklung stark von externer Entwicklungsfinanzierung abhängig und ist daher ein geeigneter Ort, um über eine neue, breitere „development effectiveness“-Agenda zu diskutieren.

Veränderungen durch Süd-Süd-Kooperation erfordern eine neue „development effectiveness“-Agenda
Traditionelle und nichttraditionelle Akteure stehen vor einer doppelten Herausforderung. Insbesondere traditionelle Geber müssen ihre Bemühungen intensivieren, die Erklärung von Paris in die Praxis umzusetzen, um Entwicklungszusammenarbeit effektiver zu gestalten. Die bisherigen Ergebnisse des Paris-Prozesses sind ernüchternd. Traditionelle Geber stehen in der Verantwortung, ihre Zusagen einzuhalten und die Wirksamkeit ihrer Entwicklungszusammenarbeit (EZ) zu verbessern, nicht zuletzt, da eine Reihe von Ländern auf absehbare Zeit von Entwicklungshilfe abhängig sein werden. Mit Blick auf die absoluten Zahlen zur Entwicklungshilfe sind die „neuen“ Akteure dabei nicht das zentrale Problem. Zwar haben nichttraditionelle Geber die Paris-Erklärung bisher nicht als Basis für ihre eigene Kooperation mit anderen Entwicklungsländern akzeptiert. Allerdings ist der Umfang der Entwicklungshilfe von neuen Gebern im Vergleich zu traditionellen Gebern noch immer eher gering.

Seitens der nichttraditionellen Geber sind andere Formen von Entwicklungsfinanzierung wie beispielsweise Investitionen oder günstige Kredite sehr viel umfangreicher als Entwicklungshilfe. Schwellenländer bieten Hilfe nicht als separates Politikfeld an, sondern eng verknüpft als Gesamtpaket mit Investitionen, Handel und Krediten an Entwicklungsländer. Diese Paketlösungen mögen mit Blick auf die Entwicklungsergebnisse ein gutes oder schlechtes Instrument der Kooperation sein – hier sollten keine voreiligen Schlüsse gezogen werden.

Grundsätzlich problematisch ist jedoch die geringe Transparenz des Umfangs von Entwicklungsfinanzierung von neuen Akteuren. Länder wie China und Indien veröffentlichen bisher keine länderspezifischen Daten, beispielsweise über ihre konzessionellen und nichtkonzessionellen Kredite. Dies erschwert insbesondere den Parlamenten oder zivilgesellschaftlichen Akteuren in den Partnerländern, die entwicklungspolitischen Effekte dieser Gelder zu bewerten. Wir brauchen daher mehr Transparenz, um dann die Entwicklungswirkung der „Pakete“ insgesamt bewerten zu können.

Empfängerstaaten müssen daher zusammen mit neuen und alten Entwicklungspartnern eine neue Agenda erarbeiten, die über Normen und Standards für Entwicklungshilfe hinausgeht und andere Formen von Entwicklungsfinanzierung mit einbezieht – etwa nichtkonzessionelle Kredite, Direktinvestitionen oder Handelsregeln.

Was können wir vom Busan-Gipfel erwarten?
Das High Level Forum hat einerseits den Vorteil, dass es auf institutionalisierte Prozesse und Erfahrungen aus der Bewertung von Rom, Paris und Accra zurückgreifen kann. Zugleich hat es den Nachteil, dass es durch die zentrale Rolle des OECD / DAC insbesondere von den Schwellenländern nach wie vor primär als „Club“ traditioneller Geber gesehen wird. Aus der Sicht vieler Schwellenländer hätten andere internationale Foren mehr Legitimität, gemeinsame Normen und Standards für internationale Kooperation zu erarbeiten, nicht zuletzt das Entwicklungsforum der Vereinten Nationen (UNDCF). Innerhalb der Vereinten Nationen sind jedoch aufgrund des Konsensprinzips langwierige Prozesse kaum vermeidbar.

Seit der Accra-Konferenz 2008 hat eine Annäherung zwischen traditionellen und neuen Akteuren auf verschiedenen Ebenen stattgefunden. So haben sich einige neue Akteure wie Brasilien in trilateraler Kooperation beispielsweise mit der Europäischen Union und afrikanischen Ländern engagiert. China hat zusammen mit Vertretern aus afrikanischen Ländern und Mitgliedern des OECD / DAC in einer China DAC Study Group Lehren aus Chinas Entwicklung und Implikationen für Afrika diskutiert. Nationale Diskussionen der neuen Akteure zeigen, dass es eine Annäherung auch bei der Definition von Entwicklungshilfe gibt. Beispielsweise hat China kürzlich ein Weißbuch zur Entwicklungszusammenarbeit veröffentlicht, das in der Definition von Entwicklungshilfe eine Annäherung an die EZ-Definition traditioneller Geber darstellt.

Gleichzeitig haben Staaten wie China weiterhin eher Anreize, sich von traditionellen Gebern unterscheiden zu wollen, anstatt sich auf die volle Umsetzung der Paris Agenda zu verpflichten. China und andere neue Akteure sehen sich nach wie vor in einer Doppelrolle als Entwicklungsland und Kooperationspartner für andere Entwicklungsländer, wodurch sich aus Sicht der neuen Akteure unterschiedliche Verantwortlichkeiten ergeben. Für viele Entwicklungsländer sind Schwellenländern außerdem alternative Partner zu traditionellen Gebern; Schwellenländer haben wenig Interesse daran, diesen politisch günstigen Status zu ändern. Und letztlich haben traditionelle Geber bisher noch kein überzeugendes Beispiel für die Nützlichkeit der Paris-Prinzipien geboten; ihre Bilanz in der Umsetzung der hehren Ziele ist gemischt.

Vor diesem durchwachsenen Hintergrund kann Busan nur ein Meilenstein in einer neuen, globalen „Wirksamkeitsdebatte“ sein. Die Akteure sollten sich in Busan bei der Entwicklung einer neuen Wirksamkeitsagenda auf wenige Kernprinzipien begrenzen. Eine mögliche Grundlage ist die Erklärung der G20 auf ihrem Gipfel 2010 in Seoul zu generellen Prinzipien für Entwicklungspartnerschaften; auf diese Grundlage kann aufgebaut werden. Dabei ist die Verbesserung von Transparenz und Rechenschaftspflicht gegenüber Akteuren in Entwicklungsländern zentral für den Erfolg einer breiteren Wirksamkeitsagenda „jenseits von Hilfe“ (beyond aid).

Über die Autorin

Hackenesch, Christine

Politikwissenschaft

Hackenesch

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