Die Renaissance der Entwicklungsbanken

Die Renaissance der Entwicklungsbanken

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Wolff, Peter
Die aktuelle Kolumne (2013)

Bonn: German Development Institute / Deutsches Institut für Entwicklungspolitik (DIE) (Die aktuelle Kolumne vom 04.02.2013)

Bonn, 04.02.2013. Wenn sich im März 2013 in Durban/Südafrika die BRICS-Länder (Brasilien, Russland, Indien, China, Südafrika) zu ihrem nächsten Gipfel treffen, werden sie eine BRICS-Bank aus der Taufe heben. Das soll keine Bank wie jede andere sein, die nach kommerziellem Kalkül private oder staatliche Vorhaben finanziert, sondern eine Entwicklungsbank, also eine Bank, die langfristiges Kapital für Projekte bereitstellt, deren Risiken von anderen Banken, vor allem von privaten Banken, als zu hoch eingeschätzt werden.

Man kann gespannt sein, wie das Geschäftsmodell der BRICS-Bank aussehen wird und wie sie sich von anderen internationalen Entwicklungsbanken, etwa der Weltbank und den regionalen Entwicklungsbanken – an denen die BRICS-Länder ja auch beteiligt sind – unterscheiden wird. Die BRICS-Länder werden wahrscheinlich zu gleichen Teilen das Eigenkapital für die Bank aufbringen und die Bank paritätisch lenken. Aber wie wird sie sich das Kapital für die Investitionsprojekte beschaffen? Keines der Länder hat ein Rating auf den internationalen Kapitalmärkten, das eine günstige Refinanzierung erlauben würde, wie es die Weltbank oder die regionalen Entwicklungsbanken angesichts des guten Länder-Ratings ihrer großen Anteilseigner aus den OECD-Ländern haben. Nur China kann sich entsprechend günstig finanzieren, auch mittels seiner gewaltigen Devisenreserven. Aber das wird die Finanzschwäche der anderen BRICS-Länder nicht ausgleichen können.

Die BRICS-Bank wird sich also teurer refinanzieren als die Weltbank und muss dann auch Kredite teurer ausleihen. Oder werden die BRICS-Länder bereit sein, sie dauerhaft zu subventionieren? Wird sie wie die anderen internationalen Entwicklungsbanken Staatsgarantien für ihre Kredite von den Regierungen der Entwicklungsländer verlangen und damit deren Verschuldung erhöhen? Und welche Standards wird sie an die Projekte anlegen? Die Schwellenländer haben immer wieder gegen die Verschärfung der Sozial- und Umweltstandards und gegen die umständlichen Prüfverfahren von Weltbank und regionalen Entwicklungsbanken argumentiert, konnten sich aber gegen die Mehrheitseigner aus den OECD-Ländern nicht durchsetzen. Jetzt haben sie die Freiheit, eigene Standards zu setzen und bei Investitionsprojekten in Entwicklungsländern flexibler zu agieren und auf lästige Auflagen zu verzichten. Wird das im Wettbewerb der Entwicklungsbanken zu einer Aufweichung der über viele Jahre Schritt für Schritt eingeführten Sozial- und Umweltstandards führen?

Wie auch immer das Geschäftsmodell der BRICS-Bank aussehen wird: Dass sie gegründet wird ist nicht nur Ausdruck des Wunsches nach politischer Eigenständigkeit der großen Schwellenländer, die nicht weiter die zweite Geige in der Weltbank und den regionalen Entwicklungsbanken spielen wollen. Es ist auch der Tatsache geschuldet, dass es nach der internationalen Finanzkrise zu wenig „geduldiges Kapital“ gibt, mit dem der große Investitionsbedarf der Entwicklungs- und Schwellenländer gedeckt werden kann. Es gibt zwar eine gewaltige internationale Liquidität, die nach profitablen und sicheren Anlagemöglichkeiten sucht. Aber das schwer angeschlagene Bankensystem in den Industrieländern ist risikoscheu und hat jetzt einen kürzeren Planungshorizont als vor der Krise. Die Abschreibung der gewaltigen Fehlinvestitionen in den Bilanzen der europäischen Banken zwingt sie zur Verringerung ihrer Ausleihungen und veranlasst sie zum Rückzug aus internationalen Geschäften. Die höheren Eigenkapitalanforderungen der verschärften Bankenregulierung wirken in die gleiche Richtung. Vor allem die Finanzierung von Infrastrukturprojekten, die eine langfristige Kapitalbindung erfordert, ist nach der Krise schwieriger geworden. Aber auch private Unternehmen haben größere Schwierigkeiten, langfristiges Kapital zu bekommen.

