Süd-Süd-Kooperation und westliche Hilfe: von- und miteinander lernen?

Süd-Süd-Kooperation und westliche Hilfe: von- und miteinander lernen?

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Berger, Axel / Sven Grimm
Die aktuelle Kolumne (2010)

Bonn: German Development Institute / Deutsches Institut für Entwicklungspolitik (DIE) (Die aktuelle Kolumne vom 06.09.2010)

Bonn, 06.09.2010. In der Entwicklungspolitik sind neben den westlichen Gebern zunehmend auch Schwellenländer tätig. Diese neuen Geber, wie z. B. China, Indien, Brasilien oder auch Südafrika, treten zu einem Zeitpunkt auf die Bühne, da die westliche Gebergemeinschaft mühsam versucht, ihr Engagement in Entwicklungsländern zu reformieren. Die Paris-Erklärung aus dem Jahr 2005, eine Vereinbarung von Geber- und Empfängerländern zur Erhöhung der Wirksamkeit der Hilfe, ist die Messlatte hierfür. Viele sehen durch das wachsende Engagement der neuen Geber die Standards westlicher Entwicklungspolitik in Gefahr, da deren Süd-Süd-Kooperation anderen, nicht westlichen Prinzipien und Mechanismen folgt. Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, ob eine Entwicklungs-Kooperation zwischen traditionellen und neuen Gebern zum Wohle ärmerer Entwicklungsländer möglich und sinnvoll ist? Kann man im Rahmen von solchen Kooperationen voneinander, vielleicht sogar miteinander lernen?

Was genau ist Süd-Süd-Kooperation?
Die „neuen“ Geber – manche unterstützen schon seit Jahrzehnten ärmere Entwicklungsländer – sehen ihre Hilfe in einem anderen Zusammenhang als die westliche Entwicklungspolitik. Sie verstehen ihr wachsendes Engagement nicht als reinen Finanztransfer und sie verknüpfen ihre Hilfe mit Handelspräferenzen und der Förderung von ausländischen Direktinvestitionen ihrer Unternehmen.

Aus Sicht der Süd-Geber gibt die Verbindung mit Investitionen (und damit die Bindung an Lieferungen aus dem Geberland) bereits eine Antwort auf die Frage nach der Wirksamkeit: „Wir haben unsere Unternehmen platziert – und waren daher wirksam“. Nicht Altruismus ist das bestimmende Wesensmerkmal dieses Engagements, sondern der beiderseitige Nutzen, also der Versuch, in beiden Ländern Entwicklung zu fördern. Dieses Prinzip der Süd-Süd-Kooperation wird seit der Konferenz der Blockfreien Staaten in Bandung 1955 von Entwicklungsländern hochgehalten.

Doch eine klare Definition für Süd-Süd-Kooperation steht noch aus. Wann handelt es sich um Exportförderung und wann ist ein ausreichender beiderseitiger Nutzen gegeben? Mit anderen Worten: es fehlt das Kriterium, wann die Kooperation über eine bloße Exportförderung hinausgeht.

Von Entwicklungshilfe hin zu einer Politik für globale Entwicklung
Eine neue Sinndiskussion von Entwicklungszusammenarbeit jenseits der Paris-Agenda ist aber offenbar auch im „Norden“ notwendig. Nachdem bereits einige renommierte afrikanische Ökonomen mit Forderungen nach der Abschaffung von Entwicklungshilfe Aufsehen erregt haben, ruft nun mitten in die Anstrengungen zur Neuausrichtung der Entwicklungspolitik Jean-Michel Severino, ehemaliger Leiter der französischen Entwicklungsagentur, das „Ende der Entwicklungshilfe“ aus. Dies ist nicht als Kapitulation vor den Herausforderungen zu verstehen, sondern als Beitrag zum Umdenken, so Severino. Beziehungen zwischen Gebern und Nehmern – ob Nord-Süd oder Süd-Süd – sind immer von Ungleichheit geprägt: Einer gibt, der andere nimmt. Diese Grundphilosophie lehnen immer mehr Länder des Südens ab.

Nach 2015, also dem Stichdatum für die Millenniumsziele, muss es darum gehen, den Aufbau globaler Entwicklungspartnerschaften in das Zentrum der Diskussion zu stellen. Diese Entwicklungspartnerschaften sollten gemeinsame Beiträge zur Schaffung öffentlicher Güter wie Frieden und eine saubere Umwelt leisten. Entwicklungshilfe allein reicht dafür nicht aus; die Partnerschaft muss breiter sein. Da dies nicht ohne die großen Schwellenländer bewerkstelligt werden kann, sollte mit ihnen über Formen, Inhalte und Standards einer derartigen Zusammenarbeit gesprochen werden.

Dreieckskooperation als Weg zu einem gemeinsamen Ziel?
Gegenwärtig werden Dreieckskooperationen intensiv diskutiert, d. h. Kooperationen mit neuen Gebern in einem weiteren Entwicklungsland. Dies geschieht auch, um Einfluss nehmen zu können auf die Praxis Chinas, Indiens oder Brasiliens in Entwicklungsländern.

Im Gegensatz zu dieser Position, liegt das größte Potential der Dreieckskooperation darin, dass sie als strategische Brücke zwischen westlicher Entwicklungspolitik und Süd-Süd-Kooperation dienen kann. In der Praxis gibt es jedoch nur wenige, kleinteilige Projekte vor allem mit lateinamerikanischen Ländern wie Mexiko oder Chile in Drittstaaten der Region. China und Indien sind bisher an einer Dreieckskooperation kaum interessiert, da sie als Vehikel betrachtet wird, mit dem der Westen seine Standards zu exportieren versucht. Westliche Geber betonen Vorteile der Dreieckskooperation wie Kostensenkungen, gemeinsames Lernen oder den Rückgriff auf besondere Kenntnisse der Partner. Gleichzeitig kann von Dreieckskooperationen nicht automatisch eine bessere Wirksamkeit der Hilfe erwartet werden: Die Vielzahl kleinteiliger Projekte ist nach den gängigen Wirksamkeits-Kriterien durchaus problematisch.

Angesichts der ohnehin weit verbreiteten Skepsis der neuen Geber gegenüber der Paris-Agenda – verstanden als Trojanisches Pferd des Westens – sollte nicht „Paris“ die Debatte bestimmen. Dass der Nord-Süd-Gegensatz vor den sich verändernden globalen Rahmenbedingungen nicht unbedingt fortgesetzt werden muss, zeigte ein internationaler Austausch zu den Potentialen von Dreieckkooperationen im August 2010 im Rahmen der Global Governance School am Deutschen Institut für Entwicklungspolitik (DIE), an dem Forscher und Praktiker aus China, Indien, Brasilien, Südafrika und anderen Schwellenländern teilnahmen. Gemeinsame Diskussionen und konkrete Forschungskooperationen des DIE mit chinesischen, indischen oder südafrikanischen Partnern führen zu neuen Perspektiven auf beiden Seiten.

Dreieckskooperation ist keine Einbahnstraße, durch die die aufstrebenden Geber „eingebunden“ werden, um unsere Standards zu lernen. Wenn die globalen Partnerschaften Wirklichkeit werden sollen, muss das alte Nord-Süd-Denken überwunden werden, das allzu oft noch die Debatte bestimmt. Gemeinsame Problemlösungen müssen im Zentrum stehen. Und dies geschieht auf Augenhöhe von Partnern mit unterschiedlichen Erfahrungen. Beide Seiten, der „Westen“ und der „Süden“, müssen im Interesse der Entwicklungsländer versuchen, voneinander und vielleicht sogar miteinander zu lernen.

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