Finanzierung der Klimaanpassung in armen Ländern – Sache des Privatsektors?

Finanzierung der Klimaanpassung in armen Ländern – Sache des Privatsektors?

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Pauw, Pieter / Imme Scholz
Die aktuelle Kolumne (2012)

Bonn: German Development Institute / Deutsches Institut für Entwicklungspolitik (DIE) (Die aktuelle Kolumne vom 26.11.2012)

Bonn, 26.11.2012. Auf der letzten UN-Klimakonferenz verpflichteten sich die Industrieländer, große Summen für den Klimaschutz und die Klimaanpassung in Entwicklungsländern zu mobilisieren: 30 Mrd. USD im Zeitraum 2010–2012 und ab 2020 jährlich 100 Mrd. USD. Die Entwicklungsländer verweisen auf das Verursacherprinzip und bevorzugen daher Mittel zur Klimafinanzierung in Form von Zuschüssen aus öffentlichen Haushalten der Industrieländer. Die endgültige Entscheidung der UN-Klimakonferenz 2009 lautete indes, dass zu den Klimafinanzierungsquellen auch die Privatwirtschaft zählt. Und was spricht dagegen? Etwa 86 Prozent der weltweiten Investitionen werden vom Privatsektor getätigt, und 90 Prozent der Bevölkerung in Entwicklungsländern erarbeiten ihr Einkommen im Privatsektor, und sei es auch noch so gering. Einer der Gründe jedoch, warum einige Entwicklungsländer so arm sind, ist der Umstand, dass ihre Privatwirtschaft unterentwickelt und das Investitionsklima ungünstig ist. Kann die Anpassung an den Klimawandel in den am wenigsten entwickelten Ländern (LDCs) überhaupt Geschäftsmöglichkeiten bieten?

Gründe für privatwirtschaftliche Anpassungsmaßnahmen
Investitionen des Privatsektors können der Anpassung an den Klimawandel und der Emissionsminderung dienen, ihr primäres Ziel ist es indes, Gewinne zu erwirtschaften. Danach sind drei allgemeine Gründe denkbar, warum private Unternehmen in Anpassung investieren: Erstens, um ihre Geschäftstätigkeit vor negativen Auswirkungen des Klimawandels zu schützen. Zweitens, um Anteil an einem aufstrebenden Markt mit neuen Produkten und Dienstleistungen zu haben. Und drittens, um sich im Rahmen ihrer gesellschaftlichen Unternehmensverantwortung für Anpassung einzusetzen. Die Frage ist: Spielen diese Gründe auch bei privatwirtschaftlichen Aktivitäten in Entwicklungsländern eine Rolle? Können private Investitionen in die Anpassung an den Klimawandel helfen, übergeordnete gesellschaftliche Ziele zu verwirklichen? Frühe Untersuchungen des Umweltprogramms der Vereinten Nationen (UNEP) und des Stockholmer Umweltinstituts (SEI) sehen das eher skeptisch: Für Anpassungsmaßnahmen wichtige Bereiche wie der Schutz von Küsten und Ökosystemen sind für private Investoren nicht interessant. Andere Sektoren wie Wasser und Landwirtschaft sind entweder relativ unattraktiv oder haben Investitionen in groß angelegte, exportorientierte Unternehmungen erlebt, aber nicht in kleinbäuerliche Betriebe, die den Lebensunterhalt der lokalen Bevölkerung sichert. Wie kann die Privatwirtschaft bei der Anpassung an den Klimawandel ein Rolle spielen, wenn sie, wie das SEI schlussfolgert: „es nicht schafft, die Armut und die Bedrohungen für die Lebensgrundlagen in vielen der weltweit ärmsten Regionen einzudämmen“?

Der Privatsektor in den am wenigsten entwickelten Ländern (LDCs)
Zum Privatsektor zählen in LDCs typischerweise eine große Zahl von Kleinstbetrieben, aber nur wenige große Unternehmen. Der Anteil mittelgroßer Firmen ist sogar noch kleiner als in wohlhabenden Ländern. Das hat viele Gründe, zum Beispiel fehlende wirtschaftliche Infrastruktur (wie Straßen, Häfen, Energieversorgung), schlecht ausgebildete Arbeitskräfte und ein unzureichendes Finanzsystem. Damit hat der Privatsektor als solcher ein nur geringes Wachstumspotenzial – eine Tatsache, die sich in externen Ratings des Unternehmensumfelds widerspiegelt: In den Rankings der Weltbank und des Weltwirtschaftsforums rangieren LDCs im Schnitt sehr weit unten.

