Energiesubventionen: mehr Ehrlichkeit bitte

Energiesubventionen: mehr Ehrlichkeit bitte

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Ruchser, Matthias
Die aktuelle Kolumne (2013)

Bonn: German Development Institute / Deutsches Institut für Entwicklungspolitik (DIE) (Die aktuelle Kolumne vom 22.10.2013)

Bonn, 22.10.2013. Wie in jedem Jahr veröffentlichten die vier deutschen Übertragungsnetzbetreiber Mitte Oktober die Prognose für die Umlage, die die Stromverbraucher nach dem Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) für das nächste Jahr bezahlen müssen. Der mediale Aufschrei war in diesem Jahr besonders groß, denn die Umlage soll von bisher 5,277 Cent auf 6,24 Cent pro Kilowattstunde steigen.

Umgehend wurde von verschiedenen Akteuren – etwa aus Politik, Wirtschaft und Medien – eine Reform bzw. Abschaffung des EEG gefordert. Das Argument: Die Unterstützung der erneuerbaren Energien sei in dieser Form nicht länger finanzierbar. Wer so argumentiert, muss jedoch die Gesamtheit der Energiesubventionen betrachten. Doch dies ist nicht im Interesse der Befürworter der traditionellen Energien, zu denen auch EU-Energiekommissar Oettinger zählt.

So berichtete die Süddeutsche Zeitung kurz vor Bekanntgabe der neuen EEG-Umlage, Oettinger habe einen Bericht aus seiner eigenen Generaldirektion dahingehend ändern lassen, dass jeder Verweis auf die Höhe der staatlichen Energiesubventionen gestrichen wurde. Denn es passte nicht in das Konzept des Erneuerbare-Energien-Kritikers Oettinger, dass die 27 Länder der Europäischen Union im Jahr 2011 35 Mrd. € für Kernenergie sowie 26 Mrd. € für fossile Kraftwerke ausgegeben haben. Dem gegenüber stehen 30 Mrd. € für die Unterstützung der erneuerbaren Energien. Hinzu kommen weitere Milliarden an indirekten Kosten für die Energieerzeugung aus Kohle und Gas, die in dem Bericht nur in einer Fußnote vermerkt waren.

Weltweit betrachtet ist das Missverhältnis zwischen Energiesubventionen für traditionelle Energien und die Unterstützung von erneuerbaren Energien noch dramatischer. Denn trotz des G20-Beschlusses von 2009, ineffiziente fossile Energiesubventionen abzubauen, sind diese laut der Internationalen Energieagentur (IEA) auf einen Rekordumfang von 523 Mrd. USD gestiegen – sechsmal so viel wie die weltweite Unterstützung für erneuerbare Energien. Ein gängiges Argument für fossile Energiesubventionen in Entwicklungs- und Schwellenländern ist, dass sie die Lebensbedingungen der armen Bevölkerung verbessern helfen, indem diese Zugang zu einer grundlegenden Energieversorgung erhalten. Doch dieses Argument ist hinlänglich widerlegt. So zeigen Berechnungen der IEA, dass im Jahr 2010 nur 8 % der fossilen Energiesubventionen bei den ärmsten 20 % der Bevölkerung angekommen sind. Von subventionierten Energien profitieren vor allem die Mittel- und Oberschichten, da sie in der Regel mehr Energie konsumieren. Fossile Energiesubventionen sind nicht nachhaltig, weder in ökologischer und wirtschaftlicher Hinsicht, noch unter sozialen Gesichtspunkten.

Deshalb gilt für Industrie- wie Entwicklungs- und Schwellenländer: Solange traditionelle Energien durch Energiesubventionen künstlich verbilligt werden, haben es erneuerbare Energien schwer, sich am Markt durchzusetzen. Die weltweit erfolgreichsten Instrumente für die Einführung von erneuerbaren Energien sind garantierte Einspeisetarife nach dem Vorbild des deutschen EEG. Trotzdem gibt es hier Reformbedarf.

