Technische Fragen dürfen die Klimafinanzierung nicht ausbremsen

Technische Fragen dürfen die Klimafinanzierung nicht ausbremsen

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Pauw, Pieter / Adis Dzebo
Die aktuelle Kolumne (2014)

Bonn: German Development Institute / Deutsches Institut für Entwicklungspolitik (DIE) (Die aktuelle Kolumne, 26.05.2014)

Bonn, Stockholm, 26.05.2014. Das Jahr 2014 ist erneut ein entscheidendes Jahr für die internationale Klimafinanzierung. Es wird eines der wichtigen Themen auf dem Klimagipfel der Vereinten Nationen (UN) im September 2014 sein, zu dem Generalsekretär Ban Ki-moon eingeladen hat. Vergangene Woche fasste zudem das Direktorium des Grünen Klimafonds unter Hochdruck die noch ausstehenden Beschlüsse, um den Fonds bis Jahresende handlungsfähig zu machen. Unklarheit besteht weiterhin bei der Einbindung von Klimainvestitionen des Privatsektors, was die Entscheider jedoch nicht davon abhalten sollte, ihn stärker in die Klimafinanzierung einzubinden.

Auf dem UN-Klimagipfel 2010 in Cancún haben die Industrieländer zugesagt, ab 2020 jährlich 100 Mrd. USD an Klimafinanzierung zu mobilisieren. Auch der Privatsektor wird als eine der Finanzierungsquellen gezählt. Je näher das Jahr 2020 rückt, desto mehr Beachtung schenkt die internationale Klimadebatte diesem privatwirtschaftlichen Beitrag. Mit Recht befürchten Entwicklungsländer, dieser Fokus könne den Zufluss der ohnehin begrenzten öffentlichen Mittel für konkrete Maßnahmen verzögern und reduzieren. Die Mobilisierung privater Mittel ist jedoch von großer Bedeutung für globale Anpassungs- und Minderungsinitiativen – auch in Entwicklungsländern. Wir können nicht zulassen, dass uns die „100-Milliarden-Dollar-Frage“ in die Quere kommt.

Auf der Suche nach Wegen, private Investitionen zu mobilisieren, die zu den 100 Mrd. USD beitragen, sind viele technische Fragen zu beantworten. Daher dreht sich die Klimafinanzierungsdebatte vermehrt um komplexe Themen wie die Berichterstattung, Wiederholung und Ausweitung privater Klimainvestitionen im großen Maßstab. Paradoxerweise besteht die Gefahr, dass gerade diese Debatte die Mobilisierung privater Mittel verzögert.

Zunehmend wird versucht, private Klimafinanzierung zu beziffern und nachzuverfolgen. Die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) und andere untersuchen zum Beispiel Möglichkeiten und Methodiken zur Messung der Größenordnung mobilisierter privater Klimainvestitionen. Analysiert wurden bisher vor allem Mittel für Projekte zur Minderung des Klimawandels; die Aussagekraft ist jedoch wegen Datenmangels begrenzt. Der erneuerbare Energiensektor stellt eine Ausnahme dar, umfassende Daten zu Investitionen im Bereich Energieeffizienz, Transportwesen, Land- und Forstwirtschaft gibt es hingegen nicht. Bei der Anpassungsfinanzierung ist die Lage noch komplizierter.

Hinzukommen Schwierigkeiten bei der Zuordnung, Zusätzlichkeit und den Definitionen von „privat“, sowie „Klimafinanzierung“. Die Zuordnung von Finanzierungsflüssen soll doppelte Zählungen verhindern: Sind mehrere Akteure beteiligt, darf die Investition nicht mehrmals zugeordnet werden. Zusätzlichkeit privatwirtschaftlicher Finanzierung heißt, es ist nachzuweisen, dass die private Investitionen z. B. in Solarenergie im Land Y nicht ohne öffentlichen Interventionen aus Land X getätigt worden wären. Dies zu belegen kann schwer sein, insbesondere bei indirekten Ursache-Wirkung Beziehungen. Und schließlich sorgt das Fehlen anerkannter Definitionen von „privat“ und „Klimafinanzierung“ für Informationslücken und ein unterschiedliches Verständnis bei den Akteuren.

Auf diese Weise entstehen Ungenauigkeiten und Mehrdeutigkeiten, so dass es schwer ist zu ermitteln, wie viel private Klimafinanzierung tatsächlich fließt. Das wiederum verunsichert Entwicklungsländer und lässt sie an der Klimafinanzierung bis 2020 zweifeln, und daran ob die 100 Mrd. USD erreicht werde.

Eine weitere wichtige Frage, die die Expertengruppe zu Klimawandel der OECD derzeit zu beantworten versucht, ist, wie sich Klimamaßnahmen replizieren und ausweiten lassen. Erfolgreiche Beispiele für öffentlich-private Projekte finden sich sowohl in Minderung als auch Anpassung, doch im letzteren scheint die größere Herausforderung zu liegen. Den Analysen zufolge lässt sich das gewünschte private Engagement durch effektive öffentliche Mittel und Politik stimulieren, wie etwa durch geeignete  rechtliche und institutionelle Rahmenbedingungen, den Aufbau technischer Kapazitäten und Strategien zur Risikominimierung. Öffentlichen Mitteln können auch zur Schließung von Informationslücken genutzt werden.

Die Bemühungen, alle offenen Fragen zu klären und die genannten Möglichkeiten auszuschöpfen, müssen weitergehen. Dabei kommt es darauf an Vertrauen zwischen Industrie- und Entwicklungsländern aufzubauen, vor allem hinsichtlich der Berichterstattung und Zuweisung von Verantwortung, sowie der Überprüfung der tatsächlichen Wirkung von Investitionen vor Ort. Gleichwohl muss anerkannt werden, dass manche Punkte niemals vollständig geklärt oder immer kontrovers sein werden.

Der Fünfte Sachstandsbericht des Zwischenstaatlichen Ausschusses für Klimaänderungen (IPCC) betonte unlängst, wie dringend höhere Investitionen sowohl in Minderungsmaßnahmen als auch in Anpassung sind. Die Unentschlossenheit in den oben erwähnten Fragen darf die Klimafinanzierung nicht ausbremsen. Das oberste Ziel besteht nicht darin, das 100-Milliarden-Dollar-Ziel zu erreichen, sondern auf dem Weg zu kohlenstoffarmen und klimaresilienten Gesellschaften voranzukommen.

Pieter Pauw, Abteilung „Umweltpolitik und Ressourcenmanagement“, Deutsches Institut für Entwicklungspolitik (DIE)
Adis Dzebo, Research Associate, Stockholm Environment Institute (SEI)

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