Klimafinanzierung: halten die Industrieländer ihre Versprechungen?

Klimafinanzierung: halten die Industrieländer ihre Versprechungen?

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Pauw, Pieter
Die aktuelle Kolumne (2012)

Bonn: German Development Institute / Deutsches Institut für Entwicklungspolitik (DIE) (Die aktuelle Kolumne vom 14.05.2012)

Bonn, 14.05.2012. Heute beginnt mit der Bonner Klimakonferenz der Vereinten Nationen die erste formelle Verhandlungsrunde seit der hektischen Vertragsstaatenkonferenz 2011 in Durban. Die zweiwöchigen Verhandlungen, auf deren überladener Agenda auch die Klimafinanzierung steht, sind ein wichtiger Zwischenschritt für die nächste Vertragsstaatenkonferenz in Katar Ende des Jahres.

Viele begrüßten Durban als Durchbruch, aber der Klimawandel bleibt ein drängendes Problem: 2011 erreichten die weltweiten CO2-Emissionen ein neues Rekordniveau. Die niederländische Umweltagentur PBL zeigt, dass die derzeitigen Minderungszusagen längst nicht ausreichen, um die Erwärmung der Erdatmosphäre auf das international anerkannte 2 Grad-Ziel zu begrenzen.

Alle großen Treibhausgas-Emittenten müssen ihre Anstrengungen zur Reduzierung von Treibhausgasemissionen verstärken. Je geringer die Emissionsminderungen, desto teurer und komplizierter wird die Anpassung an den Klimawandel. Die Entwicklungsländer sind am stärksten vom Klimawandel betroffen. Die Industrieländer, deren jahrzehntelanges Wirtschaftswachstum auf der intensiven Nutzung fossiler Brennstoffe beruht, müssen die Länder unterstützen, die unter dem daraus resultierenden Klimawandel zu leiden haben. Daher haben sich die Industrieländer in der Kopenhagener Vereinbarung verpflichtet, für die Klimafinanzierung im Zeitraum 2010-2012 einen Betrag von 30 Mrd. USD, und ab 2020 jährlich 100 Mrd. USD zu mobilisieren. Diese Zahlen basieren auf Kostenschätzungen der Weltbank und anderer Institutionen. Es wurde vereinbart, dass diese „neuen und zusätzlichen“ Mittel die bisherige offizielle Entwicklungszusammenarbeit ergänzen sollen und aus öffentlichen und privaten Quellen wie auch „innovativen Mechanismen“ stammen werden.

Der Zeitraum 2010-2012 endet demnächst. Haben die Industrieländer ihre Versprechen gehalten? Wurden 30 Mrd. mobilisiert? Ehrlich gesagt: Wir wissen es nicht. Wir wissen zwar, wie viel Geld investiert wurde, aber nicht, welcher Anteil davon als Klimafinanzierung gelten kann.

Die positive Nachricht ist: nicht nur in Deutschland nehmen die Investitionen in erneuerbare Energien immer stärker zu. Im Jahr 2011 übertrafen diese weltweit erstmals die Investitionen in fossile Brennstoffe. Das Climate Policy Centre untersuchte den in Entwicklungsländern investierten Anteil und weitere Quellen für Klimafinanzierung. Das Zentrum schätzt, dass jährlich mindestens 97 Mrd. USD in Klimaschutz und Anpassung investiert werden, vorwiegend durch den Privatsektor. Optimisten mögen argumentieren, dass damit die Zusagen für den Zeitraum 2010–2012 übertroffen werden. Doch hierzu ist festzuhalten: Zunächst einmal handelt es sich bei den Mitteln entgegen den Vorgaben der Kopenhagener Vereinbarung nicht durchweg um „neue und zusätzliche“ Mittel mit einer „ausgeglichenen Aufteilung zwischen Anpassungsmaßnahmen an den Klimawandel und Treibhausgasminderungen“ und Priorität für die „am meisten gefährdeten Entwicklungsländer“. Erstens wäre ein Großteil des Betrages ohnehin investiert worden – hauptsächlich in Minderungsmaßnahmen in China und Indien statt in Anpassungsmaßnahmen in Lesotho und Tuvalu. Zum Zweiten beziffern die 97 Mrd. USD die Gesamtinvestitionen und nicht nur den zusätzlichen Klima-bezogenen Anteil. Viele dieser Investitionen sind Kredite und Eigenkapitalbeteiligungen. Kann von „Klimafinanzierung“ gesprochen werden, wenn ein westliches Energieunternehmen ein afrikanisches Unternehmen übernimmt?

