Deutschlands globale Ambition braucht eine europäische Dimension

Deutschlands globale Ambition braucht eine europäische Dimension

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Furness, Mark / Svea Koch
Die aktuelle Kolumne (2014)

Bonn: German Development Insitute / Deutsches Institut für Entwicklungspolitik (DIE) (Die aktuelle Kolumne, 12.02.2014)

Bonn, 12.02.2014. Das Streben der neuen Bundesregierung nach mehr globaler Präsenz ist zu begrüßen. Deutschland sei zu groß für Europa und zu klein für die Welt, so formulierte es einst der in Deutschland geborene ehemalige US-Außenminister Henry Kissinger. Deutschland muss seine globale Ambition daher durch die Europäische Union (EU) verwirklichen.

Auf der jüngsten Münchner Sicherheitskonferenz machten Bundespräsident Gauck, Außenminister Steinmeier und Verteidigungsministerin von der Leyen in ihren Reden deutlich: Ein weltpolitisch zögerliches Deutschland ist Geschichte. Wo von der Leyen in Gleichgültigkeit keine Option mehr sieht, sollte Deutschland, so Steinmeier, als wirtschaftlich stärkstes Land Europas einen größeren Beitrag zu gemeinsamen europäischen Maßnahmen leisten.

Die politische Führung Deutschlands hat recht: 100 Jahre nach dem Ersten Weltkrieg braucht das Land eine aktivere Außenpolitik. Aber was heißt das? Erstens sollte sich Deutschland beim Ausbau seiner Fähigkeiten auf Krisenprävention, Friedenskonsolidierung und Konfliktlösung konzentrieren. Außerdem sollte es Europa als Vehikel für seine globalen Ambitionen nutzen und dabei die EU als internationalen Akteur stärken.

Eine globale Friedenskonsolidierungsstrategie
Der globale Anspruch Deutschlands muss mit Inhalten gefüllt werden. Wünschenswert wäre, dass sich die Bundesregierung stärker in der internationalen Friedenskonsolidierung und Konfliktlösung engagiert. Außer im Kosovo hat Deutschland bei der Friedenskonsolidierung in jüngerer Zeit keine herausragende politische Rolle gespielt. Da die meisten Konflikte eine entschiedene, aber kampflose internationale Antwort fordern, sollte Deutschland seine Bereitschaft zeigen, an zivilen und militärischen Maßnahmen ohne Kampfeinsatz mitzuwirken. Friedenskonsolidierung ist komplex, und verlangt politisches Engagement und den Einsatz vieler Instrumente. Manches macht Deutschland sehr gut: die Finanzierung von Nothilfeorganisationen, die Ausbildung von Polizeikräften, den Bau von Infrastruktur und technische Unterstützung in kritischen Bereichen wie Gesundheits- und Sanitärversorgung. Doch die Bundesregierung braucht eine politische Strategie, um ihre Möglichkeiten der Verteidigung und zivilen Krisenbewältigung, ihre humanitäre Hilfe und Entwicklungszusammenarbeit, die Diplomaten von Bundeskanzleramt und Außenministerium und die Zivilgesellschaft in einem "whole of government"-Ansatz zu bündeln und aufeinander abzustimmen.

Leider lässt sich nicht immer verhindern, dass Konflikte gewaltsam werden. Auch wenn Deutschland seinen Fokus darauf legen sollte, Friedenskonsolidierung mit zivilen Mitteln und ohne Kampfeinsätze zu unterstützen, muss das deutsche Militär im Ernstfall einsatzbereit sein. Das heißt auch, dass Deutschland enger mit den europäischen Partnern, vor allem mit Großbritannien und Frankreich, unter dem Dach der NATO zusammenarbeiten muss - für den seltenen Fall, dass die Staatengemeinschaft eine legitimierte militärische Intervention beschließt. Die Zusammenarbeit Europas in Verteidigungsfragen ist chaotisch, und ein verstärktes deutsches Engagement könnte helfen diese zu verbessern, auch wenn eine europäische Armee unrealistisch ist.

Deutschland braucht Europa und die EU eine aktive deutsche Außenpolitik
Die Bundesregierung muss überdies schauen, auf welchen Wegen sie am besten Einfluss nehmen kann. Mehr tun könnte Deutschland etwa im Rahmen der Vereinten Nationen, wo eine aktivere Friedens- und Außenpolitik helfen könnte, das Ansehen im Sicherheitsrat wiederherzustellen. Doch Deutschlands mächtigster Hebel ist die EU mit ihrer Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik (GASP) und der Gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik (GSVP). Deutschland ist das wirtschaftlich und politisch stärkste EU-Mitglied, und es sollte mehr in die Stärkung der EU-Diplomatie investieren, vor allem mit Blick auf Syrien und die Ukraine. Sogar auf einen deutschen Hohen Vertreter der Union könnte es hinwirken, falls Martin Schulz nicht Kommissionspräsident wird. Deutschland sollte sich für die Stärkung der GSVP einsetzen, indem es Ressourcen für ihre Missionen bereitstellt. Es gibt keinen Grund zu warten: In der Zentralafrikanischen Republik wären deutsche Truppen, Hardware und Entwicklungszusammenarbeit willkommen. Auch auf einen wirksamen Beitrag der Union zu einer internationalen Antwort auf die Tragödie im Südsudan könnte Deutschland drängen. Und es sollte mehr politische, finanzielle und technische Ressourcen zum umfassenden Ansatz der EU im Bereich der Krisenreaktion beisteuern. Damit würde Deutschland die Fähigkeiten und Grenzen der EU definieren helfen und ihr globales Profil schärfen.

Zu hoffen bleibt, dass sich die ambitionierten Münchner Reden nicht als Floskeln erweisen, wie sie viele Politiker am Beginn ihrer Amtszeit hören lassen. Ein engagierter deutscher Beitrag zu einem globalen Europa, dessen Fokus auf Friedenskonsolidierung, Konfliktlösung und Entwicklung liegt, könnte eine mächtige Kraft zum Wohl der Welt sein.

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Furness, Mark

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