Gute Regierungsführung, gute Arbeitsbedingungen und ein guter Global Compact on Migration

Gute Regierungsführung, gute Arbeitsbedingungen und ein guter Global Compact on Migration

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Martin-Shields, Charles
Die aktuelle Kolumne (2017)

Bonn: German Development Institute / Deutsches Institut für Entwicklungspolitik (DIE) (Die aktuelle Kolumne vom 03.07.2017)

Das Global Forum on Migration & Development, das vergangene Woche (28. – 30. Juni 2017) in Berlin stattfand, hat gezeigt, dass Regierungen weltweit bei der Bewältigung der sog. Flüchtlingskrise zunehmend auf Entwicklungshilfe und technische Zusammenarbeit setzen. Da auch in Zukunft mit großen Migrations- und Fluchtbewegungen aus Afrika, dem Nahen Osten und Südasien zu rechnen ist, wird Entwicklungszusammenarbeit eine wichtige Rolle spielen, wenn es darum geht, die Lebensgrundlagen in den Heimatländern zu verbessern und zugleich Möglichkeiten für sichere und legale Migration zu schaffen. Dies wurde auch beim jüngsten Treffen der Vereinten Nationen in Genf zur Fortsetzung der Vorbereitung der Verhandlungen über den Global Compact on Migration betont. Auch dort wurde die Bedeutung von Entwicklung als Mittel zu Minderung risikoreicher Migration und Flucht hervorgehoben. Allerdings sind Entwicklungslösungen notwendig, die über die kurzfristige Schaffung von Arbeitsplätzen und bilaterale Vereinbarungen zu Arbeitsmigration hinaus die tiefgreifenden politischen und sozialen Probleme angehen, die Menschen zwingen, ihre Heimatländer zu verlassen.

Durch Konflikte, Umweltveränderungen und mangelnde wirtschaftliche Perspektiven verursachte Vertreibungen in Afrika, dem Nahen Osten und Südasien stellen eine besondere Herausforderung dar. Die vergangenen fünf bis sieben Jahre haben deutlich gezeigt, dass Menschen bereit sind, für die Aussicht auf Asyl oder verbesserte Lebensbedingungen tödliche Gefahren zu akzeptieren. Menschen, die sich entschieden haben (oder gezwungen wurden), das Risiko der Überquerung des Mittelmeers auf sich zu nehmen, werden sich daher von aggressiven Grenzkontrollen oder abschreckenden Politiken nicht abbringen lassen. Entwicklungspolitik muss sich somit darauf konzentrieren, die Existenzgrundlagen und die sozialen und politischen Bedingungen für eine gute Lebensqualität zu verbessern. Die Menschen ‚einfach‘ in ihrer Heimat zu halten, ist nicht realistisch. Aber was sind Konsequenzen für die Praxis?

In Äthiopien, einem Land mit einer wachsenden Fertigungsindustrie, wurde vielfach davon ausgegangen, dass Menschen die Beschäftigung in der Landwirtschaft oder im informellen Sektor zugunsten formeller Arbeit aufgeben würden. Zur Überraschung von Forschern zeigte sich aber, dass  äthiopische Arbeiter dazu tendierten, rasch zu landwirtschaftlicher und informeller Arbeit zurückzukehren, wo sie mit weniger Arbeitsstunden und unter sichereren Bedingungen fast das gleiche Einkommen erzielen konnten. Damit Menschen von formaler Beschäftigung profitieren können, muss die Entwicklungs- und technische Zusammenarbeit folglich mit Regierungen auf sichere Arbeitsverhältnisse und gesicherte Arbeitnehmerrechte hin arbeiten. In Äthiopien berührt dies auch Fragen der politischen Inklusion, da die ethnische Identität ein sehr wichtiger politischer Faktor ist. Solange der Zugang zu gleichen Arbeitsrechten für alle nicht garantiert ist, werden Menschen migrieren und auf der Suche nach höherem Einkommen und Arbeitssicherheit sich möglicherweise in die Hände von Menschenhändlern begeben.

Länder, die gewaltsame Konflikte hinter sich haben, stellen eine noch größere Herausforderung dar. Prof. Christopher Blattman von der Universität Chicago und Jeannie Annan vom International Rescue Committee haben untersucht, wie landwirtschaftliche Ausbildung und Zugang zu Kapital Arbeitsentscheidungen bei früheren Kämpfern im westafrikanischen Liberia beeinflussen. Der Hauptgrund für diese in der formalen Wirtschaft zu bleiben, war die Erwartung auf Kapital. Da sich Liberia noch immer von mehreren Bürgerkriegen erholt, ist der Aufbau eines Arbeitsmarktes nicht nur für den Friedenserhalt notwendig; er kann Menschen auch eine Lebensgrundlage ‚vor Ort‘ und eine gute Lebensqualität ermöglichen. Um dies zu erreichen, muss die Entwicklungszusammenarbeit allerdings über das ‚Jobs-Jobs-Jobs‘-Mantra hinausdenken. Ein hochfragiler Staat wie Liberia benötigt für eine friedliche Entwicklung Investitionen in formale Zahlungssysteme, soziale Sicherung und vor allem soziale und politische Inklusion. Zum Beispiel dürfen Entwicklungsagenturen nicht in die Falle treten, nur ehemalige Kämpfer zu unterstützen und die Situation vertriebener Nicht-Kämpfer unberücksichtigt zu lassen. Ohne technische Entwicklung und soziopolitische Inklusion werden Menschen in prekären Arbeits- und Lebenssituationen, die  kontinuierliche und risikoreiche Migration begünstigen, verbleiben.

Entwicklungszusammenarbeit wird zukünftig eine zunehmende Rolle bei der Unterstützung sicherer Migration und der Eindämmung gewaltsamer Vertreibung spielen. Es besteht jedoch die Gefahr, dass Regierungen und die UN sie mit der Absicht einsetzen, Menschen in der Heimat zu halten oder sich auf kurzfristige Arbeitsplatzprogramme beschränken. Die Erfahrung zeigt, dass diese Ansätze nicht nur nicht funktionieren, sondern verwundbaren Menschen noch größeren Risiken aussetzen. Strukturpolitiken, die sich auf Arbeitsplatzsicherheit und -schutz konzentrieren und die flankierend dazu gute Regierungsführung und sozialen Zusammenhalt unterstützen, sind für die Entwicklung entwicklungsfördernder Migration aus und innerhalb Afrikas, in den und aus dem Nahen Osten und Südasien wesentlich. Auch für den Erfolg des ehrgeizigen Global Compact on Migration sind Investitionen in gute Lebensverhältnisse und politische Inklusion für jene, die andernfalls gezwungen sein könnten, ihre Heimatländer zu verlassen, von zentraler Relevanz.

Über den Autor

Martin-Shields, Charles

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