Mobilität durch Innovationen bei Dienstleistungen neu definieren

Mobilität durch Innovationen bei Dienstleistungen neu definieren

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Figueroa, Aurelia
Die aktuelle Kolumne (2013)

Bonn: German Development Institute / Deutsches Institut für Entwicklungspolitik (DIE) (Die aktuelle Kolumne vom 17.06.2013)

Bonn, 17.06.2013. Ende des Monats findet zum hundertsten Mal die Tour de France statt. Dieses Wunderwerk der Mobilität hat im Laufe der Zeit eine immer größere Zahl von Teilnehmern angezogen und sich auf immer größere Gebiete erstreckt. Desgleichen hat sich die Zahl der Menschen erhöht, die weltweit transportiert werden und dabei immer größere Distanzen überwinden müssen. Innovationen haben zu kontinuierlichen Leistungsverbesserungen der Tour de France-Wettbewerber beigetragen. Transportdienste müssen ebenfalls nachhaltige und inklusive Innovationen vornehmen, die der wachsenden Teilnehmerzahl des täglichen globalen Mobilitätswettbewerbs besser gerecht werden.

Mobilität ist ein Begriff, der in verschiedenen Disziplinen unterschiedlich verwendet wird. Er beschreibt unter anderem flexible Modi und Fähigkeiten einer Gesellschaft. Im Kontext einer nachhaltigen Entwicklung und der Post-2015-Agenda muss Mobilität neu definiert werden, damit Treibhausgasemissionen und soziale Inklusion gleichzeitig adressiert werden können. Nach Angaben der Internationalen Energieagentur (IEA) könnte der Transportsektor seine Emissionen dadurch um 21 Prozent reduzieren. Gleichzeitig muss der Zugang zu Mobilität so verbessert werden, dass er auch der schätzungsweise einen Milliarde Menschen weltweit dient, die derzeit keine erschwinglichen Transportmöglichkeiten haben.

Das Sustainable Development Solutions Network (SDSN), in dem das Deutsche Institut für Entwicklungspolitik (DIE) ein aktives Mitglied ist, bewertet in seinem Bericht An Action Agenda for Sustainable Development Transport und Mobilität als Schlüsselelemente von Entwicklung und Produktivität. Innovationen werden notwendig sein, um nachhaltige und inklusive Produkte und Dienstleistungen im Bereich Mobilität in der notwendigen Art und Reichweite bereitzustellen und die entsprechenden Ziele der Post-2015-Agenda zu erreichen. Auch werden Verhaltensänderungen notwendig sein, um sich an diese Innovationen anzupassen und nachhaltigere Übergangsformen anzunehmen.

Mobilität ist wandelbar. Es ist entscheidend, die Transportbedürfnisse und -gewohnheiten der Konsumenten zu verstehen, die ihre wirtschaftlichen Aktivitäten und sozialen Interaktionen gestalten. Ob es mit dem Fahrrad zur Arbeit oder mit dem Tuk Tuk zum Markt geht – um den Transport haben sich Gewohnheiten gebildet, die das wirtschaftliche und soziale Verhalten prägen. Während die städtischen Autofahrer auf dem Weg zur Arbeit im Stau stehen, fährt ein Radfahrer ungehindert am Stau vorbei. Trotzdem stehen über eine Milliarde Autos von Lima bis Lagos im täglichen Verkehrsstau. Eine Vielzahl von Bedenken, die sich zum Beispiel auf Sicherheit und Verfügbarkeit beziehen, verhindert die Umsetzung nachhaltiger Mobilitätskonzepte. Wo sich neue Mobilitätslösungen durchsetzen, können diese häufig auch einen Kompromiss zwischen Inklusion und Nachhaltigkeit bedeuten.

Um der wachsenden und unterschiedlichen Nachfrage gerecht zu werden, muss nicht nur die Art der Transportdienstleistungen gesteigert werden, sondern auch ihr Umfang. Die Konsumenten von Transportdienstleistungen benötigen eine Reihe von Optionen, seien es ein Fahrradverleih oder eine verlängerte Buslinie. An die Bedürfnisse der Gesellschaft und der Individuen angepasst, maximieren nachhaltige und inklusive Transportlösungen den Nutzen und tragen (in)direkt zur Erreichung der Klimaschutzziele bei. Schließlich erleichtern sie wirtschaftliche Entwicklung. Kohärente politische Rahmenbedingungen, die etwa bei der Preisgestaltung die Kosten korrekt einfließen lassen, können derartige Innovationen in Gang setzen.

