Wasser-Energie-Ernährung: brauchen wir eine Nexus-Perspektive? Die Bonner Nexus-Konferenz

Wasser-Energie-Ernährung: brauchen wir eine Nexus-Perspektive? Die Bonner Nexus-Konferenz

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Dombrowsky, Ines
Die aktuelle Kolumne (2011)

Bonn: German Development Institute / Deutsches Institut für Entwicklungspolitik (DIE) (Die aktuelle Kolumne vom 14.11.2011)

Bonn, 14.11.2011. Die Bundesregierung veranstaltet unter Schirmherrschaft der Bundeskanzlerin vom 16. bis 18. November 2011 die internationale Konferenz „Bonn2011: The Water, Energy and Food Security Nexus – Solutions for the Green Economy“. Sie hat das Ziel, neue Lösungen zur Sicherung der weltweiten Wasser-, Energie- und Nahrungsmittelversorgung zu entwickeln. Mit der Konferenz – an der 500 eingeladene Entscheidungsträger und -vorbereiter aus Politik, Wissenschaft, internationalen Organisationen, Zivilgesellschaft und Privatsektor teilnehmen – leistet die Bundesregierung einen Beitrag zur Konferenz der Vereinten Nationen für nachhaltige Entwicklung „Rio2012“.

Warum eine Nexus-Perspektive?
Das globale Bevölkerungs- und Wirtschaftswachstum sowie der Klimawandel führen dazu, dass die Nachfrage nach Energie, Nahrungsmitteln und Wasser weiter zunehmen wird. Dies birgt die Gefahr einer weiteren Übernutzung natürlicher Ressourcen, inklusive möglicher Kipppunkte des Erdklimas, und einer Verschärfung von Verteilungskonflikten um diese Ressourcen. Gleichzeitig sind derzeit knapp eine Milliarde Menschen unterernährt, knapp eine Milliarde haben keinen Zugang zu sicherem Trinkwasser und 1,5 Milliarden keine Elektrizitätsversorgung.

Vor diesem Hintergrund nimmt der Nexus-Ansatz den Wasser-, Energie- und Agrarsektor gleichzeitig in den Blick, weil Ansätze in einem Sektor allein häufig zu kurz greifen und es teilweise zu Zielkonflikten zwischen den Sektoren kommt.

Ein Paradebeispiel für eine Technologie, die aus einer Nexus-Perspektive kritisch zu sehen ist, sind Biokraftstoffe, die einerseits zu einer kohlenstoffarmen Entwicklung beitragen und mancherorts den Agrarsektor stärken, die andererseits aber die Produktion von Nahrungsmitteln verdrängen können („Tank statt Teller“) und häufig mit Schadstoffeinträgen in Gewässer und einem hohen Wasserverbrauch einhergehen. Windenergie hingegen ist in dieser Hinsicht eher unkritisch. Ein Ansatz, der aus einer Nexus-Perspektive positiv bewertet wird, ist die Wiederverwendung von aufbereitetem Abwasser und Klärschlamm für die Wasserversorgung, Nahrungsmittelproduktion und Energieerzeugung. Ein weiteres Beispiel: In wasserarmen Regionen wird unter Einsatz fossiler Energieträger zunehmend Süßwasser durch Meerwasserentsalzung erzeugt. Da aber viele wasserarme Länder reich an Sonneneinstrahlung sind, könnte dieses Negativbeispiel in ein Positivbeispiel umgewandelt werden, indem Solarenergie verwendet wird.

Der Ansatz der Bonn-Konferenz
Die Bonner Nexus-Konferenz setzt den Fokus auf drei Aktionsfelder: (1) Wie kann der Zugang zu Basisversorgung mit Wasser, Energie und Nahrungsmitteln verbessert werden (die soziale Dimension)? (2) Wie kann mehr Wohlstand mit weniger Ressourceneinsatz erreicht werden (die ökonomische Dimension)? (3) Wie kann in den Erhalt von Ökosystemdienstleistungen investiert werden (die ökologische Dimension)? Es geht insbesondere darum, Interdependenzen zwischen Wasser-, Energie- und Agrarsektor einschließlich des Einflusses von Handels-, Investitions- und Klimapolitiken besser zu verstehen, um auf dieser Basis Synergien zu befördern und Zielkonflikte zu vermeiden. Gleichzeitig will die Konferenz Empfehlungen für förderliche Rahmenbedingungen und Anreize zur Berücksichtigung dieser Interdependenzen und zur Förderung einer ökologischen Wirtschaft („green economy“) entwickeln, wobei auffällt, dass das Programm diesen Punkten eher weniger Raum einräumt.

