Kann der Südsudan in einem schwierigen regionalen Umfeld überleben?

Kann der Südsudan in einem schwierigen regionalen Umfeld überleben?

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Furness, Mark / Frank Vollmer
Die aktuelle Kolumne (2011)

Bonn: German Development Institute / Deutsches Institut für Entwicklungspolitik (DIE) (Die aktuelle Kolumne vom 11.07.2011)

Bonn, 11.07.2011. Mit dem feierlichen Hissen der Flagge, einer Unabhängigkeitserklärung und einer Parade wurde am 09.07.2011 die Geburt des 193. Mitglieds der Vereinten Nationen gefeiert. Damit sind aus dem Sudan zwei getrennte Nationalstaaten geworden. So jedenfalls will es das südsudanesische Volk, das sich in dem Referendum im Januar 2011 fast einstimmig für die Abspaltung aussprach.

Auch wenn es erst seit Januar beschlossene Sache war: Die Unabhängigkeit besiegelt eine Teilung, die rückblickend zu erwarten war, seit der Bürgerkrieg im Sudan 2005 mit dem umfassenden Friedensabkommen sein Ende fand. Trotz zahlreicher Warnungen hat sich die internationale Gemeinschaft auf ihr jüngstes Mitglied bisher nur unzureichend vorbereitet. Vor allem der regionalen Dimension südsudanesischer Unabhängigkeit wurde nicht genügend Aufmerksamkeit geschenkt. Die Abspaltung des Südsudan bietet die Gelegenheit, eine Vision für das Horn von Afrika zu formulieren, auf die die Staatengemeinschaft und die Regierungen der Region in den nächsten 20 Jahren hinarbeiten können.

Eine enorme Herausforderung
Im Zentrum internationaler Aufmerksamkeit steht, verständlicherweise, die fatale Sicherheitslage des Sudan. In naher Zukunft werden sich die Vereinten Nationen nicht aus dem Südsudan zurückziehen können. Der Grund sind anhaltende Konflikte zwischen mehreren Ethnien und der Sudan People's Liberation Movement/Army (SPLM/A), der schwere Menschenrechtsverletzungen vorgeworfen werden. Diese Konflikte wusste die sudanesische Regierung in Khartum geschickt für sich zu nutzen. Im UN-Sicherheitsrat herrscht Uneinigkeit in der Frage, wie mit dem sudanesischen Präsidenten und mutmaßlichen Kriegsverbrecher Omar al-Bashir zu verfahren sei. Dies hat die internationalen Bemühungen der vergangenen Jahre, den Teufelskreis von Armut und Gewalt zu durchbrechen, zusätzlich erschwert.

Die chronische sozioökonomische Unterentwicklung des Südsudan ist Ursache und Folge der unsicheren Lage zugleich. Entwicklungsindikatoren nähren kaum Zuversicht, dass das Land gut auf die Unabhängigkeit vorbereitet ist: Vor der Teilung musste der Sudan mit rund 4,9 Millionen Binnenvertriebenen zurechtkommen (der höchsten Zahl weltweit), die in großer Anzahl in den Süden zurückkehren. Mehr als 90 Prozent der Südsudanesen leben von weniger als einem US-Dollar pro Tag. Die Qualität öffentlicher Dienstleistung und materieller wie sozialer Infrastruktur ist katastrophal. Bildungs- und Gesundheitswesen des Landes zählen zu den schlechtesten der Welt. Die Regierung besteht überwiegend aus ehemaligen, zu Politikern umfunktionierten Rebellen, und Vetternwirtschaft und Korruption lasten schwer auf dem Land. Weitgehend abhängig von seinen Öleinnahmen und Ölpipelines und -raffinerien des Nordens wird der Südsudan wohl auf Jahre hinaus internationale Hilfe benötigen.

Der internationale Ansatz: Reaktion statt Prävention
Bisher konnte oder wollte die Staatengemeinschaft keine proaktive Haltung zur Entwicklung des Sudan einnehmen. Im Norden wie im Süden verharrte die Geberstrategie in Nothilfe- und Wiederaufbauprogrammen, ohne längerfristige Entwicklungsschwerpunkte zu setzen. Ein Großteil der öffentlichen Entwicklungshilfe für den Sudan (insgesamt 2,3 Mrd. US-Dollar im Jahr 2009) war humanitäre Hilfe (1,8 Mrd. US-Dollar). Im Südsudan konzentrierte man sich darauf, das Friedensabkommen umzusetzen und das Referendum vorzubereiten, ohne sich viel um die Nachwirkungen zu kümmern. USAID und die Europäische Kommission leisten hauptsächlich Grundversorgung, und die Chinesen haben sich bis vor kurzem fast ausschließlich mit dem Thema Öl befasst. Die mangelhafte Abstimmung zwischen öffentlichen und privaten Gebern hat die Leistungsfähigkeit der SPLM nicht gerade gesteigert.