Denn richtig ist, die EGG-Umlage ist in den letzten Jahren in Deutschland kontinuierlich angestiegen. Richtig ist auch, dass aufgrund der erhöhten Einspeisung von Strom aus erneuerbaren Energien die Börsenstrompreise gesunken sind, trotzdem sind die Strompreise für Kleinverbraucher nicht gesunken.

Drei Aspekte dürfen bei einer EEG-Reform nicht vergessen werden. Erstens, die CDU-FDP-Bundesregierung hat durch die Ausweitung der Befreiung von der EEG-Umlage auf rund 2.300 Strom-Abnahmestellen die anstehende Erhöhung mit verursacht. Denn die besondere Ausgleichsregelung ist für einen Anstieg von 25 % verantwortlich. Inzwischen zeigt die politische Bedeutungslosigkeit der FDP nach der Bundestagswahl vom 22.09.2013 jedoch Wirkung: Bundeskanzlerin Merkel sprach sich jüngst bei der Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie dafür aus, nur Industrien von der EGG-Umlage auszunehmen, die im internationalen Wettbewerb stehen.

Zweitens könnte Deutschland von Schwellenländern wie China, Indien oder Südafrika insofern lernen, dass die in diesen Ländern angewandten Systeme der Tarifversteigerung zu einer automatische Anpassung an drastisch sinkende Technologiekosten führt und so das Fördersystem insgesamt flexibler macht.

Drittens, wer in Deutschland die Abschaffung des Erneuerbare-Energien-Gesetzes, bzw. global betrachtet, die Abschaffung der Unterstützung für erneuerbare Energien fordert, muss im gleichen Atemzug die um ein vielfaches höheren Subventionen für nukleare und fossile Energien benennen und diese ebenfalls abschaffen wollen. Wer faire Wettbewerbsbedingungen zwischen traditionellen und erneuerbaren Energien herstellen möchte, kommt um diese Diskussion nicht herum.

Doch auch wenn fossile Energiesubventionen reduziert bzw. abgebaut werden, wird die notwendige Transformation der Energiesysteme wie sie der Wissenschaftliche Beirat der Bundesregierung Globale Umweltveränderungen fordert, kurzfristig nicht gelingen – weder in Deutschland noch weltweit. Zum einen bleiben bestehende Kohlekraftwerke für vierzig bis fünfzig Jahre am Netz. Zum anderen können wir seit Anfang des 21. Jahrhunderts eine Renaissance der Kohle beobachten – vor allem in den Entwicklungs- und Schwellenländern. Um auch zukünftig auf Kohlekraftwerke setzen zu können, wirbt die Energiewirtschaft schon länger für die Technologie zur Abscheidung von klimaschädlichen Treibhausgasen, in der Fachsprache Carbon Capture and Storage (CCS) genannt. Doch CCS kommt trotz millionenschwerer Forschungssubventionen seit Jahren nicht voran. Aktuell hat Norwegen das Projekt der weltweit größten CCS-Anlage in Mongstad wegen zu hoher Kosten aufgegeben. „Saubere Kohle“ bleibt auch weiterhin eine Utopie.

Die Forderung, Energiesubventionen jedweder Art abzuschaffen bleibt richtig, ist aber nur mittel- bis langfristig zu realisieren. Zu groß sind die jeweiligen ökonomischen Interessen der betroffenen Akteure. Für Deutschland und Europa gilt, wer die Förderung erneuerbarer Energien reduzieren möchte, muss im Gegenzug bereit sein, sowohl das System der fossilen Energiesubventionen als auch den europäischen Emissionshandel (European Union Emission Trading System, EU ETS) zu reformieren. Durch die Überallokation an Emissionsberechtigungen bzw. wenig ambitionierten Reduktionszielen sind die Zertifikatspreise im Keller, so dass es keine Anreize für einen Energieträgerwechsel von traditionellen zu erneuerbaren Energien gibt. Im Gegenteil, die fossile Energieerzeugung wurde sogar ausgeweitet.

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