Ein neues, altes Prinzip

Ownership für nachhaltige Entwicklungszusammenarbeit

Ownership für nachhaltige Entwicklungszusammenarbeit

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Keijzer, Niels / Stephan Klingebiel
Die aktuelle Kolumne (2019)

Bonn: German Development Institute / Deutsches Institut für Entwicklungspolitik (DIE), (Die aktuelle Kolumne vom 21.01.2019)

Bonn, 21.01.2019. Ownership kann mit Fug und Recht als das zentrale entwicklungspolitische Prinzip betrachtet werden. Nur wenn die Partner entwicklungspolitischer Kooperation die Vorhaben in einem Entwicklungsland als ihr „eigenes Ding“ betrachten und bei der Planung, Durchführung und Evaluierung eng eingebunden sind, kann Entwicklungszusammenarbeit dauerhaft erfolgreich sein. Daher stand bereits vor 50 Jahren ownership im Mittelpunkt entwicklungspolitischer Diskussionen. Gleichwohl gab es immer Zeiten, in denen internationale Partner zu den Entwicklungsländern eher einen donorship-Ansatz verfolgten, das heißt bewusst oder unbewusst vorgeschrieben haben was „gut“ für ein Partnerland ist. Umgekehrt betonen internationale Vereinbarungen zur entwicklungspolitischen Wirksamkeit (Paris 2005 und Busan 2011), das Pariser Klimaabkommen und die Agenda 2030 alle ‚national ownership‘. Auch im Rahmen von Süd-Süd-Zusammenarbeit hat das Prinzip einen wichtigen Platz.  

Insofern besteht ein sich durch die Jahrzehnte der Entwicklungspolitik ziehender Konsens, dass ownership gut und wichtig ist. Hieran ist zunächst einmal nichts falsch. Allerdings: Das Umfeld von Entwicklungspolitik und Entwicklungszusammenarbeit hat sich in den vergangenen fünf bis zehn Jahre massiv verändert. Entwicklungszusammenarbeit findet vermehrt und expliziter unter den Vorzeichen von Interessen der Geber statt – sei es die europäische Migrationsagenda, die direkte Förderung von Unternehmen in den jeweiligen Geberländern oder die kruden Kürzungsandrohungen der Trump-Administration. Und schließlich haben sich die Bedingungen in den Entwicklungsregionen selbst stark verändert – mehr Optionen bei der Entwicklungsfinanzierung, zum Beispiel durch Indien und China, bedeutet beispielsweise weniger Abhängigkeit von den traditionellen westlichen Gebern. Daher stellt sich eine zentrale Frage, die bislang aber kaum diskutiert wurde: Haben all diese Veränderungen keine einschneidende Bedeutung für unser Verständnis, wie wir heute auf ownership blicken sollten?

Ein ownership-Prinzip, welches schön klingt, aber letztlich der Interpretation jedes einzelnen Akteurs unterliegt und daher eigentlich keine echte Wirkung entfalten kann, läuft Gefahr, bedeutungslos zu werden. Das Deutsche Institut für Entwicklungspolitik (DIE) hat daher in einer umfassenden Studie sowohl den derzeitigen entwicklungspolitische Kontext eingehend untersucht, als auch Schlussfolgerungen für ein verändertes ownership-Verständnis gezogen, welche für heutige Diskussionen über wirksame Entwicklungszusammenarbeit wichtig sind.

Erstens, die Art und Weise, wie Entwicklungszusammenarbeit heute organisiert ist, hat Auswirkungen auf ownership – dies ist oft noch nicht ausreichend im Bewusstsein der Handelnden verankert. Zunehmend werden Mittel der Entwicklungszusammenarbeit für thematische Budgetlinien (Klimawandel, Beschäftigungsinitiativen etc.) vorgesehen, wodurch thematisch offene bilaterale Programme an Bedeutung verlieren. Die Zunahme an Treuhandfonds, Globalen Fonds und von anderen thematischen Mitteln haben zu einer Zentralisierung der Entscheidungsprozesse beigetragen. Dies führt dazu, dass Partnerländer oft weniger stark, indirekter und/oder an einem späten Zeitpunkt an Entscheidungen beteiligt sind. Es kann gute Gründe für einen inhaltlichen Schwerpunkt eines Gebers mit einer Region geben, aber dies kann im Konflikt stehen mit nationalen Entwicklungsprioritäten.

Zweitens hat sich in den vergangenen Jahren sinnvollerweise eine Sichtweise herausgebildet, dass Entwicklungszusammenarbeit nicht allein auf die Regierung in einem Partnerland ausgerichtet sein sollte. Diese Multi-Akteurs-Perspektive ist richtig und wichtig. Und sie hat dazu beigetragen, dass wir in den vergangenen Jahren abgerückt sind von einer ownership, die sich vorrangig an den Regierungen der Partnerländer orientiert. Vielmehr zielen viele Bemühungen darauf ab Parlamente, zivilgesellschaftliche Akteure, den Privatsektor und andere Partner einzubinden. Zugleich führt ein solches Vorgehen aber oft zu Zielkonflikten. Was ist, wenn ein Parlament de facto nur wenig entwicklungsorientiert ist und Abgeordnete ihre Rolle für kurzfristige politische Ziele nutzen und damit zu Blockierern werden (so etwa in teilweise in Liberia)? Oder wie sollte ownership jenseits der Regierung in den Ländern erreicht werden, wo unabhängige Betätigungsmöglichkeiten etwa für zivilgesellschaftliche Gruppen nur sehr begrenzt möglich sind (beispielsweise in Ruanda)? Die wichtige Debatte über zunehmende Einschränkung der zivilgesellschaftlichen Handlungsspielräume als einen übergreifenden Trend in vielen Regionen der Welt zeigt, dass dieses Problem sich vermehrt stellt.

Was bedeuten die sehr unterschiedlichen Trends und dynamischen Rahmenbedingungen für ein ownership-Prinzip heute? Unsere Studie zeigt, das ownership ein zentrales Prinzip bleibt, um entwicklungspolitische Wirkungen nachhaltig erreichen zu können. Wir haben es aber vielfach mit Zielkonflikten zu tun. Die Einbeziehung von mehr Akteuren kann zugleich mit Effizienzverlusten einhergehen. Mehr ownership durch Partner in Entwicklungsländern steht Kontrollbedürfnissen auf der Geberseite tendenziell entgegen. Hierzu gibt es keine einfachen und perfekten Lösungen. Allgemein formuliert sollte es verstärkt um die Förderung von kontextrelevanter ownership gehen (Welche Akteure einbeziehen? Wie ownership befördern, wenn es sich um thematisch festgelegte Mittel geht? etc.): hierin sehen wir die sich verändernde entwicklungspolitische Herausforderung.

Über die Autor*innen

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