Wüstenbekämpfung – auch das noch?

Wüstenbekämpfung – auch das noch?

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Neubert, Susanne
Die aktuelle Kolumne (2009)

Bonn: German Development Institute / Deutsches Institut für Entwicklungspolitik (DIE) (Die aktuelle Kolumne vom 22.06.2009)

Bonn, 22.06.2009. Am 17. Juni jährte sich der Welttag für die Bekämpfung der Wüstenbildung und der Dürre. Somit begehen wir bereits den vierten UN-Welttag in diesem Jahr zur Erhaltung einer natürlichen Ressource. Die vielen Aktionen und Fortbildungen konnten wieder als Erfolg verbucht werden.

Dennoch: Mittlerweile sind etwa 70 Prozent der Trockengebiete der Welt Verwüstungsprozessen ausgesetzt und in rd. 110 zumeist armen Ländern ist eine Fläche der Größe Europas betroffen. Durch Desertifikation gehen jährlich rd. 20 Millionen Tonnen Getreide verloren, und zusammengenommen wurden in den letzten 40 Jahren ein Drittel der weltweiten Ackerflächen aufgrund von Degradierung aufgegeben.

Obwohl die Ursachen der Verwüstung und Bekämpfungsstrategien bekannt sind, ist eine Trendwende nicht in Sicht. Warum können weder UN-Wüstenkonvention noch unzählige Initiativen und Programme ein Fortschreiten der Desertifikation verhindern?

Zur Erinnerung: Verwüstung wird vor allem durch Entwaldung und nicht-nachhaltige Landbewirtschaftung verursacht und global durch den Klimawandel weiter angetrieben. Innerhalb der Landbewirtschaftung ist „falscher Ackerbau“ ein Schlüsselfaktor. Dies sind der Anbau einjähriger Kulturarten gepaart mit Managementmaßnahmen, durch die der Ackerboden zeitweise unbedeckt der Erosion ausgesetzt ist. „Falscher“ Ackerbau ist zudem fehlerhafte Bewässerung, eine gänzlich fehlende oder eine einseitige Düngung mit Mineraldüngern. Viele, gerade tropische Böden mineralisieren hierdurch und verlieren ihre Fähigkeit zur Wasserspeicherung. Die Kohlenstoffverbindungen, die vorher als organische Masse im Boden fixiert waren, entweichen im Mineralisierungsprozess als Kohlendioxid in die Luft. Dies verringert die Puffereigenschaften des Bodens für Dürre und Überschwemmungen und trägt selbst zum Klimawandel bei.

Mehrere Ressourcenprobleme sind aufs Engste miteinander verknüpft: Entwaldung, Artenverlust, Klimawandel, Verknappung von Wasserressourcen und Verlust der Böden an organischer Substanz verursachen zusammen die Verwüstung, sie sind gleichermaßen ihre Ursache und Folge.

Bedeutet dies, dass wir kapitulieren müssen? Nein, es bedeutet, dass wir mit klugen Lösungsansätzen mehrere Ziele auf einmal erreichen können! Auch wenn es im Detail manchmal komplizierter ist, sind die Techniken des Bodenschutzes, wie die Errichtung von Erosionsschutzwällen, Agroforstwirtschaft und organische Düngung bekannte und wirksame Methoden. Sie müssen nur flächendeckend angewandt werden! Warum es aber bis heute bei Einzelmaßnahmen bleibt, ist kein technisches, sondern ein ökonomisches Anreiz- und politisches Interessensproblem.

Bodenschutzmaßnahmen müssen überwiegend privatwirtschaftlich durchgeführt werden, da Landwirtschaft vornehmlich so organisiert ist. Die Anreize müssen so gesetzt werden, dass sich Investitionen in den Boden rentieren, die derzeit relativ hohen Preise für Agrargüter stellen hierfür eine Chance dar. Es ist vielfach belegt, dass Bauern Bodenschutz von sich aus durchführen, wenn sie keine lohnenderen Alternativen haben und die Kapazitäten in Form von Know-how und Kostentragfähigkeit vorhanden sind. Lernbeispiele gibt es zahlreich, auch aus der deutschen Entwicklungszusammenarbeit. Entsprechende Beratung und Übernahme für Transportkosten von Steinen für die Errichtung von Erosionsschutzwällen etc. müssten endlich generell und nicht nur punktuell für die Bauern in von Verwüstung bedrohten Regionen gelten.

Aber auch die Agrarindustrie und institutionelle Bedingungen müssen modernisiert werden. Richtig wäre z. B. die Umorientierung der Agrochemieindustrie in Richtung Produktion von Bodenhilfssubstraten. In den nationalen Agrarpolitiken der Entwicklungsländer müssten zudem die bis heute weit verbreiteten Düngemittelsubventionen dringend abgebaut werden und stattdessen die Kreditvergabe in der Landwirtschaft verbreitet werden. Das Bodenrecht müsste so modifiziert werden, dass auch in dieser Hinsicht Anreize für Bauern entstehen, Maßnahmen zum Bodenschutz vorzunehmen.

Statt Unmengen an Treibhausgasen durch Produktion und Einsatz von Mineraldüngern freizusetzen, die auf degradierten Böden gar nicht die erhofften Wirkungen zeigen, sollte mit überwiegend hofeigenen Mitteln organische Landwirtschaft betrieben werden, durch die die Speichereigenschaften des Bodens, und – wenn die organische Masse nicht verfügbar ist – mit Hilfe industriell produzierter Substrate wieder hergestellt werden können. Eine solche Bodenbewirtschaftung hebt die Flächenerträge gerade in Trockengebieten wieder an.

Aber auch der Schutz überbetrieblicher, staatseigener Flächen ist essenziell. Dieser verlangt ein enormes Aufgebot an Arbeitskräften. Entsprechend des Vorschlags des Umweltprogramms der Vereinten Nationen (UNEP) könnten mit Hilfe eines „Global Green New Deals“ die Aktionspläne zur Umsetzung der Wüstenkonvention realisiert werden, in Zeiten der Rezession wäre dies eine wirksame Arbeitsmarktpolitik. Dabei sollten Großvorhaben – wie etwa der Bau der „grünen Mauern“ in China und in der Sahelzone – realisiert und mit den zahlreichen partizipativen Einzelvorhaben verbunden werden, um Synergieeffekte zu nutzen. Beides, konservierende und rekultivierende Maßnahmen sollten umgesetzt werden, so dass flächendeckende Maßnahmen daraus werden, die mehreren Zielen auf einmal dienen: dem Wald-, Wasser-, Klima- und Bodenschutz. Dies ist möglich, denn die unterschiedlichen Aufbauprozesse sind im Wesentlichen positiv miteinander korreliert.

Wie viel Zeit haben wir noch? Die gute Nachricht ist, dass Verwüstung in vielen Fällen umkehrbar ist. Die schlechte Nachricht lautet, dass dies mit einem sinkenden Grenznutzen einhergeht, denn ab gewissen Degradierungsstadien ist eine Rekultivierung so arbeitsaufwändig, dass für die Bevölkerung die Abwanderung in die Städte attraktiver ist. Wir haben daher keine Zeit zu verlieren. Dies ist keine Frage der „Hilfe“, sondern die einer globalen Verantwortung.

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