Das hat zur Folge, dass nur etwa ein Prozent der weltweiten ausländischen Direktinvestitionen in diese Länder fließen. Und ohne die großen extraktiven Industrien in LDCs wie Angola und Sambia wäre dieser Anteil noch kleiner. Die Entwicklungsdefizite des Privatsektors offenbaren sich auch in der Zahl der Projekte unter dem Clean Development Mechanism (CDM) des Kyoto-Protokolls: Nur ein Prozent der 4.945 CDM-Projekte werden bislang in LDCs umgesetzt.

Daher werden diese strukturellen Schwächen wohl auch die Möglichkeiten des Privatsektors, sich an den Klimawandel anzupassen, stark einschränken. Private Unternehmen, die ihren Geschäftsbetrieb gegen den Klimawandel rüsten wollen, werden auf öffentliche Investitionen angewiesen sein. Zudem werden ausländische Unternehmen kaum eine größere Rolle auf diesem Gebiet spielen, solange ihre Direktinvestitionen in klimapolitisch relevante Branchen in LDCs nicht spürbar zunehmen.

Der Privatsektor in den Anpassungsstrategien der LDCs
Trotz dieser ungünstigen Ausgangslage ist es wichtig zu verstehen, wie LDCs die Beteiligung des Privatsektors an Anpassungsmaßnahmen und Anpassungsfinanzierung beurteilen. Auf dem UN-Klimagipfel 2001 wurden die LDCs aufgerufen, Nationale Aktionsprogramme zur Anpassung an den Klimawandel (NAPAs) zu entwickeln. Die entsprechenden Leitlinien verlangen von den LDCs zwar nicht, auf den Privatsektor einzugehen; doch es gibt gute Gründe, dies zu tun. Die NAPAs sollen den Anpassungsbedarf der wichtigsten Branchen und Akteure zusammenfassen. In diesem Zusammenhang könnte eine Beteiligung des Privatsektors Aufklärung, Innovation und Veränderung fördern, die Kosten der Anpassung senken und den Einsatz von Mitteln zur Anpassungsfinanzierung steigern. Dennoch spielt der Privatsektor in den derzeit vorliegenden 47 NAPAs eine untergeordnete Rolle. So war die Privatwirtschaft nur in 43 Prozent der Teams, die die NAPAs formulierten, vertreten. Lediglich 22 Länder stellen ausdrücklich fest, dass der Privatsektor bei der Anpassung eine Rolle spielt. Davon nennen 18 eine Branche, und nur 14 stellen die Maßnahmen dar, wenn auch sehr kurz. Neun NAPAs erwähnen den Privatsektor überhaupt nicht. Und während 92 Prozent der LDCs in fehlenden Finanzmitteln ein Hindernis für Anpassung sehen, stellt einzig Mali fest, dass der Privatsektor Anpassungsmaßnahmen kofinanzieren muss, in diesem Fall die Energiewende des Landes.

Nächste Schritte
Fazit: Der Privatsektor ist ein wichtiger Akteur, doch es bleibt offen, welchen Beitrag er zur Anpassungsfinanzierung in LDCs leisten kann. Diesen Beitrag zu bestimmen, sollte vor allem in der Verantwortung der LDCs liegen, da sie die Gegebenheiten ihrer Länder am besten kennen. Wir schlagen drei Schritte vor:

Erstens muss definiert werden, was im Kontext der Klimaverhandlungen mit ‚Privatsektor‘ gemeint ist. Nach jetzigem Verständnis sind Subsistenzbauern ebenso Teil des Privatsektors wie multinationale Unternehmen. Die Erstgenannten sind arm, leben aber in großer Zahl in LDCs; die anderen sind dort selten anzutreffen, können aber investieren.

Zweitens werden den NAPAs bald die Nationalen Anpassungspläne (NAPs) folgen, die den längerfristigen Anpassungsbedarf definieren und Programme und Strategien entwickeln sollen. Die Erarbeitung der NAPs wäre eine gute Gelegenheit für die LDCs, aus eigenem Antrieb über die Erfordernisse und eine potenzielle Privatsektorbeteiligung nachzudenken. Wahrscheinlich sind die Möglichkeiten in vielen LDCs und Branchen sehr begrenzt – doch wenigstens wüssten wir dann Bescheid.

Gleichwohl werden die LDCs zögern, diese Analyse zu beginnen, da sie die internationale öffentliche Anpassungsfinanzierung reduzieren könnte. Deshalb müssen sich die Industrieländer verpflichten, öffentliche Gelder für die Anpassung der am stärksten gefährdeten Menschen bereitzustellen und in denjenigen Branchen zu mobilisieren, deren Möglichkeiten für eine privatwirtschaftliche Finanzierung begrenzt sind.

Über die Autorin

Scholz, Imme

Soziologin

Scholz

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