Wahlen in Myanmar: Zeichen eines „burmesischen Frühlings“?

Wahlen in Myanmar: Zeichen eines „burmesischen Frühlings“?

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Bader, Julia / Mark Furness
Die aktuelle Kolumne (2012)

Bonn: German Development Institute / Deutsches Institut für Entwicklungspolitik (DIE) (Die aktuelle Kolumne vom 02.04.2012)

Bonn, 02.04.2012. Nachdem der Frühling in Myanmar (auch als Burma bezeichnet) lange auf sich warten ließ, haben die parlamentarischen Nachwahlen am 1. April, nach Jahrzehnten autoritärer Herrschaft Hoffnungen auf ein demokratisches Aufblühen geweckt.

Es steht viel auf dem Spiel: Mit den Wahlen erhielt Oppositionsführerin Aung San Suu Kyi die erfolgreiche zweite Chance auf einen Parlamentssitz, nachdem ihre Partei die Wahlen von 2010 boykottiert hatte und verboten worden war. Auch die internationale Gemeinschaft schaute gespannt zu, denn die Wahlen entscheiden darüber, ob die USA und die Europäische Union (EU) ihre Sanktionen aufheben und damit den Weg für Entwicklungshilfe an die Regierung Myanmars frei machen. Mehrere hochrangige Delegationen von beiden Kontinenten waren unlängst zu Gast – einerseits zum Zeichen der Unterstützung für die aktuellen Reformen der neuen „zivilen Regierung“, andererseits um das gesteigerte Interesse westlicher Unternehmen zu demonstrieren, in Myanmars wenig entwickelte Wirtschaft zu investieren.

Während von den USA aufgrund der amerikanischen Präsidentschaftswahlen im November vorerst wenig Aktionismus erwartet wird, ist die EU bereit für weitere Schritte. Vor kurzem hat sie Reise-Sanktionen aufgehoben, die Eröffnung eines Büros in Rangun angekündigt und den in Myanmar tätigen nichtstaatlichen Hilfsorganisationen Gelder im Wert von 150 Millionen Euro für die nächsten zwei Jahre zugesagt. Die übrigen gegen Myanmar verhängten Restriktionen treten am 30. April 2012 außer Kraft.

Die EU will die Reformen der Regierung Myanmars unterstützen, ohne jedoch eine klare Vorstellung davon zu haben, was hierfür die beste Strategie ist. Sollten die Sanktionen alle auf einmal oder lieber schrittweise aufgehoben werden? Sollte Myanmar im Rahmen der Marktzugangsinitiative EBA (Everything but Arms – Alles außer Waffen) ein präferenzieller Zugang zum EU-Markt gewährt werden? Sollte Entwicklungshilfe fließen, ohne jedoch die wirtschaftlichen Sanktionen aufzuheben? Diese Fragen reflektieren eine breitere Brüsseler Debatte darüber, wie Entwicklungshilfe als Anreiz für gute Regierungsführung und demokratischen Wandel eingesetzt werden kann. Sie drücken auch die Unsicherheit über die weitere Entwicklung in Myanmar aus, sowie die Befürchtung, die jüngsten Reformen könnten wieder zurückgenommen werden.

Der steinige Weg zur Demokratie
Auch wenn man den Reformbemühungen Präsident Thein Seins glauben möchte, ist die Frage, ob er seine Versprechen wird halten können, legitim – vor allem mit Blick auf seine eigene militärische Vergangenheit. Nicht zuletzt durch Aung San Suu Kyis Unterstützung konnte Thein Sein die Öffentlichkeit von seinem Reformwillen überzeugen. Dennoch gibt es viele Hindernisse zu überwinden: von der Lagerbildung im Inneren der Regierung bis hin zu der begrenzten Fähigkeit der Staatsorgane, neue Gesetze zu entwerfen und umzusetzen, von den ungelösten Konflikten mit den ethnischen Minderheiten, die die Stabilität des Landes bedrohen, ganz zu schweigen.

Der Weg zur Demokratie ist lang und steinig. Doch die Erfahrung zeigt, dass Demokratisierungsprozesse dann am erfolgversprechendsten sind, wenn sie von innen angestoßen werden. Dies ist in Myanmar eindeutig der Fall, auch wenn er gerade erst begonnen hat. Das Dilemma der EU besteht darin, dass die Reformer in Myanmar zeitnahe Unterstützung brauchen, soll der Prozess nicht ins Stocken geraten. Gleichzeitig mag es aber klüger sein, mit Zugeständnissen zu warten, falls erneut reaktionäre Kräfte an die Macht kommen. Gleichwohl kann ein solches risikoaverses Vorgehen dem Westen nur für den Fall, dass die Reformen fehlschlagen, Peinlichkeiten ersparen. Unter dem Strich sind die Aufhebung von Sanktionen und die Wiederaufnahme der Entwicklungshilfe für Myanmar der richtige Weg.

