Deuropäische Afrikapolitik

Deuropäische Afrikapolitik

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Klingebiel, Stephan
The Current Column (2013)

Bonn: German Development Institute / Deutsches Institut für Entwicklungspolitik (DIE) (Die aktuelle Kolumne vom 19.11.2013)

Bonn, 19.11.2013. Ließe sich die Bedeutung eines Themas an der Zahl der darauf ausgerichteten Strategiepapiere messen, schnitte „Afrika“ gar nicht mal schlecht ab. Kaum ein internationaler Akteur ist verlegen, wenn es darum geht, ein (Subsahara-)Afrika-Strategiedokument vorlegen zu können. Akteure wie die Europäische Union (EU), die Weltbank, die USA und ebenso Deutschland verfügen über solche Konzepte. Das ist zunächst einmal positiv, weil solche Papiere idealerweise Prioritäten klären und zu einer strategischen Ausrichtung beitragen. Ob solche Dokumente neben einer bürokratischen Befassung auch politische Schubkraft entfalten, ist aber keineswegs sichergestellt. In Deutschland sollte der neue Bundestag und die neue Bundesregierung hier ansetzen: Afrikapolitische Ziele frühzeitig formulieren und eine konsequente Umsetzung anstreben. Vor allem gilt es, die zunehmende Dynamik in Subsahara-Afrika endlich in der deutschen Afrika-Politik zu berücksichtigen.

Die in den letzten Jahren öffentlich wahrgenommene Dynamik des afrikanischen Kontinents unter der Perspektive eines allseitig prosperierenden Kontinents zu diskutieren, wäre dabei eine Verkürzung. Tatsächlich lassen sich eine ganze Reihe von wirtschaftlich erfolgreichen, ehemals armen Ländern in Afrika identifizieren. Die frühere erdrückende Schuldenlast ist bereits seit Jahren fast überall mehr finanziellen Handlungsspielräumen gewichen. Afrikanische Mittelschichten sind in vielen Ländern ein bestauntes neues Phänomen. Südafrika ist sicherlich ein anderes wirtschaftliches und politisches Gewicht als andere aufstrebende Länder wie China, Indien und Brasilien. Gleichwohl ist die südafrikanische Zugehörigkeit zur G20 und zum Club der BRICS (Brasilien, Russland, Indien, China und Südafrika) ein Ausweis dessen, dass der afrikanische Kontinent an globalen Verhandlungstischen Platz genommen hat.

Gleichzeitig darf die Dynamik Subsahara-Afrikas nicht dahingehend missverstanden werden, dass sich ein ganzer Kontinent auf einen unumstößlichen Entwicklungspfad begeben hat. Ökonomisch sind keineswegs alle Länder oder gar alle Bevölkerungsgruppen in die Dynamik einbezogen; die Nachhaltigkeit insbesondere der auf der Ausbeutung von natürlichen Rohstoffen begründeten Wachstumspfade ist oft mehr als fraglich. Und: Von der einstigen Demokratisierungseuphorie ist in der Mehrheit der Länder nur noch wenig geblieben, wenngleich es immer mehr Beispiele für reibungslose Regierungswechsel gibt, wie etwa in Ghana oder Senegal. Oft sichern politische Formelkompromisse eine gewisse Stabilität, sind aber meist kein Ausweis einer demokratischen Kultur – man schaue etwa auf die politische Situation Kenias in den vergangenen Jahren. Hinzu kommt, dass auch künftig gerade den fragilen Ländern ausreichend Aufmerksamkeit zu schenken bleibt. Ein Westgate Shopping Mall-Terrorakt ist kein singuläres Phänomen, sondern deutlich mehr als ein lokales Sicherheitsproblem.