Die Heinrich-Böll-Stiftung und das Overseas Development Institute betrachten Klimafinanzierung aus einem anderen Blickwinkel. Sie beobachten 25 internationale Spezialfonds, die Mittel für Klimaschutz und Anpassung in Entwicklungsländern bereitstellen. Ihrer Internetseite www.climatefundsupdate.org ist zu entnehmen, dass staatliche Stellen mittlerweile 33,7 Mrd. USD zugesagt haben. Doch bislang sind erst 2,2 Mrd. tatsächlich geflossen – das entspricht sieben Prozent der zugesagten 30 Mrd. für den Zeitraum 2010–2012. Diese Mittel sind besser „ausgeglichen“ und stärker „priorisiert“ als die oben genannten 97 Mrd. USD. Doch sie sind oft auch als offizielle Entwicklungszusammenarbeit deklariert – und deshalb nicht „neu und zusätzlich“.

Die positive Nachricht ist – beide Beispiele belegen eine Zunahme der Finanzierungen von Anpassungsmaßnahmen sowie Treibhausgasminderungen. Doch die zugrunde liegenden Schätzungen gehen von völlig unterschiedlichen Voraussetzungen aus. Das macht es für alle Beteiligten schwierig.

Eindeutige, allgemein anerkannte Definitionen sind Teil der Lösung: Definitionen etwa, die festlegen, wann Investitionen des Privatsektors als Klimafinanzierung gelten oder wann die Aufteilung von Investitionen für Anpassungs- und Minderungsmaßnahmen als „ausgeglichen“ gelten kann.

Das setzt indes eine Einigung auf internationaler Ebene voraus, die einiges Konfliktpotenzial birgt, da manche Länder gewinnen und andere verlieren werden. Im Grunde geht es um zwei Extreme: entweder werden die Industrieländer weniger zahlen müssen, also „gewinnen“, wenn privatwirtschaftliche Investitionen, zum Beispiel in erneuerbare Energien, komplett als Klimafinanzierung zählen. Oder die Entwicklungsländer werden „gewinnen“, wenn die gesamten 100 Mrd. aus öffentlichen Quellen kommen und als Zuschüsse, anstatt als Darlehen gewährt werden. Wie so oft bei internationalen Verhandlungen wird es zu einer Einigung irgendwo in der Mitte kommen. Hinzu kommt, dass weder private noch öffentliche Quellen eine gleichbleibende und vorhersehbare Finanzierung garantieren können. Und da kommt die dritte wichtige Finanzierungsquelle ins Spiel – „innovative Mechanismen“.

Innovative Mechanismen könnten Mittel zur Klimafinanzierung mobilisieren, indem Steuern und Abgaben auf „nicht nachhaltige Lösungen“, z. B. den Einsatz veralteter Kraftwerkstechnik, erhoben werden. Doch auch solche Entscheidungen werden umstritten sein. Mechanismen wie die Finanztransaktionssteuer oder die Abgaben für den internationalen Verkehr werden bereits seit Jahren diskutiert, bisher allerdings nur mit mäßigem Erfolg.

Die wenigen Praxisbeispiele zeigen die verfahrene Situation. So führt die Einbeziehung des Flugverkehrs in das Emissionshandelssystem der EU nur zu leichten Preiserhöhungen, bei Ryanair z. B. um etwa 25 Cent pro Flugticket. Trotzdem reichten mehrere US-amerikanische Fluggesellschaften – ohne Erfolg – Klage vor dem Europäischen Gerichtshof ein und China droht Airbus, bereits geschlossene Kaufverträge zu stornieren.

Es sind noch acht Monate bis zum Ende des Zeitraums 2010–2012 und nur acht Jahre bis zur Aufstockung der Klimafinanzierung auf jährlich 100 Mrd. USD. Noch immer bleiben viele Fragen, wie das Konzept in die Praxis umzusetzen ist, unbeantwortet. Neben der Entscheidung, wo der Green Climate Fund angesiedelt werden soll (Deutschland hat die UN-Stadt Bonn in das Rennen um den Sekretariatssitz geschickt), müssen auf den anstehenden UN-Klimagipfeln Vereinbarungen über Definitionen und die Umsetzung „innovativer Mechanismen“ getroffen werden, ohne die Klimafinanzierung nicht gelingen kann. Gleichzeitig müssen die Industrieländer ihre eigenen Anstrengungen intensivieren. Deutschland geht mit gutem Beispiel voran, indem es einen Teil der Einnahmen aus dem Emissionshandelssystem der EU zur Finanzierung internationaler Vorhaben zu Minderung und Anpassung verwendet. Dadurch kommen für die Klimawandelkosten in Entwicklungsländern nicht die Steuerzahler, sondern die Verursacher von Umweltschäden auf. Auf lange Sicht gesehen ist das der einzig gangbare Weg.

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