Höhere Eigeneinnahmen in Entwicklungsländern – ein Punkt für die Post-2015-Agenda

Höhere Eigeneinnahmen in Entwicklungsländern – ein Punkt für die Post-2015-Agenda

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von Haldenwang, Christian / Armin von Schiller
Die aktuelle Kolumne (2015)

Bonn: German Development Institute / Deutsches Institut für Entwicklungspolitik (DIE) (Die aktuelle Kolumne, 02.02.2015)

Bonn, 02.02.2015. Entwicklung braucht Geld. Im Juli dieses Jahres will sich die internationale Staatengemeinschaft in Addis Abeba auf die Finanzierung der neuen Post-2015-Agenda verständigen. Die Mobilisierung von eigenen Ressourcen in den Entwicklungsländern und die Bekämpfung unerwünschter Kapitalabflüsse stehen dabei ganz oben auf der Agenda. Der Generalsekretär der Vereinten Nationen regte kurz vor Jahresende in seinem Synthesebericht zum Post-2015-Prozess an, ein intergouvernementales Komitee zur Zusammenarbeit in Steuerfragen einzurichten. Internationale Organisationen, allen voran die OECD, aber auch Zusammenschlüsse von Staaten wie die G20 und die G7, sehen das Thema der Eigeneinnahmen im Zentrum der Debatte über die Finanzierung von Entwicklung. Entwicklungsländer werden zu mehr Anstrengungen bei der Einwerbung von Steuern und Abgaben aufgefordert. Es geht aber auch um mehr Transparenz und Gerechtigkeit in den nationalen und internationalen Steuersystemen.

Doch wie sollen diese Forderungen im Rahmen des Post-2015-Prozesses umgesetzt werden? Aus unserer Sicht sind fünf zentrale Aspekte zu berücksichtigen:

Erstens, Tendenzen sind wichtiger als absolute Werte. Teilweise wird vorgeschlagen, dass sich Entwicklungsländer verpflichten sollten, bestimmte Steueraufkommen zu erreichen. Im Gespräch sind z. B. 20 % des Bruttonationaleinkommens, bzw. 17 % für die ärmsten Länder. Als allgemeingültige Ziele sind solche Quoten jedoch ungeeignet, denn selbst innerhalb bestimmter Ländergruppen (z. B. low-income countries oder ressourcenreiche Länder) ist die Heterogenität der Rahmenbedingungen dafür zu groß. Stattdessen sollte der Fokus auf die langfristige Entwicklung der öffentlichen Einnahmen gelegt werden, besonders für die Gruppe der „low tax performer“ mit schwachen bzw. undemokratischen Governancestrukturen. Ein weiteres Kriterium ist die Bereitschaft der Regierungen, notwendige Reformen in ihren Steuersystemen und Steuerverwaltungen durchzuführen. Hierfür wird künftig u. a. das Tax Administration Diagnostic Assessment Tool verlässliche und vergleichbare Informationen bereitstellen.

Zweitens, Steuergerechtigkeit und -gleichheit sollten zentrale Maßstäbe für die Einschätzung von Steuersystemen im Kontext der Post-2015-Agenda sein. Die Zusammensetzung der Steuerregime (der sog. „Steuermix“), v. a. das relative Gewicht der direkten Steuern auf private Einkommen und Vermögen, hat große Auswirkungen auf die Progressivität der Besteuerung. Auch die Transparenz im Hinblick auf die „tax expenditures“ (also die entgangenen Steuereinnahmen aufgrund von Subventionen, Sonderabschreibungen oder Ausnahmeregelungen) ist eine zentrale Voraussetzung dafür, dass Fragen der Steuergleichheit diskutiert und gemeinwohlorientiert entschieden werden können. Nicht zuletzt ist entscheidend, wie das Steuersystem von den Bürgerinnen und Bürgern sowie Unternehmen wahrgenommen wird. Immer mehr internationale Umfragen (z. B. World Value Survey, Afrobarometer, Doing Business Report) stellen Informationen zu diesem Thema bereit. Diese Daten sollten systematisch analysiert und zur Beurteilung von Steuersystemen genutzt werden.

Drittens, die Stabilität der öffentlichen Einnahmen ist ebenso relevant wie kurzfristige Mobilisierungserfolge. Für eine effektive Planung öffentlicher Leistungen und Investitionen sind stabile Einnahmen wichtig – besonders in Ländern mit ohnehin niedriger Planungskapazität. Diversifizierte Steuersysteme mit breiter Steuerbasis sind weniger anfällig gegenüber externen Schocks (z. B. Schwankungen bei den terms of trade) und bieten mehr Möglichkeiten, auf kurzfristige Ausfälle zu reagieren. Dies ist ein weiteres Argument dafür, besonderes Augenmerk auf den Steuermix zu legen.

Viertens, subnationale Steuern und Abgaben müssen stärker berücksichtigt werden. Die Diskussion zu Steuern und Entwicklung hat sich bislang auf die zentrale Regierungsebene konzentriert. Die Einwerbung von Steuern durch Kommunen oder mittlere Ebenen kann aber eine wichtige Rolle spielen, wenn es darum geht, Steuerpotenziale zu aktivieren. Ein erster Schritt muss darin bestehen, dass die Regierungen verlässliche Informationen über die Steuereinnahmen der subnationalen Ebenen erheben und öffentlich machen. Außerdem sind staatliche Transfersysteme daraufhin zu überprüfen, welche Anreize sie für die subnationale Steuereinwerbung bieten.

Fünftens, die internationale Zusammenarbeit in Steuerfragen muss mehr als bisher gefördert werden. Staaten müssen künftig bei der Erarbeitung und Umsetzung internationaler Standards wie dem automatisierten Austausch von Steuerdaten, der Berichtspflicht von Unternehmen, der Regulierung von Transferpreisen, der Kooperation bei der Rückführung gestohlener Werte oder der Einführung gemeinsamer Grundlagen für die Bemessung der Körperschaftssteuer mehr als bisher kooperieren. Dies stellt die Regierungen und öffentlichen Verwaltungen ärmerer Staaten vor besonders große Herausforderungen. Daher sollte diese Zusammenarbeit entwicklungspolitisch besonders unterstützt werden. Sie sollte aber auch energischer als bisher gefordert werden, wenn Staaten (bzw. große Unternehmen) sich auf Kosten der Weltgemeinschaft bereichern, indem sie internationale Vereinbarungen unterlaufen.

Über die Autor*innen

Haldenwang, Christian von

Politikwissenschaftler

Haldenwang

Schiller, Armin von

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Schiller

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