Die Kommission für Nachhaltige Entwicklung – Ein weiterer UN-Prozess ohne Bedeutung?

Die Kommission für Nachhaltige Entwicklung – Ein weiterer UN-Prozess ohne Bedeutung?

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Cabré, Miquel Munoz; Bernd Sommer
Die aktuelle Kolumne (2010)

Bonn: German Development Institute / Deutsches Institut für Entwicklungspolitik (DIE) (Die aktuelle Kolumne vom 25.05.2010)

Bonn, New York City, 25.05.2010. Weitgehend ignoriert von der Öffentlichkeit tagte vom 3. - 14. Mai 2010 zum 18. Mal die UN-Kommission für Nachhaltige Entwicklung (Commission on Sustainable Development - CSD) im UN-Hauptquartier in New York. Da in den vergangenen Jahren die Medien zunehmend das Interesse an der Arbeit der CSD verloren haben, soll an dieser Stelle einigen grundlegenden Fragen zur UN-Nachhaltigkeitskommission nachgegangen werden: Was genau ist die Kommission für Nachhaltige Entwicklung? Was waren die Themen der aktuellen 18. Sitzung? Wieso ist Medien und Öffentlichkeit das Interesse an der CSD abhanden gekommen, und wie ist es um die Zukunft der Kommission bestellt?

Die Kommission für nachhaltige Entwicklung wurde im Jahr 1992 gegründet – also im Jahr des als Meilenstein geltenden „Erdgipfels“ in Rio de Janeiro, auf welchem u. a. die Rio-Erklärung über Umwelt und Entwicklung (Rio Declaration on Environment and Development), die Rio-Konventionen (zu Klimaschutz, Artenschutz und Wüstenbildung) sowie die Agenda 21 verabschiedet worden sind. Bereits auf dem Rio-Gipfel wurde die Einrichtung einer Nachhaltigkeitskommission gefordert, welche sich um die Folgeprozesse des Gipfels sowie die Implementierung der Agenda 21 auf lokaler, nationaler und internationaler Ebene kümmern sollte. Die Gründung der CSD wurde später im Jahr durch die UN-Generalversammlung vollzogen und sie traf sich seither jährlich – im Jahr 2010 also zum 18. Mal.

Für ihre diesjährige Zusammenkunft hatte sich die Kommission vier Schwerpunktthemen gesetzt: Bergbau, Transport, Chemikalien sowie nachhaltige Konsum- und Produktionsmuster. Die Beschäftigung mit dem Thema „nachhaltige Konsumption und Produktion“ nahm in den Diskussionen zu Recht einen zentralen Stellenwert ein, da es die für eine Nachhaltige Entwicklung zentralen Wechselwirkungen zwischen Ökonomie, natürlicher Umwelt und sozialen Werten adressiert.

Jedoch wurde unter dem Schlagwort „Nachhaltige Konsum- und Produktionsmuster“ von den unterschiedlichen Teilnehmern eine solche Bandbreite von unterschiedlichen Themen diskutiert, dass die Debatten nur selten produktiv verliefen oder zu Ergebnissen führten: Während OECD-Staaten die Notwendigkeit eines Lebensstilwandels (und die Möglichkeiten wie dieser erreicht werden kann) erörterten, bezogen sich Israel oder Saudi Arabien auf ihre Erfahrungen bei der nachhaltigen Wassernutzung, und wieder andere Staaten diskutieren die Einführung nachhaltiger Konsum- und Produktionsmuster im Kontext von Armutsbekämpfung und der Erreichung ihrer allgemeinen Entwicklungsziele. Nur bezüglich von Labelling-Programmen trafen sich die Diskussionen: Während die Länder des „Nordens“ die Etablierung von Umwelt- oder Nachhaltigkeitslabels als unterstützende Maßnahme zur Einführung nachhaltiger Konsum- und Produktionsmuster diskutieren, sahen die Länder des globalen „Südens“ damit die Gefahr eines „grünen Protektionismus“ verknüpft.

