Kinderrechte sind Zukunftsrechte!

Kinderrechte sind Zukunftsrechte!

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Bauer, Steffen / Danuta Sacher
Die aktuelle Kolumne (2014)

Bonn: German Development Institute / Deutsches Institut für Entwicklungspolitik (DIE) (Die aktuelle Kolumne, 08.12.2014)

Bonn, Osnabrück, 08.12.2014. Anlässlich des 25-jährigen Jubiläums der UN-Kinderrechtskonvention widmen wir den diesjährigen Tag der Menschenrechte, der jährlich am 10. Dezember begangen wird, den Kindern und Jugendlichen dieser Welt. Was heute selbstverständlich klingt, ist völkerrechtlich betrachtet nicht älter als der Fall der Berliner Mauer: am 20. November 1989 verabschiedete die UN-Generalversammlung die Kinderrechtskonvention (Convention on the Rights of the Child). Sie übersetzt die beiden grundlegenden Menschenrechts-Pakte der Vereinten Nationen für die besondere Lebenswelt von Kindern und verankert dabei vier Grundprinzipien des Kinderrechts im Völkerrecht: das Recht auf Gleichbehandlung, der Vorrang des Kindeswohls, das Recht auf Leben und persönliche Entwicklung sowie die Achtung vor der Meinung und dem Willen des Kindes.

Kinder haben eigene Rechte. Sie sind weder „kleine Erwachsene“ noch ausschließliche Objekte von Fürsorge. Die Tragweite des in der Kinderrechtskonvention kodifizierten Paradigmenwechsels hält ebenfalls dem Bezug zum Fall der Berliner Mauer stand. Denn die Maxime der „elterlichen Gewalt“, über die Eltern gegenüber ihnen besitzähnlich zugeordnete Kinder verfügen, wird abgelöst durch die aufgeklärte Perspektive von eigenständigen Rechten von Menschen, die jünger als 18 Jahre sind. Die Verwirklichung – oder Verweigerung – der Kinderrechte bestimmt maßgeblich die Entwicklungschancen von Kindern und Jugendlichen – individuell wie auch in ihrem jeweiligen gesellschaftlichen Kontext.

Umweltschutz spielte bei der Formulierung der Kinderrechtskonvention noch keine explizite Rolle, gleichwohl dieser lange schon als wichtiger Faktor für die Verwirklichung der grundlegenden Kinderrechte gilt. Denn um sicherzustellen, dass Kinder sich körperlich wie seelisch gut entwickeln und entfalten können, bedarf es auch einer sicheren und intakten Umwelt. Die Chance, in einer gesunden natürlichen Umwelt aufzuwachsen, ist zudem extrem ungerecht verteilt: zwischen Industrie- und Entwicklungsländern, zwischen Arm und Reich. So sind Kinder in Entwicklungsländern besonders hohen Risiken ausgesetzt, etwa dem fehlenden Zugang zu sauberem Trinkwasser und Sanitäranlagen, oder einer hohen Rauchbelastung durch offene Feuer in Innenräumen. Hinzu kommen die Gefährdungen durch ungeübten Umgang mit Chemikalien und der Entzug der natürlichen Lebensgrundlagen durch industrielle Abwässer und Agrarchemikalien.

Ohne eine Neuausrichtung der politischen, rechtlichen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen wird sich an dieser Situation nichts grundlegend ändern. Im Gegenteil, die zunehmende Ausschöpfung der natürlichen Lebensgrundlagen und die Überlastung oder Zerstörung der Ökosysteme lassen eine sichere, gesunde und intakte Umwelt in Zukunft zu einem knappen Gut werden, das nur noch Minderheiten der künftigen Generationen werden genießen können. Navanethem Pillay, vormalige UN-Hochkommissarin für Menschenrechte, hat deshalb globale Umweltprobleme wie den Klimawandel und den Verlust der biologischen Vielfalt als zentrale Herausforderungen für die Verwirklichung der Menschenrechte im 21. Jahrhundert bezeichnet. Dies gilt insbesondere für die Rechte von Kindern und zukünftiger Generationen.

Nur wenige entwicklungspolitische Akteure setzen sich bei der Diskussion der zentralen Zukunftsfragen bislang dafür ein, dass die Rechte von Kindern und Jugendlichen explizit berücksichtigt und eine wirkungsvolle Partizipation ermöglicht wird. Die Bundesregierung hat 2011 in einem Strategiepapier des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) damit begonnen. Auch die unlängst vorgelegte „Zukunftscharta“ des BMZ, zugleich Leuchtturmprojekt der deutschen Nachhaltigkeitsstrategie, unterstreicht die entwicklungspolitische Relevanz der Kinderrechte nachdrücklich: die hinlänglich bekannten Armutsprobleme und die Auswirkungen systematischer Menschenrechtsverletzungen verschärfen sich überall dort, wo Kinder und Jugendliche strukturell benachteiligt werden.
Deshalb gehören Kinderrechte als Zukunftsrechte ins Zentrum der gegenwärtigen Debatte über nachhaltige Entwicklung und die Post 2015-Agenda. So lässt sich auch der gerade erschienene Synthesebericht des UN-Generalsekretärs zur Post 2015-Agenda interpretieren, der die Rechte der Kinder und zukünftigen Generationen als normativen Bezug für die maßgeblichen Dimensionen der Globalen Entwicklungsziele herausstellt.

Der Zusammenhang zwischen Umwelt- und Menschenrechtsschutz ist im Sinne zukunftsfähiger Entwicklungsperspektiven nicht mehr wegzudiskutieren. Daher trifft es sich gut, dass Deutschland im für die globale Entwicklungspolitik so bedeutsamen Jahr 2015 den Vorsitz im UN-Menschenrechtsrat übernehmen soll. Es wird viele Chancen geben, in dieser Verantwortung die beginnende Verschränkung von Menschenrechts- und Umweltdebatte und den beginnenden Einzug der Kinderrechte in die Nachhaltigkeitsdebatte wirkungsvoll zu befördern. Dafür wünschen wir alles Gute – denn aus Nachhaltigkeitssicht gilt: Kinder haften für ihre Eltern!


Steffen Bauer, Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Deutschen Institut für Entwicklungspolitik (DIE) und Mitglied des wissenschaftlichen Beirats von terre des hommes Deutschland e.V.
Danuta Sacher, Vorstandsvorsitzende von terre des hommes Deutschland e. V. - Hilfe für Kinder in Not

Über den Autor

Bauer, Steffen

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Bauer

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