Speedboot und Ozeandampfer

Wie können G7 und UN den Multilateralismus zukunftsfähig machen?

Wie können G7 und UN den Multilateralismus zukunftsfähig machen?

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Weinlich, Silke / Marianne Beisheim
Die aktuelle Kolumne (2022)

Bonn: German Development Institute / Deutsches Institut für Entwicklungspolitik (DIE), Die aktuelle Kolumne vom 14.02.2022

„Fortschritt für eine gerechte Welt“ – so lautet das Motto des Programms der deutschen G7-Präsidentschaft. In ihm schreiben sich die G7-Staaten als „führende Industriestaaten und wertegebundene Partner“ eine besondere Verantwortung für die nachhaltige „Gestaltung einer lebenswerten Zukunftzu. Clubs wie die G7 selbst, aber auch der von der deutschen Präsidentschaft angedachte globale Klimaclub, können oft schneller entscheiden und agieren als inklusivere multilaterale Organisationen wie die Vereinten Nationen (UN). Aber ein Speedboot, so schnell und wendig es auch sein mag, kann nicht allein den Ozean überqueren, und die G7 können allein keine globalen Herausforderungen stemmen. Entsprechend kündigt die deutsche G7-Präsidentschaft im Programm an, enge Bezüge insbesondere zur UN und zur G20 herstellen zu wollen, mit dem Ziel eines „fairen und regelbasierten Multilateralismus“. Auch UN-Generalsekretär António Guterres betont die Bedeutung von Vorreiterinitiativen und Partnerschaften im Rahmen eines „inklusiven und vernetzten Multilateralismus“. In seinem Bericht Our Common Agenda entwickelt er zahlreiche Ideen, wie die Beschlüsse, die die Mitgliedsstaaten anlässlich des 75. Jubiläums der UN getroffen hatten, umzusetzen sind und die internationale Zusammenarbeit gestärkt werden kann. Er ruft dazu auf, dort voranzuschreiten, wo gemeinsame Interessen bestehen. Wächst hier also zusammen, was zusammen gehört? Leider (noch) nicht, denn im G7-Programm bleiben die Verweise auf die UN abstrakt, wirken eher pflichtschuldig. Die deutsche G7-Präsidentschaft hätte aber die Chance, das zu ändern und geteilte Prioritäten gemeinsam umzusetzen:

 

„Starke Allianzen für einen nachhaltigen Planeten“ – bei den UN anbinden

Sowohl die G7 als auch die UN setzen auf Pionierprojekte und auf Partnerschaften mit nichtstaatlichen Akteuren, etwa im Rahmen der Impfallianz Covax oder der G7-Initiative für Infrastrukturprojekte in ärmeren Ländern. Es ist positiv, dass der Bericht des UN-Generalsekretärs sich der Realität dieser Formate stellt und sie in den Dienst der Umsetzung global vereinbarter Ziele – vor allem die der 2030 Agenda für nachhaltige Entwicklung und des Pariser Klimaabkommens – stellen möchte. Auch wenn viele UN-Mitgliedstaaten solche Partnerschaften unterstützen, besteht keine Einigkeit über diese Art von Multilateralismus jenseits rein intergouvernementaler Beziehungen. Um größtmögliche Wirkung zu erzielen, ist es für die G7 wichtig, dass möglichst viele Staaten ihre Initiativen als sinnvoll und legitim wahrnehmen. Dafür wäre eine institutionelle Anbindung an das UN-System wertvoll, die sicherstellt, dass Partnerschaften menschenrechtliche Standards erfüllen, dass sie transparent gestaltet und kontinuierlich nachgehalten und entlang von Bedürfnissen der Zielgruppen weiterentwickelt werden. Der UN-Generalsekretär schlägt vor, das existierende UN-Büro für Partnerschaften zu stärken. Bislang ist dieses nicht in der Lage, die oben genannten Aufgaben zu erfüllen. Frühere Reformversuche scheiterten unter anderem an Finanzierungsproblemen. Jetzt sollen digitale Lösungen weiterhelfen. Die G7 sollte die Entwicklung eines effektiven UN-Hubs unterstützen und dort auch ihre eigenen Initiativen anbinden. Das könnte der G7 helfen, sowohl Akzeptanz zu erzeugen als auch weitere Partner zu mobilisieren. Durch eine solche „Qualitätskontrolle“ von Partnerschaften könnte die UN ihre zentrale Rolle in der Global Governance stärken.

 

„Investitionen in eine bessere Zukunft“ – mit der UN

Wie die deutsche G7-Präsidentschaft legt auch der UN-Generalsekretär in seinem Bericht einen besonderen Fokus auf Zukunftsfragen in Zusammenschau mit Gerechtigkeitsfragen. Die Weltorganisation soll viel besser darin werden, Schiffbruch zu vermeiden – also auf akute und künftige transnationale Krisen zu antworten und dabei ihre Antworten inklusiver und gerechter zu gestalten. Strategischer vorausschauen, Interessen junger Menschen und zukünftiger Generationen stärker berücksichtigen sowie beim Ausbruch neuer Krisen rasch wichtige Player zusammenrufen können – so lauten die ehrgeizigen Vorschläge, um die UN stärker ins Zentrum globaler Problembewältigung zu rücken. Auch hier gilt: Die Mitgliedstaaten sind gespalten, was den damit verbundenen Autoritäts- und Wissenszuwachs der UN angeht. Innerhalb der G7 ist eine Aufwertung der UN ebenfalls umstritten – aufgrund von Effektivitäts- und Souveränitätsbedenken, aber auch angesichts des Einflusses von Staaten wie China und Russland. In Anbetracht der Interessenkonvergenz im Hinblick auf die großen Zukunftsthemen sollte die G7 dennoch darauf dringen, bestehende Fähigkeiten des UN-Systems besser zu bündeln und gleichzeitig den gezielten Ausbau strategischer Kapazitäten der UN politisch wie finanziell unterstützen, ob über freiwillige Beiträge oder teils auch sinnvollerweise über einen Aufwuchs des regulären Budgets. Die G7 hat sich 2021 im Cornwall Consensus verpflichtet, Krisenbearbeitung künftig effektiver, aber auch gerechter zu gestalten. Dieses Jahr sollte sie die Rolle der UN hierbei diskutieren.

 

Aktuell tauschen sich die Staaten in der UN-Generalversammlung darüber aus, welche der Vorschläge des Generalsekretärs sie unterstützen wollen. Parallel laufen die Vorbereitungsprozesse zum G7-Gipfel. Zeit, die Prozesse für einen zukunftsfähigen Multilateralismus zusammen zu denken.


Dr. Marianne Beisheim arbeitet in der Forschungsgruppe Globale Fragen der SWP.

Dr. Silke Weinlich ist Mitarbeiterin des Deutschen Instituts für Entwicklungspolitik (DIE) im Forschungsprogramm Inter- und Transnationale Zusammenarbeit.

 

Dieser Beitrag erscheint zeitgleich auf der Website der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) unter der Rubrik „Kurz gesagt“.

Diese Kolumne wurde auch auf den Websites der Deutschen Gesellschaft der Vereinten Nationen (DGVN) und des Fairobservers veröffentlicht.

Über die Autorin

Weinlich, Silke

Politikwissenschaft

Weinlich

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