Birma vor der Wahl: kein Ende der autoritären Herrschaft in Sicht

Birma vor der Wahl: kein Ende der autoritären Herrschaft in Sicht

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Bader, Julia
Die aktuelle Kolumne (2010)

Bonn: German Development Institute / Deutsches Institut für Entwicklungspolitik (DIE) (Die aktuelle Kolumne vom 02.11.2010)

Bonn, 02.11.2010. Am 7. November 2010 soll in Birma gewählt werden, zum ersten Mal seit den Wahlen von 1990. Damals hatte sich das Volk mehrheitlich für Aung San Suu Kyis Nationale Liga für Demokratie (NLD) ausgesprochen und war in der Folge von den Generälen überhört bzw. zum Schweigen gebracht worden. Diesmal wird die NLD nicht teilnehmen. Sie spricht sich für einen Boykott aus. Parteiführerin Aung San Suu Kyi, die durch administrative Regularien von vornherein von der Wahl ausgeschlossen wurde, bleibt weiterhin in Hausarrest, ihre Partei wurde verboten.

Fest steht, dass sich die burmesischen Generäle durch die anstehenden Wahlen keinesfalls zu Demokraten umkrempeln lassen werden, selbst wenn General Than Shwe seit neuestem in Zivilkleidung auftritt. Die Wahlen waren von den Generälen nie als Mechanismus der Machtübertragung konzipiert worden; sie werden weder frei noch fair sein und ihr Ausgang ist klar vorhersagbar: Sie sollen zu einer „disziplinierten Demokratie“ führen und das heißt, dass die Macht weiter in den Händen des Militärs bleiben wird. Vorsorglich hat sich die Junta ein Viertel der Parlamentssitze schon durch Vorgaben in der neuen Verfassung gesichert. Sie hat den Wählern mit Arrest bei Enthaltung gedroht und einen neuerlichen Putsch angedeutet, falls die von der Junta in den letzten Jahren aufgebaute Massenpartei keine Mehrheit erzielen sollte.

Meilenstein der Machtkonsolidierung
Die Wahlen sind Ausdruck eines Wandlungsprozesses der Militärdiktatur hin zu einer zivileren Regierungsform. Dieser folgt einer Evolutionslogik, die bei autoritären Regimen oft zu beobachten ist. Verglichen mit anderen politischen Ordnungen trägt eine Militärdiktatur, wie sie in Birma zu finden ist, das größte Selbstzerstörungspotential durch rivalisierende Fraktionen in sich, während sie gleichzeitig nur wenig Legitimation in der Bevölkerung genießt. Die Angst der Generäle vor Widerstand aus der Bevölkerung und Angriffen aus den eigenen Reihen hat die Entscheidungen der Junta in den letzten Jahrzehnten dominiert. Sie führte zu einer Verdreifachung der Militärausgaben zwischen 1989 und 1995 und zum Sturz von General Khin Nyunt im Jahre 2004, der den anderen Generälen unheimlich geworden war. Letztendlich spiegelte sie sich auch in der absurden Verlegung der Hauptstadt ins Landesinnere wieder. Nun strebt die Machtelite danach, die Unsicherheit über den eigenen Machterhalt zu reduzieren. Hierzu versucht sie einerseits nach innen institutionelle Strukturen des Machterhalts und der internen Machtübergabe zu schaffen und andererseits ihre Legitimität in der Bevölkerung zu erhöhen.

