Eine neue Führungsspitze für den IWF

Eine neue Führungsspitze für den IWF

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Volz, Ulrich
Die aktuelle Kolumne (2011)

Bonn: German Development Institute / Deutsches Institut für Entwicklungspolitik (DIE) (Die aktuelle Kolumne vom 19.05.2011)

Bonn, 19.05.2011. Der Internationale Währungsfonds (IWF) braucht eine neue Führungsspitze. Nach dem Rücktritt des in Untersuchungshaft sitzenden IWF-Direktors Dominique Strauss-Kahn muss das IWF-Exekutivdirektorium zum vierten Mal seit 2000 einen neuen Geschäftsführenden Direktor wählen. Überdies muss sich der IWF nach einem Ersatz für John Lipsky umsehen, den ersten stellvertretenden Direktor und die Nummer zwei des Fonds: Lipsky hatte zwei Tage vor Strauss-Kahns Verhaftung bekannt gegeben, dass er keine zweite Amtszeit anstrebe, wenn die jetzige am 31. August endet.

Traditionell ist die Ernennung eines Kandidaten für den IWF-Chefposten eine europäische Angelegenheit: Nach informeller Absprache stand bisher immer ein Europäer an der Spitze des IWF, während die US-Regierung den Weltbank-Präsidenten und den ersten stellvertretenden Direktor des IWF bestimmte. Dieses Auswahlverfahren, das Nationalität und Fondsanteile über Qualifikation stellt, war den anderen Mitgliedsländern des Fonds schon lange ein Dorn im Auge. Zudem hat es die weit verbreitete Überzeugung genährt, IWF und Weltbank hätten oftmals eher die Interessen ihrer größten Anteilseigner im Sinn als die aller Mitgliedsländer. Doch die bisherige Postenaufteilung dürfte sich nicht mehr so einfach fortführen lassen. Auf dem Londoner Gipfel im April 2009 bestätigten die Führer der G20-Staaten die zentrale Rolle des IWF im internationalen Finanzsystem und vereinbarten eine Verdreifachung seiner Reserven auf 750 Mrd. US-Dollar. Sie erklärten auch, dass die Führungskräfte der internationalen Finanzinstitutionen, also auch des IWF, in Zukunft in einem offenen, transparenten und leistungsbasierten Auswahlverfahren auszuwählen seien. Dieses Versprechen wird nun auf die Probe gestellt.

Zweifelsohne sollten bei der Besetzung des neuen IWF-Führungsteams fachliche Qualifikation und persönliche Integrität der Kandidaten im Vordergrund stehen. Aber auch Nationalität wird – wie immer bei der Besetzung wichtiger internationaler Positionen – wieder eine Rolle spielen. Gewiss gibt es in Europa einige hoch qualifizierte Kandidatinnen und Kandidaten, die für den IWF-Chefposten in Frage kämen. Und die Europäer wären dringend darauf angewiesen, jemanden an der IWF-Spitze zu haben, der ihnen hilft, die Schuldenkrise in der Euro-Zone zu bewältigen. Aber muss das unbedingt ein Europäer sein?

Es gibt gute Gründe, warum der nächste IWF-Chef kein Europäer (und auch kein Amerikaner) sein sollte, egal, wie fähig und erfahren sie oder er auch sein mag. Der IWF hat im Verlauf der globalen Finanzkrise ein beachtliches Comeback erlebt und steht jetzt bei fast allen Diskussionen über die globale Finanzstabilität im Mittelpunkt. Dennoch leidet er in den Augen vieler seiner Mitglieder, insbesondere in denen der Entwicklungs- und Schwellenländer, noch immer an einem Mangel an Glaubwürdigkeit. Sie muss dringend wiederhergestellt werden, damit der Fonds seinen Aufgaben als Hüter des globalen Finanzsystems gerecht werden kann.

Jahrzehnte umstrittener Interventionen in die Wirtschaftspolitiken von Entwicklungsländern als Bedingung für eine Kreditvergabe haben den Ruf des Fonds in selbigen ramponiert und bei seinen Kritikern die Überzeugung genährt, er habe seine Stellung dazu genutzt, im Interesse seiner größten Anteilseigner zu handeln statt den Ländern zu helfen, die zu retten er gerufen wurde. Ob die Vorwürfe gegen den IWF berechtigt sind oder nicht – Tatsache ist, dass der IWF für die meisten Entwicklungsländer mit einem Stigma behaftet ist.

So könnte sich zum Beispiel in Ostasien keine Regierung lange halten, die den Fonds um Hilfe bitten muss. Zu lebendig ist die Erinnerung an die asiatische Finanzkrise Ende der 1990er-Jahre, die in den Augen vieler – ob zu Recht oder zu Unrecht – durch die harten Kreditkonditionalitäten des Fonds noch verschlimmert wurde. Seit dieser Krise arbeiten die Länder Ostasiens am Aufbau eines regionalen Finanzierungsarrangements, damit sie den IWF nie wieder um Hilfe bitten müssen. Und obwohl der Prozess, einen asiatischen Währungsfonds zu schaffen, eher langsam vorankommt, ist er eine potenzielle Bedrohung für den IWF in seiner Rolle als globaler Krisenmanager.

Regionale Finanzierungsarrangements, die auch in anderen Regionen der Welt seit Jahrzehnten existieren, können eine wichtige Rolle bei der Sicherung regionaler Finanzstabilität spielen und insofern das Mandat des Fonds ergänzen, die globale Finanzstabilität sicherzustellen. Falls es dem IWF jedoch nicht gelingt, seine Glaubwürdigkeit wiederzuerlangen und seine Stigmatisierung zu überwinden, besteht die Gefahr, dass solche regionalen Arrangements dem Fonds zunehmend Konkurrenz machen und seine Arbeit erschweren. Die großen Schwellenländer haben mittlerweile genügend Devisenreserven angehäuft um regionale Hilfsfonds zu finanzieren – und genug Selbstbewusstsein um diese in Konkurrenz zum IWF zu positionieren. Sollten sie sich bei der Mitbestimmung der IWF-Politiken übergangen fühlen, werden sie sich nach Alternativen umsehen, bei denen sie ihr Gewicht einbringen können. Dies würde zu einer Schwächung des IWF führen, die für die zukünftige Bewältigung globaler Finanzkrisen verheerende Folgen haben könnte.

Der IWF hat in den letzten Jahren wichtige Fortschritte bei der Reform seines Kriseninstrumentariums gemacht: Die Vergabe von Krediten ist jetzt flexibler und an weniger Bedingungen geknüpft. Außerdem erhalten Schwellenländer durch die jüngste Reform der IWF-Eigentümerstruktur einen größeren Einfluss auf die Fondspolitik. Dennoch wird das IWF-Exekutivdirektorium noch immer von den Europäern dominiert, und die USA halten nach wie vor ein Vetorecht bei den wichtigsten IWF-Beschlüssen. Diese Themen gehören auf die Tagesordnung einer fortlaufenden Governance-Reform. Unterdessen sollte das IWF-Exekutivdirektorium ein Team an die Spitze des Fonds stellen, das die Wirklichkeit einer multipolaren Weltwirtschaft widerspiegelt und den IWF als unabhängige Beratungsinstanz und kompetenten Krisenmanager führen kann. Die Europäer wären gut beraten, im langfristigen Interesse an einem kooperativen Management der Weltwirtschaft zu handeln. Sie können im Verbund mit den USA ihre Stimmenmehrheit nutzen und einen Kandidaten durchsetzen, aber um welchen Preis?

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