Post-2015: Die Zukunft der Vereinten Nationen in der Entwicklungszusammenarbeit

Post-2015: Die Zukunft der Vereinten Nationen in der Entwicklungszusammenarbeit

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Mahn, Timo / Kristinn Sv. Helgason
Die aktuelle Kolumne (2014)

Bonn: German Development Institute / Deutsches Institut für Entwicklungspolitik (DIE) (Die aktuelle Kolumne, 12.05.2014)

Bonn, 12.05.2014. Allem Anschein nach wird die Post-2015-Agenda für nachhaltige Entwicklung deutlich anders aussehen als die Millenniumsentwicklungsziele, die seit dem Jahr 2000 den Bezugsrahmen für globale Entwicklung darstellen. Wichtige Entwicklungsakteure wie Weltbank, Europäische Kommission und OECD/ DAC richten deshalb derzeit „den Blick nach innen“, um zu prüfen, was eine integrierte und universelle Agenda für ihre Aufgaben, Geschäftsmodelle und Strukturen bedeutet. Die Mitgliedstaaten der Vereinten Nationen (United Nations, UN) indes müssen solche strategischen Überlegungen noch anstellen. Wenn sich die notwendige Debatte um das Thema „fit for purpose“ weiter verzögert, laufen die UN Gefahr, zunehmend ins Abseits zu geraten.

Am 15. und 16. Mai 2014 treffen sich in New York die größten Beitragszahler für UN-Entwicklungszusammenarbeit mit ihren UN-Partnern zu einem ersten informellen Austausch zu dieser Frage. Schirmherrin ist die einflussreiche „Utstein-Gruppe“, an deren Gründung Deutschland vor 15 Jahren beteiligt war. Zur Vorbereitung hat das UN-Management vergangene Woche das Thema „fit for purpose“ im Koordinierungsrats der Leiter der UN-Organisationen erörtert. Die Entwicklungsdiplomatie auf höchsten Ebenen nährt die Hoffnung, dass nun auch die Mitgliedstaaten Schwung in die Debatte bringen.

Neuer Typus von Durchführungsorganisationen benötigt

Dass der von anhaltenden Verwerfungen gezeichnete Wandel der entwicklungspolitischen Landschaft eine strategische Neuausrichtung der UN-Entwicklungspolitik verlangt, wird immer offensichtlicher. Zum einen prägen globale öffentliche Güter wie etwa stabile Finanzmärkte oder die Eindämmung grenzüberschreitender Epidemien zunehmend die Entwicklung. Zum anderen haben sich die Umstände vieler Länder grundsätzlich verändert. Dies gilt insbesondere für aufstrebende wirtschaftliche und politische Mächte wie China. Viele fragile Staaten und einige Länder niedrigen Einkommens bleiben schließlich von traditioneller Hilfe abhängig. Die Vielfalt der Entwicklungspfade in den Ländern geht Hand in Hand mit neuen Erwartungen an eine Post-2015-Agenda, die globale öffentliche Güter stärker in den Blick nimmt. Eine Neuausrichtung der UN-Entwicklungszusammenarbeit erscheint deshalb unumgänglich. Immer wichtiger werden Aktivitäten in neuen Bereichen, etwa der Anpassung an den Klimawandel oder Beratung dazu, wie wachsender Ungleichheit politisch begegnet werden kann. In dem Maß, wie sich Länder fortentwickeln, werden ihre Probleme vielschichtiger und mehrdimensional. Dem müssen die UN mit ihrem Kompetenz-  und Leistungsangebot gerecht werden. Vielfach heißt das für UN-Experten, über Organisationsgrenzen hinweg effektiv zusammenzuarbeiten. Die Zusammenlegung überlappender Mandate im Sinne der „Einheit in der Aktion“ (delivering as one) muss möglicherweise Teil einer „fit for purpose“-Agenda der UN im Bereich Entwicklung sein. Querschnittsthemen lassen sich am wirkungsvollsten durch das Setzen neuer Normen, Regeln und Vorschriften angehen – wofür die UN dank ihrer universellen Mitgliedschaft prädestiniert sind. Die Mitgliedstaaten bei deren innerstaatlicher Umsetzung zu unterstützen, ist eine wichtige Zukunftsaufgabe der Vereinten Nationen.

Relevanz der UN für Entwicklung steht auf dem Spiel

Während das UN-Management die Auswirkungen einer integrierten Agenda auf die UN im Bereich Entwicklung inzwischen erkennt, haben die Mitgliedstaaten die Diskussion eben erst eröffnet. Das Utstein-Treffen ist deshalb ein willkommenes Zeichen. Statt die Post-2015-Agenda am Vorhandenen auszurichten, sollten die Mitgliedstaaten zunächst eine Vision für die zukünftige Rolle der UN auf dem Gebiet der Entwicklung entwerfen, um dann die Mandate, Strukturen und Finanzen passgenau auszurichten. Die UN im Bereich Entwicklung „fit for purpose“ zu machen, ist entscheidend, um die Relevanz der Organisation in der Entwicklungszusammenarbeit auch in Zukunft zu erhalten.

Fit for purpose“-Reformen voranbringen

Die „Vogel-Strauß-Politik“ der Vergangenheit ist keine Option mehr. Allerdings besteht kaum Einigkeit, wie ein Dialog zum Thema „fit for purpose“ am besten anzustoßen wäre. Die Verhandlung der Post-2015-Agenda könnte einen wichtigen Impuls für den Dialog über die Zukunft der UN im Bereich Entwicklung geben. Der Dialogprozess könnte mit der Einrichtung eines hochrangigen Gremiums oder Reformausschusses beginnen, dessen Erkenntnisse von allen UN-Mitgliedern zu diskutieren wären. Da westliche Geber ca. 60 Prozent der UN-Entwicklungsarbeit finanzieren, bleibt ihr Einfluss gewichtig und ihre Unterstützung würde einem „fit for purpose“-Dialog deutlichen Rückenwind geben. Letztlich muss die Koalition der Befürworter jedoch viel breiter sein – und vor allem die Schwellenländer umfassen. Diese streben nach globalem Einfluss. Ein UN-Entwicklungssystem, das „fit for purpose“ ist, würde sich als geeignetes Gestaltungsforum anbieten. Eine Partnerschaft zwischen traditionellen Geberländern und Schwellenländern wäre ein starkes Signal. In einem konstruktiven Dialog zu „fit for purpose“ sollten dabei auch die früheren Tabuthemen wie Finanzierung und Reformen der Aufsichtsräte der UN-Entwicklungsorganisationen auf den Tisch kommen.

Über den Autor

Mahn Jones, Timo Casjen

Politikwissenschaftler

Mahn Jones

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