Neben den vier Schwerpunkten, die offiziell auf der Agenda für CSD 18 standen, nahm insbesondere das Thema „Klimawandel“ großen Raum in den Debatten – insbesondere bei Erörterung von Fragen des Transports und nachhaltiger Konsum- und Produktionsmuster – ein. Zusätzlich informierten Karsten Sach, Ministerialdirigent für Internationale Zusammenarbeit im Bundesumweltministerium, und Heller Rouassant, Mexikos Botschafter bei den Vereinten Nationen, über den „Petersberger Klimadialog“, der Anfang Mai nahe Bonn stattfand, sowie Evo Morales über die Ergebnisse des Alternativen Klimagipfels „Weltkonferenz der Völker über Klimawandel und die Rechte der Mutter Erde“ in Cochabamba, Bolivien.

Hiermit ist auch bereits einer der Gründe benannt, wieso die Treffen der UN-Nachhaltigkeitskommission kaum noch öffentliche Aufmerksamkeit findet: Während das Klimathema in den vergangenen Jahren ganz oben auf der politischen Agenda stand, sind andere Umweltfragen und Aspekte der nachhaltigen Entwicklung in den Hintergrund geraten. Weitere Gründe haben mit der CSD selbst zu tun: Während die Kommission für Nachhaltige Entwicklung zunächst mit dem symbolischen Kapital des erfolgreichen Rio-Gipfels ausgestattet war und ihren Status auch nach der weitgehend ergebnislosen Johannesburg-Konferenz für Nachhaltige Entwicklung (2002) erhalten konnte, hat sie in den folgenden Jahren deutlich an politischer Statur, Einfluss und letztlich auch an Ambitionen verloren.

Insbesondere mit der Festschreibung von zweijährigen Implementierungszyklen für 14 (!) Jahre hat sie sich fast jeglicher Flexibilität beraubt, auf aktuelle und relevante Themen zu reagieren. Zudem ist auftragsgemäß weniger die Etablierung eines Regelwerks Ziel der Kommission, als die Überprüfung der Implementierung von beschlossenen Maßnahmen und die Formulierung von Leitplanken. Darin kann auch ein Chance bestehen, doch hat die UN-Kommission für Nachhaltige Entwicklung es in der Vergangenheit zu oft versäumt (insbesondere während CSD 15 im Jahr 2007 zu den Themen „Klimawandel“ und „Energie“), die notwendigen Schlussfolgerungen zu ziehen. Daher stellen Viele – wie die Anzahl der abwesenden Minister sowie das fehlende Interesse der Medien belegen – heute nicht ganz zu Unrecht die Relevanz der Kommission in Frage.

Wie ist es somit um die Zukunft der Kommission für Nachhaltige Entwicklung bestellt? Die Sitzung Anfang Mai fand bezeichnenderweise in einem Übergangsgebäude der UN statt, da die Nutzung des Hauptgebäudes gerade durch großangelegte Renovierungsarbeiten eingeschränkt ist. Die Analogie könnte besser nicht sein. Die Nachhaltigkeitskommission der Vereinten Nationen muss ebenfalls substantiell erneuert werden, wenn sie nicht in der Bedeutungslosigkeit verschwinden soll. Die Gelegenheit hierfür stellt die im Jahr 2012 in Rio de Janeiro stattfindende UN-Konferenz für Nachhaltige Entwicklung dar, die in Anlehnung an den erfolgreichen „Erdgipfel“ 1992 „Rio+20“ heißt. Die Hauptthemen des Rio+20-Gipfels werden das gerade vielerorts populäre Konzept der Green Economy sowie die Reform des institutionellen Rahmenwerks für Nachhaltige Entwicklung sein. In diesem Zusammenhang sind bereits heute Stimmen zu vernehmen, die sich für einen „Upgrade“ der CSD aussprechen. Daher wird sich im Rahmen der Rio+20-Verhandlungen auch entscheiden, ob die UN-Kommission für Nachhaltige Entwicklung von den Staaten mit neuem Einfluss versehen wird, oder weiter an Bedeutung verliert – wie bereits so viele UN-Prozesse vor ihr.

Dr. Miquel Muñoz Cabré ist Postdoctoral Fellow am Pardee Center for the Study of the Longer-range Future der Boston University

Bernd Sommer ist Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Kulturwissenschaftliches Institut Essen (KWI) und Research Analyst des Wissenschaftlichen Beirats der Bundesregierung Globale Umweltveränderungen – (WBGU)

Von Dr. Miquel Muñoz Cabré, Boston University's Pardee Center for the Study of the Longer-range Future und Bernd Sommer, Kulturwissenschaftliches Institut Essen (KWI).

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