Globale Finanzmarktregulierung: Endlich zu Ende reformiert?

Globale Finanzmarktregulierung: Endlich zu Ende reformiert?

Download PDF 175 KB

Schmitz, Birgit
Die aktuelle Kolumne (2014)

Bonn: German Development Institute / Deutsches Institut für Entwicklungspolitik (DIE) (Die aktuelle Kolumne, 17.11.2014)

Bonn, 17.11.2014. Am 15. und 16. November 2014 fand in Brisbane, Australien, der G20-Gipfel statt. Er sollte eine wichtige Wegmarke darstellen: die erfolgreiche Beendigung der nach der Finanzkrise 2008/2009 angestoßenen Reformen der globalen Finanzmärkte. Der Vorsitzende des Finanzstabilitätsrates, Mark Carney, betitelte den offiziellen Bericht an die G20-Finanzminister und Zentralbankgouverneure daher mit „Financial Reforms – Completing the job and looking ahead“. Und in der Tat, seit 2008 ist viel passiert. Betrachtet man nur den engeren Bereich der Bankenregulierung gibt es zahlreiche Neuerungen: höhere risikogewichtete Eigenkapitalquoten, antizyklische Eigenkapitalpuffer, Höchstverschuldungsquote, Mindestliquiditätsquote, Risikopuffer für systemrelevante Institutionen, Anforderungen für global und national systemrelevante Banken. Alle erdenklichen Risiken werden berücksichtigt, an alles scheint gedacht. Aber sind diese Reformen ausreichend, um ein widerstandsfähiges Finanzsystem aufzubauen? Und fördern diese das Vertrauen der Öffentlichkeit in den Bankensektor? Werden die neuen Spielregeln für internationale Banken allgemeingültig sein? Nun: Es kommt darauf an.

Die G20 betont heute wie gestern, dass starkes, nachhaltiges und ausgeglichenes Wachstum der Weltwirtschaft nur unter Finanzsystemstabilität zu erreichen ist. 2008 war man sich einig, dass kollektives, gut abgestimmtes Handeln notwendig ist, um die Krise zu bewältigen und in Zukunft für ein weniger anfälliges Finanzsystem zu sorgen. Daraufhin wurden der Finanzstabilitätsrat und der Basler Ausschuss der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich damit beauftragt, die Schwächen des Systems zu analysieren und entsprechende Reformen der Bankenregulierung auszuarbeiten. Seit 2008 berichten beide Gremien regelmäßig über die angestrebten Reformvorhaben und die Überwachung ihrer Umsetzung. Doch die Berichte und Hintergrundanalysen machen klar, dass die Ziele der Reformen, nämlich ein widerstandsfähige Banken, die Wiederherstellung des Vertrauens der Öffentlichkeit und die Allgemeingültigkeit der Regeln noch lange nicht erreicht sind.

Ob alle Teile der Reformen schon beschlossen sind oder die neuen Anforderungen in nationales Recht übergegangen und in Kraft getreten sind, ist zweitrangig. Entscheidend ist, wie die nationale Umsetzung der Reformen voranschreitet und wie der Bankensektor bisher auf die Neuregulierung reagiert hat. Der aktuelle Monitoring Report des Basler Ausschusses zeigt, dass Anspruch und Wirklichkeit noch weit auseinanderliegen. Untersucht wurden 227 Banken der Mitgliedsländer des Basler Ausschusses, darunter 102 Banken der sogenannten Gruppe 1 mit mindestens drei Milliarden Euro Eigenkapital. Diese Gruppe umfasst näherungsweise 100% des jeweiligen nationalen Bankensektors und alle 29 bis dato benannten global systemrelevanten Banken. Bei den Mitgliedern des Basler Ausschusses handelt es sich um die größten und wichtigsten Finanzsysteme, einschließlich der Schwellenländer. Die untersuchten Mitgliedsländer nehmen bei den Reformen eine Vorreiterrolle ein, weil diese die Bankenregulierung entwerfen und sich verpflichten, sie auch umzusetzen.

Umso frappierender ist die Erkenntnis, dass rund 10 % der untersuchten Banken die Höchstverschuldungsquote von 3 % nicht einhalten und dass 18 % der Banken die vorgesehene risikogewichtete Mindesteigenkapitalquote von 8,5 % nicht erreichen. Insgesamt ein gutes Fünftel der Banken hat zumindest mit einem der beiden Standards aktuell ein Problem. Da ist es auch nicht beruhigend zu wissen, dass die Höchstverschuldungsquote noch nicht endgültig in Kraft ist; oder die Banken sich noch in der Anpassungsphase an die neuen risikogewichteten Eigenkapitalquoten befinden. Im sechsten Jahr nach der Krise sollte allen Beteiligten klar sein, dass das Eigenkapital, also der Risikopuffer, der der Bank im Krisenfalle zur Verfügung steht, um Verluste zu kompensieren, wesentlich höher ausfallen muss. Und die Höchstverschuldungsquote ist eigentlich dazu gedacht, eine absolute Minimalgrenze und allerletztes Sicherheitsnetz unter die Risiken einer Bankenbilanz zu spannen. Solche Ergebnisse können das Vertrauen in den Bankensektor und in dessen Reformwilligkeit nicht wirklich fördern.

Auch aus anderen Feldern der Umsetzung gibt es beunruhigende Nachrichten. Der Ausschuss berichtet, dass es bei der Berechnung der Risikogewichte eines hypothetischen Testportfolios zu erheblichen Bewertungsunterschieden kommt. Die Vergleichbarkeit über Ländergrenzen hinweg ist aufgrund einer unterschiedlichen Umsetzung und Anwendung der Regeln nicht gegeben. Das stellt wiederum die Allgemeingültigkeit der Spielregeln für internationale Banken in Frage.

Worauf kommt es also bei den Entscheidungen der G20 in Brisbane an? Die Reformen müssen zeitnah umgesetzt werden. Darauf haben sich die Mitglieder der G20 als eine der Prioritäten geeinigt. Nun kommt es darauf an, dass die neuen Regeln konsistent angewendet werden und das tatsächliche Verhalten der Banken immer wieder kritisch überprüft wird. Nur dann können die Reformen greifen und stabile Finanzsysteme der Weltwirtschaft auf die Sprünge helfen.

Über die Autorin

Schmitz, Birgit

Ökonomin

Schmitz

Weitere Expert*innen zu diesem Thema