Nach „America First“

Wie die USA den Schaden an den Vereinten Nationen beheben können

Wie die USA den Schaden an den Vereinten Nationen beheben können

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Hendra, John / Silke Weinlich
Die aktuelle Kolumne (2021)

German Development Institute / Deutsches Institut für Entwicklungspolitik (DIE), Die aktuelle Kolumne vom 18.01.2021

Joe Biden wird am 20. Januar 2021 als Präsident der USA in sein Amt eingeführt. Er sieht sich im Ausland mit hohen Erwartungen konfrontiert, die Politik des „America First“ zu beenden – einer Geringschätzung des Multilateralismus, die sich niederschlug in der Schwächung der Vereinten Nationen (UN), Konflikten mit geopolitischen Rivalen, der Missachtung von Verbündeten, der Weigerung, bei der Bewältigung drängender globaler Probleme zu helfen, aber auch in großer und oftmals wilder Unberechenbarkeit.

Biden hat erklärt, dass „Amerika zurück ist“. Um einen Teil des Schadens bei den UN zu beheben, hat er bereits zugesagt, dem Pariser Klimaabkommen wieder beizutreten und die amerikanische Mitgliedschaft und finanzielle Unterstützung der Weltgesundheitsorganisation (WHO) aufrechtzuerhalten. Er versprach, die Finanzierung des Bevölkerungsfonds der Vereinten Nationen (UNFPA) wieder aufzunehmen. Biden kündigte auch an, dass er das „30 X 30“-Versprechen unterzeichnen wird, bis 2030 30 Prozent der Landflächen und Ozeane unter Schutz zu stellen – ein Kernanliegen des bevorstehenden UN-Gipfels zur Eindämmung der Biodiversitätsverluste. Die zugesagte Kandidatur für den UN-Menschenrechtsrat signalisiert ein erneuertes Bekenntnis für die Menschenrechte weltweit in Zeiten der Black Lives Matter Bewegung und erneuten Einsatz in einer der notwendigsten, wenn auch unvollkommensten UN-Institutionen.

Die laufende Arbeit der UN bei der Bekämpfung der Pandemie und beim Wiederaufbau benötigt die volle Unterstützung der USA. Dies gilt für den Sicherheitsrat, um die sicherheitspolitischen Implikationen von COVID-19 und seine vielfältigen Folgen aufzugreifen, und für das UN-Entwicklungssystem, das vielen Ländern bei ihren sozioökonomischen Gegenmaßnahmen wertvolle Hilfe leistet. Da die Biden-Administration dem Kampf gegen die Pandemie höchste innenpolitische Priorität einräumt, wird es auch wichtig sein, dass sie sich der COVAX-Fazilität anschließt, die den Impfstoff weltweit den Bedürftigsten bereitstellen will. Unklar ist bislang, ob es wieder eine finanzielle Unterstützung der USA für das UN-Hilfswerk für Palästina-Flüchtlinge (UNRWA) geben wird, wie die neue Regierung mit den erheblichen aufgelaufenen Zahlungsrückständen umgehen wird und, ob die USA der UN-Organisation für Bildung, Wissenschaft und Kultur (UNESCO) wieder beitreten werden.

Die Wiederaufnahme der Zusammenarbeit mit den UN wird mehr Kraft erfordern, als viele vorausgesagt haben. Angesichts des fragilen sozialen und demokratischen Gefüges in den USA ist es nicht unwahrscheinlich, dass die für einen konsequenteren Internationalismus notwendige innenpolitische Unterstützung nur schwer erreichbar sein wird, selbst mit einer knappen Mehrheit im Kongress. Hinzu kommt, dass die UN nicht mehr die sind, die Biden nach seiner Amtszeit unter Obama zurückgelassen hat. Heute spielt China eine zunehmend selbstbewusste Rolle in der Welt und hat einen Teil der Lücke in den UN gefüllt. China kündigte an, bis 2060 kohlenstoffneutral zu werden, verspricht, vielen Entwicklungsländern beim Zugang zum Impfstoff zu helfen, und findet in den UN Verbündete für die Neuinterpretation von Menschenrechten und Souveränität, nicht zuletzt in Russland, dem anderen traditionellen US-Rivalen in den UN.

Die Biden-Administration muss konstruktive Wege finden, um mit China über den Klimawandel, die Pandemie und andere Themen zu sprechen. Gleichzeitig müssen die USA, um für die Menschenrechte eintreten und eine Führungsrolle übernehmen zu können, das Vertrauen anderer Mitgliedsstaaten, vor allem aus dem Globalen Süden, gewinnen. In dieser Hinsicht gute Zeichen sind die Berufung von Linda Thomas-Greenfield zur UN-Botschafterin, einer altgedienten amerikanischen Diplomatin mit großer Afrika-Erfahrung, und der ehemaligen UN-Botschafterin Samantha Power zur USAID-Leiterin.

Gleichwohl haben amerikanischer Einfluss und Soft Power deutlich nachgelassen. Zweifellos hat die Erstürmung des Kapitols, der Zitadelle der amerikanischen Demokratie, am 6. Januar es der neuen Administration schwerer gemacht, als globaler Leuchtturm für Demokratie und Rechtsstaatlichkeit gesehen zu werden – und eine bevorzugte Behandlung zu verlangen. Die kürzlich getroffene US-Entscheidung, Sanktionen gegen zwei hochrangige Beamte des Internationalen Strafgerichtshofs (IStGH) zu verhängen, sollte sofort aufgehoben werden. Dennoch wirkt die allseits anhaltende Abneigung in den USA, dem IStGH beizutreten, auf viele Außenstehende wie ein fehlgeleiteter amerikanischer Exzeptionalismus.

Neben einem stärkeren internationalen Engagement für Menschenrechte und Pandemiebekämpfung sollte die Biden-Administration auch die Klimapolitik als Ansatzpunkt betrachten, um die Führungsrolle der USA in den UN wieder zu festigen. Ein beschleunigter Ausbau erneuerbarer Energien, ein Netto-Null-Ziel bis 2050, eine konsequente inländische Klimastrategie und ein engagierter Klimabeauftragter werden nicht nur dazu beitragen, den wirtschaftlichen Wiederaufbau nach der Pandemie grüner zu gestalten. Sie werden auch dazu beitragen, die amerikanische Glaubwürdigkeit bei globalen Klima- und Umweltverhandlungen im Superjahr 2021 wiederherzustellen. Dies wird hoffentlich andere anspornen und es der Welt ermöglichen, den Klimawandel aufzuhalten, bevor es zu spät ist.


John Hendra ist ehemaliger stellvertretender UN-Generalsekretär der Entwicklungsgruppe der Vereinten Nationen (UNDG) und von UN Women und ehemaliger UN-Koordinator in Vietnam, Tansania und Lettland. Er berät weiterhin in Fragen der nachhaltigen Entwicklung und der Reform des Entwicklungssystems der Vereinten Nationen und ist derzeit assoziierter wissenschaftlicher Mitarbeiter am Deutschen Institut für Entwicklungspolitik (DIE).

Silke Weinlich ist Wissenschaftliche Mitarbeiterin im Forschungsprogramm „Inter- und Transnationale Zusammenarbeit“ am Deutschen Institut für Entwicklungspolitik (DIE) und leitet ein Forschungs- und Beratungsprojekt zur Reform des UN-Entwicklungssystem.

Über die Autor*innen

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