Ist der Nexus-Ansatz neu?
Aus einer Wasserperspektive könnte man argumentieren, dass integrierte Ansätze nicht neu sind. So propagieren diverse Akteure seit etwa zwei Jahrzehnten ein Integriertes Wasserressourcen-Management (IWRM). Bei dem IWRM geht es um eine „koordinierte Bewirtschaftung von Wasser, Land und damit verbundenen Ressourcen“ einschließlich der Koordination verschiedener wassernutzender Sektoren. Eine Lehre aus dem IWRM-Ansatz ist, dass die Koordination und der Interessensausgleich zwischen den verschiedenen wassernutzenden Sektoren eine große Herausforderung bleibt. Der Forscher François Molle spricht sogar von einem Nirwana-Konzept. Ein Grund ist, dass z. B. der Energie- und der Agrarsektor wenige Anreize haben, sich um die Auswirkungen ihrer Entscheidungen auf Wasser zu kümmern.

Insofern kann der Nexus-Ansatz – zumindest aus einer Wasserperspektive – als ein Versuch verstanden werden, den Energie- und den Agrarsektor von vorneherein bei der Problemanalyse mit ins Boot zu nehmen und damit das Bewusstsein für die Interdependenzen von Energie-, Nahrungsmittel- und Wassersicherheit zu erhöhen. Aber die Frage bleibt, ob das gelingt. Dies wird sich auch daran zeigen, inwiefern sich Vertreter aus allen drei Sektoren an Bonn2011 beteiligen.

Wann brauchen wir einen Nexus-Ansatz?
Eine weitere Erfahrung mit dem IWRM-Konzept ist, dass integrierte Ansätze immer mit höheren Transaktionskosten als rein sektorale Ansätze einhergehen. Daher ist es auch wichtig, pragmatisch und problemorientiert vorzugehen. Für den Nexus-Ansatz bedeutet dies, ein klares Verständnis zu haben, wann ein Nexus-Ansatz erforderlich ist und wann gute Sektorpolitiken ausreichen. So sind z. B. die meisten Länder, die eine unzureichende Wasser- und Sanitärversorgung haben, nicht notwendigerweise wasserknapp. Das bedeutet aber, dass in diesen Ländern Ansätze zur Verbesserung der Nahrungsmittelsicherheit und der Energieversorgung wahrscheinlich geringe negative Auswirkungen auf die Wasserverfügbarkeit haben, somit hier die Sicherheiten unabhängig voneinander erhöht werden können (allerdings könnte der Biokraftstoffanbau die Nahrungsmittelproduktion verringern). Diese Situation ändert sich aber grundlegend in wasserarmen Regionen, zu denen insbesondere viele Schwellenländer gehören: Hier sind Produktionsentscheidungen des Agrar- und Energiesektors höchst relevant für Wassersicherheit.

Wie weiter?
Wenn wir Wasser-, Energie-, und Nahrungsmittelsicherheit langfristig sicherstellen wollen, ist eine Nexus-Perspektive unerlässlich. Gleichzeitig bleibt die Umsetzung des Nexus-Ansatzes politisch anspruchsvoll. Wenn beispielsweise die dezentrale Abwasserbehandlung und -wiederverwendung solch eine Wunderwaffe darstellt, warum ist sie noch nicht weiter verbreitet? Die Bonner Nexus-Konferenz und andere Nexus-Apologeten sollten neben der Erzeugung von guten Ideen, wie Synergien mobilisiert werden und Zielkonflikte vermieden werden können, die Frage, wie institutionelle Hürden beseitigt und geeignete Anreize zur Berücksichtigung von externen Effekten geschaffen werden können, sehr ernst nehmen. Denn wie die Erfahrung mit IWRM unterstreicht, steht und fällt die Umsetzung von guten Ideen und Konzepten mit den Interessen, der Akzeptanz und Kapazität der beteiligten Akteure sowie den institutionellen Rahmenbedingungen.

Über die Autorin

Dombrowsky, Ines

Ökonomin

Dombrowsky

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