Die „neue“ Sichtbarkeit: zur Auflösung des Zielkonfliktes zwischen der Wirksamkeit und Sichtbarkeit der Entwicklungszusammenarbeit

Die „neue“ Sichtbarkeit: zur Auflösung des Zielkonfliktes zwischen der Wirksamkeit und Sichtbarkeit der Entwicklungszusammenarbeit

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Vollmer, Frank
Analysen und Stellungnahmen 6/2012

Bonn: German Development Institute / Deutsches Institut für Entwicklungspolitik (DIE)

In Zeiten von nationalen Sparhaushalten stehen die bi-und multilateralen Entwicklungsinstitutionen vor einem selten wahrgenommenen Zielkonflikt:

(a) Einerseits muss ihre Entwicklungszusammenarbeit (EZ) möglichst „sichtbar“ sein, um den Einsatz von Finanzmitteln den Parlamenten und der Öffentlichkeit vermitteln zu können. Oftmals interpretieren sie diesen Auftrag als Ruf nach mehr „Leistungs-Sichtbarkeit“, was dazu führt, die jeweilige Aktivität und Outputs in den Partnerländern hervorzuheben (z. B. die Anzahl finanzierter Schulen).
(b) Andererseits legten sie sich als Unterzeichner der Erklärung von Paris über die Wirksamkeit der EZ im Jahre 2005 darauf fest, dass EZ „wirksam“ sein soll. Die EZ wird wirksamer, wenn das Partnerland Eigenverantwortung zeigt, sich Geber nach dem Partner ausrichten und untereinander harmonisieren. Beide Seiten sollten Ergebnisorientierung zeigen und sich gegenseitig rechenschaftspflichtig sein. Wirksame EZ setzt also einen Prozess voraus, der gemeinsame Aktionen und Arbeitsteilung verlangt. Individuelle Sichtbarkeit – auf der Geberseite – hat somit nachzulassen oder sich entsprechend anzupassen, um die Umsetzung der Wirksamkeitsagenda nicht zu gefährden.

Der Drang nach mehr Sichtbarkeit wird demnach zu einem Problem für die Agenda, wenn es u. a. Anreize setzt, Projekte/Programme im Partnerland unabgestimmt mit anderen Gebern und parallel zur Partnerregierung durchzuführen. Diese Leistungen sind zwar deutlich zurechenbar und sichtbar,
was dem Erreichen von Ziel a) dienlich ist. Jedoch kann der Fokus auf die Leistungs-Sichtbarkeit Partnerausrichtung und Geberharmonisierung unterminieren, wodurch das Erreichen von Ziel b), die EZ wirksamer zu machen, gefährdet wird. Eine „neue“ Sichtbarkeit könnte helfen, diesen Zielkonflikt aufzulösen:

(1) Bezieht sich der Ruf nach sichtbarer EZ auf die Leistungen der EZ-Akteure (deren Inputs, Aktivität und Outputs), so sollte dieses als Aufruf zur Transparenz verstanden werden. Diese Informationen sollten in den International Aid Transparency Initiative Standards veröffentlicht – sprich sichtbar – gemacht werden.

(2) Bezieht sich mehr Sichtbarkeit auf die jeweilige Rolle der EZ-Akteure in der Projekt-/Programm-Umsetzungsphase im Partnerland, so sollte Vorsicht geboten sein. Bemühungen, um gemeinsam einen auf Nachhaltigkeit angelegten Plan zur Erhöhung der Wirksamkeit der EZ umzusetzen, können sehr leicht am falsch verstandenen Leistungsverständnis der EZ-Akteure – wonach eine nicht sichtbare Leistung eine Nicht-Leistung darstellt – scheitern. Hier kann weniger branding (Input- und Aktivität-Sichtbarkeit) mehr Wirksamkeit versprechen.

(3) Um zu vermeiden, dass das heimische Publikum solch eine „bescheidene/stille“ Leistung im Partnerland als Untätigkeit missversteht, sollten EZ-Akteure (a) ihre Anstrengungen als Beiträge zu gemeinsam erzielten Entwicklungsergebnissen deklarieren (z. B. die Reduzierung der Analphabetenrate) und diese verstärkt in den Blickpunkt der Öffentlichkeit stellen (z. B. in gezielten Kommunikationsstrategien); (b) verständlich erklären, dass ein Nachlassen an Leistungssichtbarkeit im Partnerland dem Gelingen des Gemeinschaftsansatzes zur Erhöhung der Wirksamkeit der EZ dienlich ist, wodurch sich das Preis- Leistungs-Verhältnis in der EZ erhöht.

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