Wie die Europäische Union den Reformprozess am besten unterstützen kann
Vieles spricht dafür, alle verbleibenden Sanktionen gleichzeitig aufzuheben und positive statt negative Anreize zu setzen. Bisher hatten die Sanktionen gegen Myanmar keinen Einfluss auf dessen Führung, warum sollten sie dies also in Zukunft haben? Darüber hinaus könnte eine Aufhebung aller Sanktionen den Reformern helfen, den Widerstand der Günstlinge im Militärapparat zu brechen, die ihre persönlichen Interessen durch Wirtschaftsreformen gefährdet sehen. Und letztendlich ist es die Bevölkerung, die unter den negativen Auswirkungen von Wirtschaftssanktionen, d. h. einer verschlechterten Menschenrechtslage und wirtschaftlichen Engpässen, am meisten zu leiden hat. Ohne die baldige Verbesserung des Lebensstandards der Menschen in Myanmar sind Unruhen vorprogrammiert. Doch nichts böte den Hardlinern in der Regierung eine bessere Ausrede für die Rückkehr zu Unterdrückung als öffentliche Ausschreitungen.

Die breite Bereitschaft der Staatengemeinschaft Myanmar zu unterstützen, ist ein gutes Zeichen. Aber der Wandel zur Demokratie ist schwer. Früher oder später wird es Rückschläge geben. Und dann können ausländische Finanzmittel, wie auch immer beabsichtigt, in den Verdacht geraten, zur Stabilisierung repressiver Herrschaft beizutragen. Daher ist es von entscheidender Bedeutung, dass europäische Unterstützung vor Ort mit anderen externen Akteuren abgestimmt wird, damit alle Geber in einer kohärenten Art und Weise auf Rückschläge reagieren.

Hierzu gehört, dass Europa die zentrale Rolle der Association of Southeast Asian Nations (ASEAN) anerkennt. Die Gruppe der ASEAN-Staaten ist die Referenzgruppe für die Führungsspitze Myanmars. Zwar waren auch ASEANs Bemühungen, Myanmar einzubeziehen, bisher durchwachsen, doch unter dem Strich scheint dieser Ansatz erfolgreicher zu sein als der Isolationismus des Westens. Ähnlich wie im Erweiterungsprozess der Europäischen Union stellt die Aussicht auf Mitgliedschaft und darauf, anerkannt zu werden, den stärksten Anreiz für Reformen dar. Die Regierungschefs der ASEAN-Staaten haben Myanmars Bewerbung um den Vorsitz des Verbands für 2014 angenommen, um den Druck auf die Junta zu erhöhen. Sie riskieren damit internationale Kritik, falls Myanmar den Erwartungen nicht gerecht wird. In jüngster Vergangenheit hat sich diese Strategie jedoch bewährt.

Wenn die für 2015 angesetzten Parlamentswahlen in Myanmar glaubwürdig sein sollen, muss die europäische Unterstützung für politische Reformen und den Aufbau staatlicher Kapazitäten jetzt beginnen. Mittel hierfür sind vorhanden, da kürzlich beschlossen wurde, die Entwicklungshilfe für einige andere asiatische Länder, die in ihrer Entwicklung vorangekommen sind, einzustellen. Myanmar bietet den EU-Mitgliedstaaten und der Europäischer Kommission eine Gelegenheit, ihre Entwicklungszusammenarbeit gemeinsam zu programmieren. So ließe sich eine einheitliche EU-Strategie entwickeln, die zwischen der Regierung Myanmars und einem federführenden EU-Partner auszuhandeln wäre. Eine gemeinsame Strategie zu entwickeln mag auf der Hand liegen, doch bis dato stimmen die EU-Mitgliedstaaten ihre bilateralen Aktivitäten nur ungern untereinander ab, vor allem wenn diese große Aufmerksamkeit erregen. Im Gegensatz zu den EU-Mitgliedstaaten kann sich die Kommission einen längeren Planungshorizont erlauben und Budgethilfe (direkte Zuschüsse in den Staatshaushalt) mutiger einsetzen, um in sensiblen Partnerländern Anreize zu schaffen. So wäre Entwicklungszusammenarbeit wirkungsvoller, besser planbar und mit weniger Transaktionskosten für die Regierung Myanmars verbunden. Wenn ASEAN etwas riskieren kann, sollte die EU das auch können.

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