In den Megastädten der Entwicklungsländer leisten sowohl öffentlicher Nahverkehr als auch private Dienste wichtige Beiträge zur Steigerung der Mobilität. Während der Ausbau inklusiver öffentlicher Verkehrssysteme mittel- bis langfristig zu nachhaltigen Mobilitätslösungen führen kann, müssen kurzfristig die Transportmöglichkeiten insgesamt erweitert werden. Einige Beispiele für Dienstleistungsinnovationen aus der Share Economy sind dafür relevant.

Baby, you can drive my car
Die Share Economy kann durch die gemeinschaftliche Nutzung von Transportprodukten – z. B. Auto, Fahrrad, etc. – einer größeren Anzahl von Menschen Mobilität ermöglichen. Dadurch wird das Produkt zu einer Serviceleistung. Dies zeigt sich sowohl in Entwicklungs- wie in Industrieländern und wird seit einiger Zeit in anderen Bereichen praktiziert, etwa in der Telekommunikation.

Car-Sharing zwischen Fahrzeughalter und -mieter und den Verleih von Elektroautos gibt es mittlerweile zwischen Paris und Pune und Bike-Sharing zwischen Rio de Janeiro und Hangzhou. Diese innovativen Dienstleistungen, die die flexible Nutzung der Verkehrsträger erleichtern, realisieren bürgernahe Lösungen und bieten den Nutzern Vielfalt, um effizient ortsunabhängig zu sein. Diese nachhaltigen Mobilitätskonzepte ermöglichen den Car-Sharing-Kunden, an einer Serviceleistung teilzuhaben, die sie sich individuell nicht hätten leisten können.

In Frankreich bietet z. B. Buzzcar eine Car-Sharing-Plattform für Fahrzeughalter und -mieter, indem es das Risiko für beide übernimmt und ein Abrechnungssystem, eine Versicherung und eine Pannenhilfe zur Verfügung stellt. Zwar sind damit Vor- und Nachteile verbunden, doch gibt es ebenso mögliche Beiträge zur Wohlfahrt und Mobilität, indem private Autos von den Straßen genommen werden und gleichzeitig den Menschen, die sich kein individuelles Auto leisten können, die Nutzung ermöglicht wird. Buzzcar schätzt, dass durch ein gut genutztes Sharing-Auto auf 15 bis 20 individuelle Autos verzichtet werden kann. Autolib‘, eine Fortsetzung des Pariser Bike-Sharing-Systems Vélib', bietet überall in der Stadt Elektrofahrzeuge zur Miete an. Elektrofahrzeuge können auch in China, Indien und in einer Zahl weiterer Länder gemietet werden.

Kurzfristige Alternativen zu einem langfristig starren Transportsystem
Gegen innovative Geschäftsmodelle im Zusammenhang mit der Share Economy mag man sich vor ihrer Einführung gesträubt haben. Das eigene Auto gegen eine Gebühr an einen zufälligen Fremden verleihen? Ein Elektrofahrzeug an der Bordsteinkante mieten? Dies bedeutet, die Vorstellungen von Vertrauen und Risiko zu überdenken und sprengt die bisher auf Besitz beruhenden Formen der Mobilität. Sowohl in Entwicklungs- als auch in Industrieländern können Dienstleistungsinnovationen, die auf der bestehenden Infrastruktur basieren, zum Beispiel durch Bike- und Car-Sharing dazu beitragen, Ziele nachhaltiger und inklusiver Mobilität zu erreichen. Die Transportleistungen einer Share Economy haben in einer Vielzahl von Ländern eine à-la carte-Mobilität ermöglicht; sie sind nützliche Beispiele, wenn es darum geht, welche kurzfristigen Verbesserungen im Kontext einer mittelfristig nur schwer veränderbaren globalen Transportinfrastruktur erreicht werden können.

Diese Aktuelle Kolumne basiert auf den Ergebnissen einer Studienreise des 'Emerging Leaders in Energy and Environmental Policy (ELEEP) Programms.

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