Wirtschaftspartnerschaftsabkommen: Warum brauchen sie so lange?

Wirtschaftspartnerschaftsabkommen: Warum brauchen sie so lange?

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Hulse, Merran
Die aktuelle Kolumne (2016)

Bonn: German Development Institute / Deutsches Institut für Entwicklungspolitik (DIE) (Die aktuelle Kolumne vom 24.10.2016)

Bonn, 24.10.2016. Wirtschaftspartnerschaftsabkommen (WPAs) sind Handelsabkommen, die zwischen der EU und der Gruppe der afrikanischen, karibischen und pazifischen Staaten (AKP), die sich in einen regionalen wirtschaftlichen Integrationsprozess befinden, ausgehandelt werden. Am 10. Oktober 2016 trat das WPA mit der Entwicklungsgemeinschaft des südlichen Afrika (SADC) in Kraft. Es gehört damit zu nur zweien von sieben WPAs mit AKP-Regionen, mit deren Umsetzung nach Unterzeichnung und Ratifikation begonnen wurde: Die Ratifizierung des ostafrikanischen WPA wurde verschoben; das westafrikanische WPA steckt in Verhandlungen fest; und in den übrigen Regionen sind regionale WPAs chancenlos, da viele Entwicklungsländer bilaterale Abkommen mit der EU geschlossen oder sich für Alternativen entschieden haben. 14 Jahre nach Beginn der Verhandlungen zeichnen sich einige Trends ab, die zu der Langwierigkeit der WPA Verhandlungen beigetragen haben.

Erstens gab es einen Mangel an Begeisterung und politischem Willen der AKP-Regierungen. Viele vertraten die Ansicht, dass WPAs in ihrer derzeitigen Form nicht ihren langfristigen Entwicklungsinteressen dienen, schlechte Handelsbedingungen festschreiben und ihre Industrialisierung untergraben. Diese Skepsis wurde durch die Tendenz der EU verstärkt, WPAs als Mittel zur Durchsetzung einer erweiterten WTO-Agenda zu nutzen, um die eigenen langfristigen Handelsinteressen zu verfolgen. Angesichts der Tatsache, dass die Entwicklungsländer die Einführung von Bestimmungen zu Dienstleistungen, Investitionspolitik, staatlichem Beschaffungswesen und geistigem Eigentum auf globaler Ebene bisher abgelehnt hatten, erzeugte der Versuch der EU, diese in WPAs aufzunehmen, erheblichen Widerspruch.

Zweitens wirkten geostrategische Überlegungen als weiterer Dämpfer für WPAs. Der zunehmende Handel mit China verleiht afrikanischen Ländern eine stärkere Verhandlungsposition gegenüber Europa. Zugleich wurden die TTIP- und TTP-Abkommen vom europäischen und amerikanischen Wunsch genährt, China von Schlüsselmärkten fernzuhalten und sich einen Vorsprung bei der Schaffung globaler regulatorischer Standards zu verschaffen. In einer sich so entwickelnden geopolitischen Landschaft gibt es für AKP-Staaten Anreize abzuwarten – in der Hoffnung, dass sich die Machtverhältnisse zu ihren Gunsten ändern.

Drittens behinderten begrenzte institutionelle Kapazitäten den Verhandlungsfortschritt. Es ist für Entwicklungsländer schwierig, gleichzeitig Verhandlungen in der WTO, auf regionaler und kontinentaler Ebene und mit der EU zu führen. WPA-Prozesse sollten partizipativ sein und eine Bandbreite nicht-staatlicher Akteure aus Wirtschaft und Zivilgesellschaft umfassen. Doch begrenzte Kapazitäten behinderten die gesellschaftliche Beteiligung in vielen Ländern und Regionen. Dies führt zu einer mangelnden Berücksichtigung wichtiger gesellschaftlicher Interessen und ist ein Problem für die Ratifizierung und Umsetzung von WPAs.

Auf regionaler Ebene machten schwache Institutionen und ein Mangel an Erfahrungen es schwer, heterogene nationale Präferenzen zu überwinden und kohärente regionale Positionen zu formulieren. In einigen Regionen mangelte es an Feedback zwischen regionalen Unterhändlern und nationalen Ministerien, vor allem in jenen, die einen supranationalen Verhandlungsansatz wählten (Westafrika und Karibik). Vorwürfe wurden laut, die Verhandlungen seien von professionellen Verhandlungsführern ‚gekapert‘ worden. Die derzeitigen Schwierigkeiten in Westafrika, wo Nigeria sich weigert, ein Abkommen zu unterschreiben, das nach seiner Auffassung nicht in seinem Interesse ist, könnten darauf zurückzuführen sein.

Schließlich trug ein hohes Maß gesellschaftlicher Opposition gegen WPAs, sowohl in der AKP-Region als auch in Europa, dazu bei, die Verhandlungen weit über die anfängliche Frist von 2007 hinaus zu verlängern. Kritiker behaupten, dass WPAs den wirtschaftspolitischen Spielraum beschränken, die lokale Produktion drastisch verringern und die Bemühungen Afrikas untergraben, regionale Integration zu erreichen. In einigen Ländern wie Nigeria und Uganda ist heftige Einflussnahme von Wirtschaftsverbänden und zivilgesellschaftlichen Akteuren ein Faktor für das Zögern beim Vorantreiben der WPAs.

Da die Welt sich erheblich verändert hat, seit die WPAs vor 14 Jahren angestoßen wurden, kann man sich fragen, ob die Abkommen noch zweckmäßig sind. Wenn TTIP und TTP umgesetzt werden, werden die AKP-Staaten den von ihnen ausgehandelten Nutzen schwinden sehen. Für Staaten mit bedeutenden Exporten nach Großbritannien verringert der Brexit den Wert von WPAs zusätzlich, sodass sie sich fragen könnten, ob die von ihnen gemachten Konzessionen es wirklich wert sind. Auch wenn die Verhandlungen jetzt vorbei sind, werden die Ratifizierungs- und Umsetzungsprozesse, ganz zu schweigen von den Überprüfungsklauseln und Halbzeitüberprüfungen, zweifellos davon geprägt sein, dass die EU und die AKP-Staaten auch künftig strittige Handelsfragen erneut aufnehmen werden.

Diese Kolumne ist am 24.10.2016 auch bei Euractiv erschienen.

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