Die kommenden Wahlen in Birma sind ein Meilenstein auf dem Weg, die autokratische Macht der Militärjunta zu konsolidieren. Sie sind ein Schritt der Machtelite, sich vor sich selbst zu schützen und könnten damit den Weg für größere politische Stabilität, mehr wirtschaftliche Entwicklung und weniger Repression freimachen. Die paranoiden Maßnahmen zum Schutz ihrer Macht haben in der Vergangenheit gigantische Summen und Ressourcen verschlungen und Investitionen in die Wirtschaft des Landes verhindert. Statt an kontinuierlichen Steuereinnahmen interessiert zu sein, strebten die Militärs die direkte Kontrolle über die Wirtschaft an, um ihren Machterhalt mit der Ausbeutung der natürlichen Rohstoffe zu sichern. Birma, das als eines der reichsten asiatischen Länder in die Unabhängigkeit gestartet war und als zweitgrößtes Land der ASEAN-Staaten über beachtliches wirtschaftliches Potential verfügt, wurde von einer machtbesessenen Elite ausgesaugt und degradierte zum Armenhaus Südostasiens.

Kurzfristig könnte vieles besser werden
Angesichts dieser Tatsache gibt der von der Junta eingeschlagene Prozess zur Konsolidierung ihrer Macht Grund zur Hoffnung – so paradox das klingen mag. Politische Stabilität kann zu einer langfristigeren Perspektive der Herrschenden führen und die nötigen Bedingungen schaffen, das wirtschaftliche Potenzial des Landes zu entfesseln.

Statistisch gesehen gibt es aber auch einen Zusammenhang zwischen der Wirtschaftskraft eines Landes und der politischen Repression gegenüber der Bevölkerung. In ärmeren Ländern wird durchschnittlich mehr zensiert, gefoltert und unterdrückt. Wenn sich die herrschende Elite ihrer Macht sicherer sein kann, dann könnten die birmanischen Machthaber dem chinesischen Vorbild nacheifern und ihre Legitimation durch wirtschaftlichen Fortschritt erhöhen und weniger auf repressive Maßnahmen setzen. Dies könnte eine erhebliche Verbesserung der Menschenrechtssituation in Birma bedeuten, selbst wenn politische Freiheiten und Rechte weiterhin eingeschränkt blieben. Beides, eine Linderung der extremen Armut der Menschen und eine Reduzierung der Gewalt der Regierung gegen die Bevölkerung sind zunächst positiv.

Gradueller Wandel, aber wohin?
Zu Recht wird kritisiert, dass die Wahlen in Birma dazu gedacht sind, die Macht des Regimes auf unbestimmte Zeit zu verlängern anstatt zu einer wirklichen Demokratisierung zu führen. Allerdings ist die kompromisslose Forderung nach freien und fairen Wahlen der NLD selbst unter den birmanischen Oppositionellen umstritten. Vielen ist klar, dass sich das Regime nicht freiwillig selbst abschaffen wird und Wandel somit nur graduell stattfinden kann. Hierfür spricht auch, dass eine direkte Transformation einer Militärdiktatur zur Demokratie überhaupt nur sehr selten geglückt ist. In den Militärdiktaturen Thailands, Portugals und Uruguays war ein Übergang zur Demokratie nur möglich, nachdem sich das Regime zunächst eingeschränkt dem politischen Wettbewerb mit anderen Parteien gestellt hatte.

Das Dilemma Birmas ist, dass der Prozess, der das Land nach vorne bringen könnte – nämlich eine Konsolidierung der politischen Strukturen – auch die Gefahr birgt, dass sich die kleptokratische Elite an der Macht „festsetzt“ und eine echte Demokratisierung auch in Zukunft verhindert. Schon jetzt hat sich das Regime die Kontrolle über Bürokratie und Verwaltung gesichert und über ihre Massenpartei auch den Zugriff auf die Gesellschaft. Sie hat während der letzten Jahre die volkseigenen Betriebe durch ein undurchsichtiges Privatisierungsprogramm in private Taschen transferiert. Nach einer gerechten Nutzung der wirtschaftlichen Ressourcen, die nachhaltig Wachstum, Arbeitsplätze und breiteren Wohlstand schaffen könnte, sieht das nun nicht gerade aus. Und je mehr die Elite zu verlieren hat, desto stärker wird sie sich gegen eine demokratische Ordnung sträuben. Auch das lässt sich leider in vielen Ländern beobachten.

Über die Autorin

Bader, Julia

Politologin

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