Auf der anderen Seite gibt es nach der massiven Verschlechterung der Verschuldungsfähigkeit vieler Industrieländer immer weniger sichere und zugleich profitable Anlagemöglichkeiten. Das risikoscheue Kapital von institutionellen Investoren wie auch von den Staatsfonds der Kapitalüberschuss-Länder, nicht zuletzt aus China, bevorzugt sichere Anlagen in den USA und Europa. Viel Kapital fließt in die Schwellenländer, aber häufig handelt es sich um kurzfristiges Kapital, welches auch rasch wieder abgezogen werden kann. Brasilien und andere Schwellenländer wehren sich gegen diese Kapitalzuflüsse, weil sie die Aktien- und Immobilienpreise und die Wechselkurse der jeweiligen Landeswährungen nach oben treiben und damit mehr Schaden als Nutzen stiften. Sie finanzieren ihre langfristigen Investitionen zunehmend mithilfe ihrer nationalen Entwicklungsbanken. Die brasilianische BNDES und die südafrikanische DBSA gehören zu den besten Entwicklungsbanken weltweit. Wie die China Development Bank orientieren sie sich zunehmend international und finanzieren auch Projekte in Entwicklungsländern. Wahrscheinlich werden diese Banken auch die fachliche und finanzielle Basis der BRICS-Bank bilden.

Staatliche Entwicklungsbanken hatten nicht immer diesen guten Ruf. Vor allem die staatlichen Banken in vielen Entwicklungsländern galten lange Zeit als gescheitertes Modell. Viele davon wurden in den 1990er Jahren wieder geschlossen. Die meisten von ihnen waren dauerhafte Subventionsempfänger, wurden politisch geführt wie die deutschen Landesbanken und erfüllten nicht ihre Aufgabe, nachhaltige Investitionen zu finanzieren. Länder, die den wirtschaftspolitischen Empfehlungen der liberalen Mainstream-Ökonomie folgten, bauten deshalb auf die Entwicklung des privaten Finanzsektors. Diese Strategie wurde nicht zuletzt in Europa wieder geändert: Die Europäische Investitionsbank hat ihre Ausleihungen nach der Finanzkrise massiv ausgeweitet und wird verstärkt in den südeuropäischen Krisenländern langfristige Kredite vergeben. Frankreich und Großbritannien haben die Absicht geäußert, eine staatliche Entwicklungsbank nach dem Muster der deutschen KfW gründen zu wollen, die aus der Finanzierung langfristiger Investitionen – in den letzten Jahren zunehmend auch „grüner“ Investitionen – in Deutschland nicht wegzudenken ist.

Es gibt keinen Zweifel daran, dass in Industrie- wie Entwicklungsländern der Finanzierungsbedarf für Investitionen in nachhaltiges Wachstum und in die „grüne Transformation“ immens ist. Das Kernproblem aller Entwicklungsbanken besteht allerdings in der Identifizierung geeigneter Projekte. Je ärmer oder fragiler die Länder sind, in denen investiert werden soll, desto schwieriger ist es, Projekte zu finden oder zu entwickeln, die einen kostendeckenden Ertrag erwirtschaften. Bei Energie-, Wasser- oder Verkehrsprojekten müssen oft dauerhafte Subventionen einkalkuliert werden, wenn die Erträge die Kosten nicht decken. Hier werden neue Instrumente entwickelt werden müssen, wie durch Zuschüsse von Industrieländern oder aus globalen Fonds wie dem neuen Klimafonds derartige Ertragslücken geschlossen werden können, um Projekte, die niemals kommerziell finanziert werden können, wenigstens für Entwicklungsbanken „bankfähig“ zu machen. Wenn die BRICS-Bank hierzu einen Beitrag leisten kann, wäre sie ein Gewinn.

Über den Autor

Wolff, Peter

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