Volle Kraft voraus: Forschung für transformative Klima-Governance nach „Paris“

Volle Kraft voraus: Forschung für transformative Klima-Governance nach „Paris“

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Brandi, Clara / Steffen Bauer / Klaus Jacob
Die aktuelle Kolumne (2016)

Bonn: German Development Institute / Deutsches Institut für Entwicklungspolitik (DIE) (Die aktuelle Kolumne, 18.05.2016)

Bonn, Berlin, 18.05.2016. Als Bundesumweltministerin Hendricks vor gut zwei Wochen in New York mit Frankreichs Präsident Hollande, der brasilianischen Präsidentin Rousseff, US-Außenminister Kerry und einer Vielzahl weiterer Staatschefs und Regierungsvertreter zusammenkam, um in einer feierlichen Zeremonie das Pariser Klimaabkommen zu unterzeichnen, besiegelte sie damit einen der wichtigsten multilateralen Verträge der jüngeren Geschichte. Kaum dass die Tinte getrocknet ist, treten nun zum ersten Mal nach der Paris-Konferenz die Unterhändler zusammen, um den komplexen Prozess der internationalen Klimapolitik weiter voranzubringen. Vom 16. bis 26. Mai verhandeln sie in Bonn über die Umsetzung der in Paris gefassten Beschlüsse. Die Bonner Klimakonferenz ist somit der erste Lackmustest für das Paris-Abkommen – wird es sich als „historisch“ erweisen, wie nach dem Pariser Gipfel bejubelt, oder bleibt es ein Papiertiger?

Dies bleibt abzuwarten. Unterdessen treiben die an der Klimapolitik interessierten Wissenschaftler die gleichen Fragen um wie vor dem Pariser Gipfel, wenn auch in einer sich verändernden politischen Landschaft: Wie können Klimapolitiken entwickelt und umgesetzt werden, die sich gleichsam als effektiv und legitim erweisen? Welche Institutionen und Verfahren sind erforderlich, um Klimapolitik gerecht und fair zu gestalten – international wie innerhalb von Gesellschaften, für heutige ebenso wie für zukünftige Generationen? Wie kann Politikkohärenz über die für Klimapolitik und nachhaltige Entwicklung einschlägigen Sektoren erreicht werden,  etwa hinsichtlich Wasser, Energie, Landnutzung oder Urbanisierung? Und was befördert oder behindert ein effizientes Zusammenspiel der entsprechenden Politiken auf unterschiedlichen Handlungsebenen – global, national und lokal? Wann ist Klima-Governance letztlich transformativ in dem Sinne, dass sie über "begrüntes" business as usual hinausgeht?
Forscher streben danach, funktionsfähige Lösungen zu finden: Für die  Unterstützung und Legitimität für transformative Politiken, bei der Koordination unterschiedlicher Akteure über verschiedene Bereiche und Ebenen der Politikgestaltung, bei der Analyse von Narrativen, die eine Transformation unterstützen können. Es ist deshalb von größter Bedeutung, die Kontexte zu verstehen, in denen Klimapolitiken und die Institutionen, die sie bestimmen, entwickelt werden. Welche Diskurse konkurrieren, was funktioniert in verschiedenen Politik- und Rechtssystemen, in wirtschaftlichen ebenso wie in kulturellen Kontexten? Sozialwissenschaftler spielen eine entscheidende Rolle, wenn es darum geht, ein besseres Verständnis für die Herausforderungen zu entwickeln, die sich politischen Entscheidungsträgern bei der Umsetzung der Pariser Ergebnisse stellen. Mit ihrer Hilfe können geeignete Anknüpfungspunkte für wissenschaftliche Erkenntnisse gefunden und Klimapolitiken unterstützt werden, die sowohl effizient und effektiv als auch legitim und fair sind.

Vor diesem Hintergrund haben das Deutsche Institut für Entwicklungspolitik (DIE) und das Forschungszentrum für Umweltpolitik (FFU) der Freien Universität Berlin zu einer großen internationalen Fachkonferenz über transformative Klima-Governance "nach Paris" eingeladen („Transformative Global Climate Governance 'après Paris'“) eingeladen. Sie findet am 23. und 24. Mai parallel zur Bonner Klimakonferenz an der Freien Universität statt und bringt eine Reihe der weltweit führenden Köpfe der Governance- und Transformationsforschung mit etwa 200 Sozialwissenschaftlern zusammen, um ihre Forschung im Lichte der Pariser Ergebnisse zu diskutieren.

Die Konferenz berücksichtigt, dass Klima-Governance im Fokus breiterer, vor allem normativer Debatten über eine globale Transformation in Richtung Nachhaltigkeit steht. Da es kein Patentrezept für transformative Governance gibt, müssen unterschiedliche Möglichkeiten identifiziert und erörtert werden, wie etwa technologische Entwicklungspfade und soziales Verhalten verändert und Zielkonflikte gemanagt werden können, um strategische Politikgestaltung und Innovation zu erreichen und um gesellschaftliche Teilhabe zu organisieren.

Angesichts dieser komplexen Herausforderung mit all ihren Unsicherheiten und Widersprüchen ist sich die Forschungsgemeinschaft sehr wohl bewusst, dass sie keinen Königsweg aufzeigen kann. Damit künftige Klima-Governance transformativ sein kann, wird sie strategische Top-down-Planung mit ambitionierten Zielen und langfristiger Vision  mit einer Vielzahl dezentraler Bottom-up-Initiativen kombinieren müssen, die progressiven Inkrementalismus und Innovation voranbringen. Die Interpretation der Einzelheiten, die aus der Pariser Klima-Agenda und den Institutionen des UN-Klimaregimes hervorgehen sowie die Fortentwicklung und Umsetzung ambitionierter Klimapolitiken bedürfen anspruchsvoller Transformationsforschung. Nach Paris gilt es also nicht nur für politische Entscheidungsträger einen Gang höher zu schalten und Gas zu geben, sondern auch für die Forschungsgemeinschaft!

Clara Brandi ist wissenschaftliche Mitarbeiterin in der Abteilung "Weltwirtschaft und Entwicklungsfinanzierung" am Deutschen Institut für Entwicklungspolitik (DIE). Steffen Bauer ist wissenschaftlicher Mitarbeiter in der Abteilung "Umweltpolitik und Ressourcenmanagement" am Deutschen Institut für Entwicklungspolitik (DIE). Klaus Jacob ist Forschungsdirektor am Forschungszentrum für Umweltpolitik (FFU) der Freien Universität Berlin (FU Berlin).

 

Über die Autor*innen

Bauer, Steffen

Politikwissenschaftler

Bauer

Brandi, Clara

Ökonomie und Politikwissenschaft

Brandi

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