Die Afrikanische Union (AU) konnte anlässlich der 50-Jahres-Feier zum Panafrikanismus in diesem Jahr durchaus Erfolge vor allem bei einigen AU-Friedenseinsätzen vorweisen. Der neuerliche Vorstoß der AU, amtierende Staats- und Regierungschefs vor einer Verfolgung durch den internationalen Strafgerichtshof zu schützen, enthält allerdings bekannte Muster aus der Vergangenheit, wo sich politisch Verantwortliche vor Rechenschaftspflichten drücken konnten.

Kurzum: Die Hoffnung, einfache Botschaften für deutsche und andere europäische Entscheidungsträger anbieten zu können, ist fehl am Platz. Vielmehr setzt sich der Trend diversifizierter und oftmals sogar widersprüchlicher Entwicklungen in Subsahara-Afrika fort. Allerdings sollte sich der Bedeutungszuwachs in einem stärkeren Interesse für den Kontinent niederschlagen: Die wirtschaftliche Dynamik Afrikas wird offenbar von China, Indien, der Türkei und anderen Akteuren besser verstanden und genutzt; die sicherheitspolitische Relevanz tritt in Deutschland überwiegend als Einzelphänomen in Erscheinung. Angesichts des Wachstums von Bevölkerung und Wirtschaft kommt dem Kontinent jedoch für die Bewältigung glosbaler Herausforderungen künftig eine größere Bedeutung zu.

Welche Schlussfolgerungen lassen sich daraus für den neuen Bundestag und eine neue Bundesregierung ziehen?

Zunächst einmal gilt es vor dem Hintergrund einer wenig ausgeprägten deutschen Neigung für Fragen der internationalen Politik den Stellenwert Afrikas zu verdeutlichen. Ein stärkeres Interesse des Kanzleramtes und eine entsprechend avisierte Besuchsplanung der Kanzlerin könnte dazu beitragen, dass sich auch im Parlament das Interesse erhöht. „Afrika“ ist immer noch ein überwiegend entwicklungspolitisches Thema – andere Politikfelder ausdrücklich aufzufordern, Themen mit afrikanischen Partnern zu gestalten, sollte ein Hauptanliegen deutscher Afrikapolitik sein. Nachhaltige Energiesicherheit ist ein solches Kernthema, das im unmittelbaren und langfristigen Interesse afrikanischer Länder und ebenso Deutschlands liegt.

Deutschland sollte sich vor dem Hintergrund der existierenden Afrikastrategie der Bundesregierung (2011) Themen vornehmen, bei welchen eine ausgeprägte Verantwortung im Rahmen einer europäischen Arbeitsteilung übernommen werden kann. Typischerweise vermeidet es die deutsche Politik, eine allzu sichtbare Rolle etwa in afrikanischen Krisenregionen zu übernehmen; hier überwiegt vielfach die Angst vor politischen Konflikten v. a. mit anderen europäischen Akteuren. Es wäre sinnvoll, wenn die deutsche Politik profiliertere Beiträge zur Lösung von Konflikten leisten würde.

Die Europäisierung deutscher Afrikapolitik gehört bereits zum Standardrepertoire politischer Bekenntnisse. Ähnliches gilt für andere EU-Mitgliedsstaaten. Gleichwohl sind die Erfolge hierbei gering. Der im April 2014 anstehende EU-Afrika-Gipfel würde hierfür eine gute politische Bühne bieten. Allerdings lassen andere bilaterale Aktionen (etwa Frankreichs Afrika-Gipfel im Dezember 2013) erkennen, dass eine Europäisierung nur bedingt gewollt wird. Deutschland sollte dies sehr viel aktiver einfordern. Wie in anderen Feldern auch, ist es im Interesse Deutschlands und der gesamten EU, langfristig ein relevantes politisches Gewicht zu formieren. Dies kann für die europäischen Akteure nur gemeinschaftlich erreicht werden.

Eine gekürzte Version dieser „Aktuellen Kolumne“ erschien unter dem Titel „Afrika braucht mehr als nur Entwicklungspolitik“ am 16.11.2013 als Gastkommentar in der Frankfurter Rundschau.

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Klingebiel, Stephan

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