Einige Geber haben jetzt begonnen, Soforthilfe, Rehabilitation und Entwicklung besser miteinander zu verknüpfen. Die Weltbank hat einen neuen Treuhandfonds für den Südsudan über 75 Mio. US-Dollar vorgeschlagen. Die EU und die Mitgliedsstaaten arbeiten an einem gemeinsamen Programm, das im Einklang mit dem „Entwicklungsplan 2011–2013“ des Südsudan steht und vom Europäischen Entwicklungsfonds mit 285 Mio. Euro gefördert wird. In Planung sind Projekte zur Förderung von Bildung, Gesundheit, ländlicher Wirtschaft, Stadtplanung, Wassermanagement und Rechtsstaatlichkeit. Die EU wird eine diplomatische Vertretung, einige Mitgliedstaaten neue Botschaften in Juba eröffnen. Das nährt die Hoffnung, dass sich die Entwicklungszusammenarbeit intensivieren wird, Hand in Hand mit den diplomatischen Beziehungen, die früher vom fernen Khartum aus gesteuert werden mussten.

Ein regionales Übereinkommen am Horn von Afrika?
Dies sind durchaus Schritte in die richtige Richtung, aber finanzielle Unterstützung und Entwicklungsprojekte allein reichen nicht. Mittelfristig muss die Strategie des Südsudan über Entwicklungshilfe hinausgehen und in eine Zusammenarbeit mit seinen Nachbarn am Horn von Afrika münden, die für alle Seiten nutzbringend ist.

Die Grundlagen regionaler Wirtschaftsintegration sind vorhanden. Es braucht jedoch den politischen Willen, diese verstärkt zu nutzen. Die Länder am Horn von Afrika haben komparative Vorteile in Bezug auf Naturressourcen und andere Produktionsfaktoren, mit denen sie – theoretisch – Handel treiben und den Wohlstand der Region mehren könnten. So schlugen die Autoren einer aktuellen Studie der Denkfabrik Chatham House ein Übereinkommen auf subregionaler Ebene vor: äthiopische Hydroelektrizität, südsudanesisches Öl, sudanesische Landwirtschaft und ägyptische Investitionen. Für einen Außenstehenden liegt das Potenzial eines solchen Deals auf der Hand. Aber das gegenseitige Misstrauen der jeweiligen Regierungen macht daraus ein Luftschloss.

Eine Chance, die man nicht verstreichen lassen sollte
Die Unabhängigkeit des Südsudan ist eine seltene Chance für eine unruhige Region, ihrer grausamen Vergangenheit allmählich den Rücken zu kehren. Die Euphorie wird jedoch bald verfliegen, wenn deutlich wird, wie extrem schwierig es ist, ein Land praktisch aus dem Nichts aufzubauen. Der Südsudan und sein Umfeld brauchen eine Vision von Entwicklung, die im Angesicht wiederkehrender humanitärer und Sicherheitskrisen als Orientierungspunkt dienen kann. Die Staatengemeinschaft verfügt über die Mittel, konkrete regionale Übereinkommen reizvoll zu machen: Schuldenerlass durch den Pariser Club, Unterstützung bei technischer Integration durch die EU, Investitionen aus China und dem Nahen Osten, Vermittlung durch die USA und Übernahme von Führungsverantwortung seitens der Afrikanischen Union. In der Summe könnte die Unterstützung der internationalen Gemeinschaft viel bewirken, sofern sie auf dasselbe Ziel gerichtet und wirksam abgestimmt ist.

Leider ist ein solches Maß an internationaler Zusammenarbeit nicht in Sicht: Westliche Geber ringen um ein in sich schlüssiges Konzept. Mit den Chinesen spricht offenbar niemand außer Omar al-Bashir, der letzten Monat in Peking war. Und die Regierungen der Region fahren fort, sich misstrauisch zu beäugen und aufzurüsten. Wenn sich die internationale Gemeinschaft nicht zügig auf ein gemeinsames Vorgehen verständigt, werden Afrika und die Welt aller Voraussicht nach durch einen weiteren gescheiterten Staat belastet.

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Furness, Mark

Politikwissenschaft

Furness

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